Die Scheune

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John PoV

131 Minuten nach Johns Verschwinden

Die soeben getroffene Erkenntnis ließ mich ruckartig innehalten, augenblicklich versteifte ich mich vollkommen und biss die Zähne zusammen, um einen Aufschrei zu unterdrücken.
Verdammt, John. Sie atmet nicht. Du hättest es gespürt, wenn sie atmen würde. Und du hättest es gefühlt.

Im Schock hielt ich die Luft an, lauschte auf mögliche Atemgeräusche, doch außer dem stetigen Brummen des Motors war es vollkommen still. Verdammt.
Gerade hatte ich mich dazu entschlossen, trotz den Umständen meiner Lage um Hilfe zu rufen, wer wusste schon, wie lange Vera schon ohnmächtig gewesen war, bevor ich mich daran erinnerte, dass sie hinter mir lag.
Pistole.

In diesem Moment durchzuckten mich die Bilder von vor unserer Haustür erneut und das schwarz glänzende Metall in Hamiltons Hand erschien erneut in meinem Bewusstsein.
Er hat ihr den Lauf der Pistole über den Hinterkopf gezogen.
Vera musste schon die ganze Zeit bewusstlos sein.
Das ist lange. Viel zu lange.

Ich konnte mich nicht daran erinnern, was genau danach passiert war, lediglich daran, dass ich erschrocken die Haustür aufgerissen hatte und in die ebenso erschrocken aufgerissenen Augen von Stuart Hamilton geblickt hatte, bevor mir selbst schwarz vor Augen geworden war.
Warum hat Stuart Hamilton Interesse daran, Vera Reynolds zu entführen ?

Doch bevor ich weiter über diese Frage nachdenken konnte, bretterte der Wagen ruckartig um die Kurve, schoss dann über holprigen, weich nachgebenden Untergrund und kam anschließend so plötzlich zum Stehen, dass ich, unfähig mich irgendwo festzuhalten, gegen die Heckklappe des Autos geschleudert wurde und erneut einen Schlag gegen den Kopf bekam.

Ein schmerzverzerrtes Stöhnen verließ meinen Mund und während ich reflexartig die Augenbrauen zusammenzog, um dem Dröhnen in meinem Schädel ein Ende zu bereiten, wurde der Kofferraum des Wagens aufgerissen und , im Gegensatz zu der zuvor herrschenden Dunkelheit, grelles Licht flutete hinein.

Blinzend öffnete ich die Augen wieder, versuchte krampfhaft, meinen schnellen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Er wird dir nichts tun, John. Er wollte dich überhaupt nicht, muss dich also nur loswerden.
Und dann erblickte ich ihn, den geflüchteten Ehemann, dem das Geld zu Kopf gestiegen war.
Das kurze, kastanienbraune Haar klebte ihm in der verschwitzten Stirn, seine grauen Augen waren angstvoll aufgerissen und offenkundig waren meine Hände nicht die einzigen, die zitterten, denn als der Mann sah, dass ich bei Bewusstsein war, stieß er ein wütendes Knurren aus und trat kräftig gegen den Hinterreifen seines Wagens.

"Verdammte Scheiße !", brüllte er dabei, trat direkt danach noch einmal hinterher und drehte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder zu mir, nur um mich dann mit seinen schwitzenden Händen an den Schultern zu packen und versuchte, mich so aus dem Kofferraum zu ziehen.

"Es würde schneller gehen, wenn sie meine Beine losbinden !", zischte ich wütend. Ich mochte vielleicht kleiner sein, als viele andere Männer da draußen, doch wenn er ernsthaft dachte, er könnte mein volles Gewicht so aus dem Kofferraum ziehen, dann war er wirklich verzweifelt.
"Halten sie ihren verdammten Mund !", brüllte er mich daraufhin an, beugte sich jedoch im selben Moment über mich und begann hastig, den Knoten an meinen Knöcheln zu lösen, nicht, ohne dabei immer wieder zu fluchen. 

