Kapitel 7

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Kathi

Tatsächlich macht es totalen Spaß. Peter, der von seinen Freunden immer auf Englisch angesprochen wird, bringt mir einige Tanzschritte bei. Alles ziemlich turbulent, mir ist ganz schön heiß.

Peters Freunde haben mich ziemlich schnell aufgenommen. Insbesondere Mary scheint mich zu mögen. Wir unterhalten uns ziemlich befreit.

Es ist schon ziemlich spät, als plötzlich die Türen aufgerissen werden. Die warme Luft von draußen strömt hinein. Ich bemerke sofort, dass etwas nicht stimmt. Peter greift nach meiner Hand, umschließt sie mit seinen Fingern. Er zieht mich hinter sich her, wir nähern uns einem Ausgang. Aber es ist nicht der Hauptausgang, sondern eine Hintertür. Zwar bin ich mehr als nur verwirrt, aber ich vertraue Peter einfach. Er wird besser wissen was hier gerade passiert. Wir rennen mehrere schreiende Leute um. Am liebsten würde ich sie alle mitnehmen.

Was geht hier vor sich? Erst als ich zurücksehe, realisiere ich es. Es ist eine Razzia. Selbst wenn Peter und ich es hier rausschaffen und es schaffen zu fliehen, andere tun es nicht. Andere werden als politische Gefangene mitgenommen und in Konzentrationslager gesteckt. Einige werden sterben, während Peter und ich es scheinbar schaffen werden. Mein Puls rast und ich frage mich zum wiederholten Mal, was ich hier eigentlich mache.

Wir stehen fast direkt vor der Tür, als sich uns jemand in den Weg drängt. Schwarze Hose, braunes Oberteil, eine Hakenkreuz Armbinde. Blaue Augen, begleitet von braunen Haaren, die streng zurückgegelt sind. Dann setzt mein Herz eine Sekunde aus. Das ist nicht irgendein Hitlerjunge, das ist mein Bruder!

Seine Augen weiten sich, er schaut sich erschrocken um.

"Kathi, was machst du hier?", seine Stimme ist brüchig und leise. Er bemüht sich, nicht auffällig zu sein.

"Das frage ich dich!", schieße ich zurück. Peter drückt meine Hand.

"Beeilt euch. Raus hier, ich konnte euch nicht erwischen. Pass auf sie auf, Peter!", Os geht einige Schritte zur Seite. Ich nicke, Peter formt ein "Danke" mit den Lippen. Dann drängen wir uns durch die Tür raus.

Mein Puls rast ohne Ende. Noch ein wenig mehr und mein Herz springt aus meiner Brust. Wir rennen ohne eine Pause mindestens vier Straßen weiter. Schnaubend bleiben wir stehen. Ich wusste nicht, dass ich so schnell rennen kann. So schnell bin ich nicht mal gerannt, als ich meinen Bus verpasst habe und dann zu meiner Abschlussprüfung kommen musste.

"Vielen Dank, Peter. Ohne dich wäre ich jetzt in den Fängen der HJ.", sage ich, immer noch nach Luft röchelnd.

"Ohne dich, wären wir in den Händen der Nazis. Du kennst den Jungen, er hat uns deswegen laufen lassen."

"Mhm.", brumme ich zustimmend. Zwar bin ich der Meinung, dass er der Grund für unser Entkommen ist, aber ich will jetzt nicht darüber diskutieren.

"Ich bringe dich nachhause.", er bietet mir seinen Arm an und ich hake mich ein. Er ist wirklich ziemlich nett, auch wenn ich noch nicht viel von ihm kenne.

Die ganze Zeit brennt mir die Frage auf der Zunge, warum er in meinen Träumen aufgetaucht ist, doch ich traue mich nicht ganz ihn zu fragen. Nach nur wenigen Minuten stehen wir vor Waltrauds Wohnung.

"Eine Frage habe ich noch.", flüstere ich. Er schaut mir in die Augen. "Warum habe ich von dir geträumt?"

Er schmunzelt und prustet ein wenig los. "Ich würde nichts lieber tun, als dir eine Antwort zu geben. Aber ich muss dich enttäuschen, ich habe nicht einmal ansatzweise eine Ahnung. Aber scheinbar hat es einen Sinn, denn du bist ja hier und nicht mehr in 2018."

1941- Zwischen Verrat und FamilieWhere stories live. Discover now