Die trauernde Braut

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[ Der in den nächsten Kapiteln beschriebene Fall stammt in Grundzügen aus der App 'Sherlock BBC' zur Serie ]

Sherlock PoV

Als Johns warme Finger meine Wange berührten, riss ich den Blick von der Gestalt auf dem Gehweg los und schlug reflexartig nach der Hand des Arztes. Erst jetzt merkte ich, dass er tatsächlich Recht gehabt hatte, ein Teil meines Experiments war tatsächlich in meinem Gesicht gelandet und nun, dank John, quer über meine Wange verteilt.

Ruckartig zog dieser seine Hand zurück, eine entschuldigende Haltung einnehmend. "Sie haben nicht... -", begann John, brach dann jedoch ab und schüttelte nur den Kopf, wobei er seine klebrigen Finger an einem Geschirrtuch abwischte.
Gut, wenn er es abwischt merkt er nicht, worum es sich handelt...

Um John nicht weiterhin die Zeit zu lassen, darüber nachzudenken, richtete ich den Blick an meinem Mitbewohner vorbei ins Wohnzimmer hinein und meinte dann ruhig:" Drei... zwei... und jetzt öffnen sie schon die Tür, John, wir haben einen Klienten." Mit diesen Worten lief ich aus der Küche, schloss dabei den Knopf meines Jackets und setzte mich mit einem Bein überschlagen auf meinen Sessel, die Arme auf der jeweiligen Lehne abgelehnt.

John war etwas widerwillig an mir vorbeigegangen und hatte geöffnet, wahrscheinlich würde er noch eine Weile enttäuscht von mir sein. Doch als er die Treppe wieder nach oben kam, mit ihm eine blonde, junge Frau, deren Make-Up gerade mit ein paar salzigen Tränen ihre Wangen hinunterlief, unterdrückte ich ein Seufzen.

Zerzauste, in wenigen Strichen gebürstete Haare, dunkle Augenringe, eine zerknitterte Bluse und das dürftig aufgetragene Make-up... diese Frau hat seit Tagen schlecht geschlafen und sich nicht wirklich darum gekümmert, wie sie hier auftauchen würde. Pastellpinke Handtasche schützend vor den Körper gehalten, Nagellack an beiden Händen frisch, professionell.

Der funkelnde Stein an dem schmalen Ring, den sie trug, verriet den Rest. Offenkundig habe sie in Kürze heiraten wollen. "Wie lange ist er schon weg ?", fragte ich bereits, als sie mich gerade erblickte und von John den Platz mir gegenüber zugewiesen bekam, welcher mich direkt mit einem warnenden Blick ansah. Dabei schluchzte die Frau nur noch stärker, setzte sich jedoch, wahrscheinlich, weil sie so stark zitterte. "Sei... Seit... s...se.. -", begann die Blonde immer wieder von Tränenflüssen unterbrochen. Genervt sah ich zu John, welcher jedoch neben der Frau stehengeblieben war und ihr beruhigend die Hand auf den Unterarm gelegt hatte. So viel Mitgefühl.

Sechs Tage. Sechs Wochen wäre zu lange, sie wäre viel früher gekommen. "Sechs Tage also, Mrs... ?",
fragte ich, meine Abneigung gegenüber ihren Tränen mit Anstrengung unterdrückend. "Wilder. Emily Wilder.", murmelte die Klientin daraufhin nickend, gefolgt von einem starken Schlucken. John schien sie tatsächlich etwas beruhigt zu haben. Kurz wanderte mein Blick zu ihm und John fing diesen einen Moment auf, fast so, als wolle er mir zeigen, was Mitgefühl bewirken konnte. Ich ging nicht weiter darauf ein.

Gut zwanzig Minuten länger hatte es gedauert, bis endlich alle notwenigen Informationen gesammelt waren. Ich hätte mit Sicherheit weniger gebraucht, doch John hat mich immer wieder warnend angesehen, wenn ich Emily Wilder nicht genug ausheulen lassen habe. Na und ? Sie kann dir doch egal sein.

