Kapitel 1

1.7K 43 20
                                    

Hey du!

Ja, ich weiß auch noch nicht, wozu das hier führen soll, aber ich freue mich sehr, dass du auf meine Geschichte gestoßen bist. Und ich hoffe natürlich, dass sie dir gefällt. Sollte dir irgendwas auffallen, das historisch nicht ganz korrekt ist (obwohl ich meine Zeit damit verbringe, nach den Dingen zu recherchieren) wäre ich happy, wenn du es mir kurz mitteilst. Viel Spaß mit dieser Geschichte! 

Katharina

"Verdammt!", wütend pfeffere ich mein Hausaufgabenheft in die Ecke. Ich habe wirklich keine Lust mehr, die Mathehausaufgaben zu machen. Mein guter Lehrer denkt auch, er sei das einzige Fach auf unserer Schule. Wie gut, dass ich mich für Bio anstatt Mathe in meinen Abi Klausuren entschieden habe.

Ich starte noch einen kurzen Versuch, meine Hausaufgaben zu erledigen, scheitere dabei jedoch kläglich. Ich stoße einen entnervten Aufschrei aus. Warum zur Hölle mache ich das hier überhaupt? Ich hätte einfach eine Ausbildung beginnen sollen. Wobei, auch dann wäre ich verzweifelt.

"Kann man dir helfen, Schwesterherz?", mein Bruder tritt in mein Zimmer, und legt seine Hand auf meine Schulter. Ich drehe mich zu ihm an und blicke in seine hellen blauen Augen. Wir haben unsere Augen beide die Augen unserer Mutter.

"Eher nicht, es sei denn, du machst meine Hausaufgaben für mich.", ich lache. Er schaut mit angestrengtem Blick auf mein Blatt. Es bildet sich eine kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen, wie immer, wenn er konzentriert ist. Dann beginnt er energisch mit dem Kopf zu schütteln.

"Um Himmels Willen! Das habe ich auch so gehasst, letztes Jahr im Abi.", er fährt sich kurz durch seine braunen Haare, welche oben ein wenig länger sind als an den Seiten. "Aber Kathi", beginnt er, als er rausgeht "Geh so langsam mal ins Bett. Es ist schon spät."

Verdammt! Es ist wirklich schon fast 24 Uhr. Ich schaue meine Hausaufgaben abwertend an, dann wende ich mich ab und gehe ins Bett.

Für gewöhnlich träume ich selten, aber seit ein paar Tagen träume ich immer wieder wirre Dinge. Meistens sitze ich auf einer Parkbank, neben mir ein Junge in meinem Alter. Nichts Ungewöhnliches, eigentlich. Doch er ist anders gekleidet als die Leute meines Alters. Meiner Zeit. Meistens trägt er einen beigen Anzug, eine rot-weiß gestreifte Krawatte, schwarze Lederschuhe und er hat immer einen Regenschirm dabei. Irgendwann dreht er sich zu mir um und lächelt. Wir kommen kurz ins Gespräch, dann rüttelt er an mir. Dabei schreit er immer wieder Dinge wie "Wach auf, verdammt, wach auf!" oder "Du wirst es verändern, Kathi! Du wird es verändern!"

Dementsprechend bin ich jeden Morgen ziemlich müde. Auch mein Bruder wirkt seit ein paar Tagen ziemlich aufgewühlt.

"Was ist eigentlich momentan mit euch los? Ihr wirkt immer so abwesend.", meine Mutter. Ich erschrecke leicht und schaue meine Mutter mit großen Augen an.

"Ich träume momentan ziemlich komisch.", antworte ich schlicht. Mein Bruder nickt. "Ebenfalls."

Ich schlurfe heute nur so durch die Gänge unserer Schule. Ich bin wirklich, wirklich müde. Ich werfe mich auf den Stuhl. Packe schlaftrunken meine Sachen aus. Meine Freundin beobachtet mich grinsend. Ich lege meinen Kopf auf den Tisch, kurz darauf klatscht eine Hand direkt neben meinem Ohr auf den Tisch.

"Erde an Kathi! Sag mal, wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken?", meine Freundin, Alex, schaut mich aus besorgten Augen an. Ich schüttle abwesend meinen Kopf. Zum Glück kommt mein Mathelehrer in den Raum. Er ist ein älterer Mann, mit grauem Haar und einem Bierbauch. Und um ganz ehrlich zu sein, ist er der schrecklichste Lehrer auf meiner Schule, er ist überdimensional streng, hat die Stimme einer Schlaftablette und nimmt dich immer genau dann dran, wenn du mal nicht aufpasst, oder wenn er weiß, dass du es nicht weißt.

Ich starre auf das leere Blatt vor mir. Ich hasse Mathe. Ich. Hasse. Mathe. Ich verstehe es einfach nicht. Und mein Lehrer scheint es lustig zu finden, mich vor der Klasse bloßzustellen. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, frage ich mich, ob man mich verpetzen würde, sollte ich ihn aus dem Fenster werfen.