Erleichtert atmete ich aus, als ich meine Beine wieder bewegen konnte und wehrte mich nicht, als der Mann mich an den Schultern zog, bis ich halb aus dem Wagen fiel, halb rollte und unsanft im nassen Gras landete. Gras ? Wo zur Hölle bin ich ?
"Los, machen sie schon. Stehen sie auf !", zischte Hamilton wieder, als ich mich langsam aufrichtete. Doch das schien ihm nicht schnell genug zu gehen, denn im selben Augenblick griff er in seinen Hosenbund und streckte seinen Arm auf meine Kopfhöhe, die schwere Pistole wieder in seiner Hand.

Erschrocken einatmend richtete ich mich auf, mein ganzer Körper fühlte sich taub und verspannt an und da meine Hände noch immer hinter dem Rücken zusammengebunden waren, fiel es mir schwer, das Gleichgewicht zu halten. "Lassen sie mich nach ihr sehen. Ich bin Arzt !", rief ich dann jedoch verzweifelt, als ich den Lauf der Pistole in mein Kreuz gedrückt bekam und von Hamilton vorwärts geschoben wurde, direkt auf eine alte Scheune zu.
Eine Scheune ? Wie lange sind wir Auto gefahren ?

"Hamilton, verstehen sie nicht, was sie getan haben ? Die Frau in ihrem Kofferraum ist weiß Gott wie lange bewusstlos !", brüllte ich dann heraus, während ich immer weiter auf den Eingang der verlassenen Scheune zugedrängt wurde. Weit und breit war nichts weiter zu sehen als Rasenfläche und brach liegende Felder. Niemand kann dich hier hören. Nicht einmal Sherlock. 

Bei diesen Worten zuckte der große Mann hinter mir zusammen und presste mir die Pistole daraufhin nur noch fester in den Rücken, als ich durch die schiefhängende Holztür stolperte und Staub in der Scheune aufwirbelte. Direkt wurde es wieder etwas dunkler, durch die unzähligen Spalten im alten Holz drang fahles Licht herein und durch die kalten Atemwolken erschien das ganze wie ein gespenstischer Ort.
Dann verpasste er mir einen harten Stoß mitten ins Kreuz und ich fiel hustend nach vorne, ohne Möglichkeit, mich irgendwie abzufangen und landete unsanft, mit dem Gesicht vorraus, auf dem harten Boden, der noch dürftig mit altem Stroh bedeckt war.

"Woher wissen sie, wer ich bin ?", stieß Hamilton dann mit zitternder Stimme hervor, die Furcht stand ihm deutlich in den Augen. Er versteht erst jetzt, was wirklich schiefgegangen ist. Er wollte eine Frau entführen, die nun bewusstlos in seinem Kofferraum liegt und nun hat er einen fremden Mann an der Backe, der sogar weiß, wer er ist.
Erst in diesem Moment realisierte ich, dass auch ich selbst einen fatalen Fehler begangen hatte, indem ich offenbarte, ihn zu kennen.
Jetzt muss er dich auf jeden Fall loswerden, John.

Flach atmend wälzte ich mich herum, wurde jedoch direkt wieder von Hamilton in die Seite getreten. Meine Wange fühlte sich aufgeschürft und taub an, jeder einzelne Muskel in meinem Körper schien zu schmerzen und der kalte Boden machte das nicht besser. "Sagen sie mir, woher sie wissen, wie ich heiße !", brüllte er erneut und gerade wollte ich langsam den Mund öffnen, da ertönte aus der Ferne das laute Quietschen von Autorreifen und erschrocken sah Hamilton auf, suchte offensichtlich nach Fluchtwegen, doch dann entschied er sich anders, bückte sich und zog mir seine Pistole zum zweiten Mal an diesem Tag über den Kopf.
Bevor alles um mich herum erneut schwarz wurde, stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen.
Sherlock. Er hat mich gefunden.

[An dieser Stelle eine kurze Widmung an @ , und alle anderen interessierten Leser, da meine Antwortkommentare irgendwie nicht richtig angezeigt werden .-. Die abgeschlossene Geschichte von It is what it is - Johnlock besteht insgesamt aus 22 Kapiteln 😊]

It is what it is - JohnlockDär berättelser lever. Upptäck nu