Jetzt stand ich mit John vor der schwarzen Haustür der 221b Bakerstreet, den Schal um den Hals gewickelt, den Mantelkragen aufgestellt und die Hände in den Manteltaschen versenkt. Der Arzt neben mir hingegen hatte seinen Parker offenstehen lassen, die Arme ließ er einfach am Körper hinunterhängen.

"Also. Stuart Hamilton, zukünftiger Mann von Emily Wilder, ist seit sechs Tagen verschwunden, weder nach Hause gekommen, noch in die Bibliothek zur Arbeit gegangen. ", begann John, den Fall noch einmal zusammenfassend. Ich ließ es ihn tun, obwohl ich all das natürlich nicht vergessen hatte. Stattdessen fügte ich Informationen hinzu, die ich aus meiner weiteren Deduktion während des Gespräches herausgefunden hatte :" Mr. Hamilton ist ein Träumer. Kopf überall, außer da, wo er hingehört. Er hat nicht viel Geld, als Bibliothekar verdient man nicht viel, der Stein an Emilys Ring ist nicht echt. "

"Sie sagen 'ist'. Sie gehen davon aus, dass er noch lebt ?", fragte John, gerade, als unser Taxi vorfuhr. "Offenkundig.", antwortete ich nur, während ich um das Taxi herumlief, um auf der linken Seite einzusteigen, so wie immer. "Nach Chelsea", rief ich dem Taxifahrer nur zu, während John seine Tür ebenfalls zuschlug und als das Auto losfuhr, schnallte ich mich an. John wurde immer wütend, wenn ich es nicht tat.  

Einige Momente verfielen wir beide in Schweigen, zu Mr. Hamilton gab es gerade nicht mehr viel zu sagen, es war kein Mord, wir hatten es also nicht eilig. Doch John schien die Stille zu stören, ich sah es daran, wie er angestrengt aus dem beschlagenen Fenster sah, den Kopf immer wieder leicht in meine Richtung drehte. "Nun spucken sie es schon aus, John.", forderte ich ihn kurz darauf auf, sah jedoch weiterhin durch die Frontscheibe des Taxis auf die Straße.

John zögerte, wandte den Kopf dann jedoch gänzlich zu mir :" Ihr Experiment. Heute Morgen. Warum haben sie dafür Zimtstangen gebraucht ?" Bei Johns Worten huschte ein flüchtiges Grinsen über mein Gesicht. Der Arzt wurde besser im Deduzieren. Viel besser. Daraufhin drehte ich mich etwas zu ihm, wobei mir eine der dunklen Locken in die Stirn fiel. "Sie werden besser.", meinte ich dann, ein zufriedenes Blitzen in den blauen Augen. Doch das schien meinen Mitbewohner so aus der Bahn zu werfen, dass er mich kurz mit offenem Mund anstarrte. "Sie können den Mund jetzt wieder schließen, John.", wies ich ihn daraufhin mit einem schnellen Verdrehen der Augen an.

"Haben sie mir gerade ein Kompliment gemacht, Sherlock ? Sie ? ", fragte er sichtlich verwirrt, was ihn jedoch von seiner eigentlichen Frage abzulenken schien. Sehr gut.
Mit einem letzten Wissenden Blick zu John sah ich wieder nach vorne, als das Taxi vor der Bibliothek hielt, in der Stuart bis zu seinem Verschwinden gearbeitet hatte. Schon am Aussteigen, warf ich dem Taxifahrer sein Geld auf den Beifahrersitz und ließ die Autotür daraufhin laut zufallen. Direkt vor der Bibliothek ließ ich meinen Blick von Unten nach Oben über das gesamte Gebäude wandern, bis John ebenfalls neben mir stand, der dem Taxifahrer noch gedankt hatte.

It is what it is - JohnlockKde žijí příběhy. Začni objevovat