Erleichtert atme ich aus, als mein Lehrer endlich die Stunde beendet. Ich stürme als Erste aus dem Raum. Alex ist direkt hinter mir. Wir verlassen das Gebäude und setzen uns auf eine Bank direkt unter einem Baum, unser Lieblingsplatz. Ich rede nie sonderlich viel, Alex zum Glück auch nicht. Ihre blau gefärbten Haare hat sie in einen voluminösen Dutt gesteckt, doch einige Strähnen hängen hinaus. Sie ist ziemlich begabt, was ihre Haare angeht. Ich hingegen bin da eher eine Niete. Meine Haare haben mir mal bis zu meinem Hintern gereicht, doch wegen meiner hoffnungslosen Unfähigkeit habe ich meine Haare so kurz geschnitten, dass sie nur noch bis zum Kinn reichen. Und ehrlicherweise gefällt es mir sogar ziemlich gut. Löst zwar nicht das Problem, dass sie immer ungestylt sind, gefällt mir aber besser.

"Deine Haare sehen gut aus.", ihre leicht raue Stimme hallt in meinen Ohren nach. "Und du schwörst noch immer, dass deine Haare nicht blondiert sind?"

"Sie sind nach wie vor nicht blondiert!", lache ich und knuffe ihr in die Seite. Dann klingelt es zur nächsten Stunde. Englisch.

Irgendwie kann ich mich heute gar nicht konzentrieren. Meine Gedanken driften immer wieder zu meinem Traum ab. Wieso zur Hölle träume ich immer wieder denselben Mist? Was, wenn es ein Zeichen ist? Was, wenn mir jemand etwas sagen will? Gott, ich werde schon verrückt. Nach dem Unterricht treffe ich mich mit Alex. Im Gegensatz zu mir ist sie ziemlich gut in Mathe und versucht mir mit allen Mitteln, Mathe verständlich zu machen.

***

Erschöpft falle ich in mein Bett. Ich habe Mathe tatsächlich verstanden! Es ist gar nicht so schwer, wie ich immer dachte. Mein Bruder setzt sich zu mir auf das Bett.

"Sag mal, was träumst du momentan? Du hattest ja gesagt, dass du momentan auch schlecht träumst.", frage ich etwas zögerlich.

"Also, äh, meistens sitze ich auf einer Parkbank, neben mir ein junger Kerl mit Anzug und Regenschirm, wir kommen ins Gespräch und dann rüttelt er mich wach."

Ich starre ihn mit offenem Mund an. Das ist genau das, was ich auch träume.

"Wach auf, verdammt, wach auf!", zitiere ich. Er nickt. "Du träumst dasselbe wie ich."

Oskar

Verdammt, sie träumt dasselbe wie ich. Sie. Träumt. Dasselbe. Wie. Ich.

Diese Träume, sie sind der Grund, warum ich seit Tagen kaum schlafe. Ich drücke mich vorm Schlafen, denn sobald ich die Augen schließe, keimen diese Träume auf. Wie ein lästiges Stück Unkraut, das sich aus der dunkelsten Ecke erhebt und sich wie ein Schatten über die wunderschönen Blumen legt.

Verdammt, ich will wissen was dahintersteckt. Ich muss es wissen. Ich meine, wie wahrscheinlich ist es, dass zwei Leute seit Tagen einen Traum teilen? Ich greife nach meinem Handy, gebe in die Google Suchleiste "Was bedeutet es, wenn Geschwister dasselbe träumen" ein. Ohne Erfolg. Trotz, dass ich seit Stunden google, finde ich nichts, was ansatzweise nach einer Antwort klingt.

Widerwillig lege ich mich schlafen. Kaum bin ich weggedämmert beginnt es erneut.

****

Ich sitze auf einer Parkbank. Neben mir mein altbekannter Freund. Über uns erstreckt sich ein großer Baum, dessen Blätter saftig grün sind. Erst sitzen wir schweigend da, dann dreht er sich zu mir. Lächelt. "Du musst aufwachen, Oskar. Nur du kannst uns retten."

"Wie soll ich das bitte tun?"

"Du wirst schon sehen. Du wirst schon sehen."

***

Ich fahre hoch. Gott, der Typ wird immer komischer. Wenn ich ihm irgendwann einmal begegne, dann wird er Bekanntschaft mit meiner Faust machen. Selbst schuld, wenn er mir seit Tagen meinen heiligen Schlaf raubt. Ich schließe die Augen, lasse mich zurückfallen und drifte in einen traumlosen Schlaf ab.

Als ich aufwache, erstreckt sich ein großer Baum über mir, dessen Blätter saftig grün sind. Ich setze mich auf. Vor mir erstreckt sich die Binnenalster. Auf der anderen Seite des Wassers sehe ich ein riesiges Banner, rot, ein weißer Kreis und darin... ein Hakenkreuz.

Wo zur Hölle bin ich bloß gelandet?!


1941- Zwischen Verrat und FamilieWhere stories live. Discover now