Kapitel 53

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Mark's POV


"Mark?"

Der Schreck fuhr ihm dermaßen in die Glieder, dass er augenblicklich erstarrte. Es war Max' Stimme gewesen und er hatte seinen Namen gesagt. Seinen Namen! Er kannte seinen Namen! Das Gefühl, was ihn augenblicklich erfüllte, würde er nie in Worte fassen können. Dennoch fühlte er sich auf einmal wie betäubt und in seinem Kopf begann sich alles zu drehen. Gleichzeitig spürte er, wie sein Körper anfing unkontrolliert zu zittern. Dies wurde so stark, dass seine Knie nachgaben und er langsam an der Wand nach unten rutschte, unfähig, irgendetwas zu tun oder zu sagen. Sofort waren Hannes und Nitti bei ihm, wollten ihm helfen.

Hannes kniete sich erschrocken zu ihm. "Hey, Mark." murmelte er. Dieser spürte, wie Tränen und Schweiß an seinem Gesicht herunterliefen und er weiterhin nur zappelte. Er konnte Erleichterung spüren, auch Glücksgefühle, doch sein Körper schien das noch nicht registriert zu haben. Gerne wäre er jetzt vor Freude zu Max gegangen und hätte ihn angesehen, und, wenn er es zugelassen hätte, umarmt, doch er war nicht fähig, überhaupt auf den Beinen zu bleiben und die Tränen fanden kein Ende, kamen schluchzend aus seinen Augen.

"Ich hol einen Arzt." hörte er Nitti, der auf dem Absatz kehrt machte und aus dem Zimmer lief, während Hannes über seine Schulter strich und auch ganz verzweifelt wirkte. Doch Mark konnte ihm nicht helfen. Während er seine Welt schwer atmend wie durch einen Schleier erlebte, kniete auf einmal ein Mann mit weißem Kittel neben ihm und redete etwas. Erst als er sich konzentrierte, verstand er auch, was er sagte. "Hallo! Können Sie mich hören?" Mark nickte. Er maß ihm den Blutdruck und den Puls, ging dann aus dem Zimmer.

Als er wiederkam war er jedoch nicht allein. Ihm wurde der linke Arm abgebunden und er spürte den Einstich, wehrte sich nicht. Erst als er mitbekam, wie sie davon redeten, ihn in ein anderes Krankenzimmer zu bringen, wurde sein Kopf schlagartig klar. "Ich geh' hier nicht weg!" protestierte er, auch, wenn seine Stimme keine Kraft hatte. Max war wach, er hatte seinen Namen genannt. Nein, dieses Zimmer würde er nicht verlassen.

Hannes und Nitti sprachen mit den zwei Männern, während seine Gedanken immer wieder zu Max gingen, der seinen Namen ausgesprochen hatte. Wie lange hatte er auf diesen Moment gewartet, hatte gehofft und gebangt. Jetzt musste dieser nur wieder auf die Beine kommen. Wenn Max sich an ihn erinnerte, dann würde er sich doch wohl an andere Dinge auch erinnern, oder nicht? Würde er endlich gesund werden können. Was aber, wenn er immer noch denken würde, dass er ihn umbringen wollte? Ein kalter Schauer durchzog ihn bei diesem Gedanken. Was war das für ein Schock gewesen.

Er blickte zu dem Bett, konnte Max jedoch nicht sehen, da Geräte die Sicht behinderten, nur seine Mutter verfolgte wohl die Szene hier, hatte einen betrübten Gesichtsausdruck. Mark schloss die Augen. Das Zittern schien langsam weniger zu werden, auch legte sich so ein komisches Gefühl über seine Augen, welches er schon von den Tabletten kannte, die er ja in ähnlicher Situation bekommen hatte.

Eine Hand, die sich auf seinen Arm legte, brachte ihn wieder in das Hier zurück. Er sah hoch und in das lächelnde Gesicht von Hannes, der ihm einen Becher Kaffee reichte und sich neben ihn setzte. Obwohl seine Hände noch nicht still hielten, schaffte Mark es, einen Schluck zu nehmen, ohne etwas zu verschütten.

Mittlerweile liefen die Tränen wenigstens tonlos aus seinen Augen und er fühlte sich nicht mehr ganz so hilflos. "Geht's wieder besser?" fragte Hannes leise. Mark musste lächeln. Doch, er spürte deutlich, wie sein aufgewühltes Innenleben langsam zur Ruhe kam. "Ja, denke schon."

"Mark, was ist los mit dir?" Max. Bei diesen Worten kamen die Tränen wieder stärker, doch es waren Tränen der Freude. "Ich freu mich nur so." versuchte er laut zu sagen, hörte Max auflachen. "Komische Art, das zu zeigen." meinte der nur, was Mark wieder aufschluchzen ließ. Er war wieder da. Max war wieder bei ihnen. Ihr Freund Max.

Schlagartig fiel Mark der Unfall ein, und dass es ja an ihm lag, dass Max hier lag. Sofort legte sich ein Schatten über seine Seele, betrübte ihn. "Tut mir leid, Max. Verzeih' mir bitte." Etwas zitterte seine Stimme und gerne hätte er ihn dabei angesehen, doch er musste das gleich klären. "Für was?" kam fragend zurück.

Er erinnerte sich nicht. Kurz musste Mark darüber den Kopf schütteln, da er sich ja selber nicht daran erinnern konnte. Die Minuten vor dem Crash waren aus seinem Kopf gelöscht und er hatte nicht das Gefühl, dass sie jemals wieder kommen würden. "Der Unfall. Es tut mir so leid. Das wollte ich nicht." Stille kehrte ein. Dann vernahm er wieder Max' Stimme. "Weiß nicht so recht, was du meinst." Mark atmete tief ein und aus. "Der Unfall. Wir hatten einen Unfall, als wir uns mit den zwei Johannes' treffen wollten. Das ist meine Schuld. Es ist meine Schuld, dass du im Krankenhaus liegst, im Koma warst. Dass es dir so schlecht geht." Er musste eine kleine Pause machen. "Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen." Wieder lösten sich Tränen aus seinen Augen.

Dann kehrte Stille ein und Mark spürte wieder diesen Gurt, der sich um seine Brust legte und ihm den Atem raubte. Was würde Max sagen? Würde er ihn nun aus seinem Leben streichen, wo er es wusste?

Dann, nach einer Weile konnte er Max' Stimme wieder vernehmen. "Du bist der liebste Mensch, den ich kenne. Natürlich verzeihe ich dir. Ich könnte dir, glaub' ich, nie wirklich böse sein. Oder war das Absicht?" Wieder lachte Max kurz auf und Mark konnte es nicht glauben. Wie konnte er so locker reagieren? Immer noch wusste Mark nicht, wie schwer die Verletzungen waren, ob Max jemals wieder problemlos laufen, seinen Beruf ausüben konnte. Dennoch taten die Worte so gut, überhaupt seine Stimme zu hören, dieses Positive darin.

Mark wischte sich über die Augen, schwankte zwischen Freude, Erleichterung und einer immer noch währenden Beklemmung. Max war ihm nicht böse, würde ihn nicht aus seinem Leben werfen, er konnte es nicht glauben.

"Aber warte mal." Mark musste schlucken. Hatte es sich Max doch anders überlegt? Erinnerte er sich nun doch und es würde etwas ändern? "Kannst du dich erinnern?" Mark musste es wissen. Wieder war es kurz still. "Ja." kam es langsam von Max. "Ja, ich hab' Bilder. Doch, ich kann mich erinnern, aber..." Wieder machte Max eine Pause.

"...es war nicht deine Schuld."

FateWhere stories live. Discover now