Kapitel 18

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Johannes' POV


Lena wollte nicht zum Essen bleiben und während Natalie ihrem Bruder im Bad half, sich frisch zu machen, wechselte Hannes die Decken aus, die komplett durchgeschwitzt waren.

So froh er auch war, dass das Fieber endlich gesunken war...aber warum er gleich, als es ihm besser ging, Lena geküsst hatte, konnte er nicht nachvollziehen.

Natürlich hätte Hannes fragen können, doch wollte er nicht allzu neugierig erscheinen. Und von sich aus hatte Mark nicht angefangen, irgendetwas zu erzählen.

"Das passt dir nicht, hab ich recht?" Nitti hatte mit der Zubereitung der Suppe angefangen, deren Zutaten sie eingekauft hatten, während Lena mit Mark sprechen wollte.

Hannes sah zu ihm hinüber. "Was meinst du?" Die nassen Decken würde er später in die Waschmaschine geben.

"Na, der Kuss." Er schnippelte gerade Gemüse klein, während das Hühnchen schon eine Weile vor sich hinköchelte.

Hannes musste schlucken. War das so offensichtlich? "Ich versteh's nur nicht wirklich. Letztes Mal hat es ihn noch völlig aus der Bahn geworfen."

"Da hatten sie ja auch nicht miteinander gesprochen. Oder hat es einen anderen Grund, warum es dir so missfällt?" Nitti wandte ihm weiterhin den Rücken zu, sonst hätte er wohl seinen verdatterten Gesichtsausdruck registriert.

Fing dieser jetzt auch damit an? Hannes war fassungslos. "Ich möchte nur nicht, dass es ihm dadurch schlecht geht." Das stimmte auch, er machte sich nur Sorgen. Das war alles! Wie man es als Freund halt macht, wenn es dem anderen nicht gut geht. Nicht mehr!

"Lena ist zurück nach Berlin gefahren, es war auch ein Abschied. Warum sollte es ihm dann schlecht gehen? Mark wird noch eine Weile hier bleiben müssen." Nun drehte sich Nitti doch zu ihm um. "Hannes. Ich bin um jede Minute froh, in der ich nicht Angst haben muss, dass er es nicht packt. Aber weißt du, mit ihm und wie es sich hier entwickelt, hängt auch die Zukunft von vielen anderen Leuten ab, die auf ihn angewiesen sind." Er lächelte ihn an. "Ich werde alles unterstützen, was ihm guttut, ob es nun Lena ist oder jemand anderes, ist mir dabei vollkommen egal. Hauptsache, es tut ihm gut."

"Jetzt vorsichtig." Sie hörten Natalie's Stimme im Flur und Hannes lief ihnen entgegen. Mark stützte sich auf ihren Schultern ab und bemühte sich, sich so leicht wie möglich zu machen, doch Nati wankte schon etwas. Schnell griff Hannes ihn von der anderen Seite unter, bevor sie kippten und gemeinsam begleiteten sie ihn zum Sofa.

Als er wieder saß, brachte Hannes die Wäsche ins Bad. Er verstand Nitti, dass er alles für Mark tun würde, aber worauf hatte er angespielt, als er meinte 'ob Lena oder jemand anderes' wäre ihm egal? Doch nicht auf ihn, oder? Er hatte doch Familie.

Er schaltete die Waschmaschine an und ging zurück in den Wohnraum. Nati war bei Nitti und half ihm beim Kochen. Mark saß immer noch dort, wo sie ihn abgesetzt hatten, und stützte seinen Kopf in den Händen auf, schien nachdenklich.

"Was ist los?" Hannes beschloss, nicht zu viel in alles hinein zu interpretieren und sich seinem Freund zuzuwenden, dem er helfen wollte. Der Kuss ging ihm eigentlich nichts an, hatte ihn also auch nicht zu stören. So setzte er sich zu ihm auf das Sofa und wartete auf eine Antwort.

Mark brummte, zuckte mit den Schultern. "Ich hab an gestern gedacht, an Esteban und das wegen der Stellungnahme." Er rieb sich über das Gesicht. "Können wir zu Max gehen?"

Hannes fuhr Mark sachte über den Rücken. "Du weißt, wie spät wir es haben?" Mark hatte den Großteil des Tages verschlafen, so dass er sogar den Pflegedienst abbestellt hatte. Und den Besuch seines Hausarztes hatte er ebenfalls nicht mitbekommen.

"Es geht Max nicht schlechter." Das wusste Hannes von Max' Mutter, mit welcher er am frühen Vormittag telefoniert hatte. "Wir können morgen gehen, gut?"

Mark nickte, schien immer noch in Gedanken. Warum redete er nicht mit ihm? "Wegen der Stellungnahme...was denkst du darüber?" Hannes versuchte, keinen Druck aufzubauen. Dessen Reaktion vom Vortag war ihm noch arg im Gedächtnis.

"Ich weiß nicht...du hast ja recht...das Leben geht weiter...und ich bin ja bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Aber doch nicht wegen einem Job. Wie soll ich denn in der Show auftreten, so lange Max...und Späße machen...das geht doch nicht?" Mark sah Hannes mit diesem Kummer im Blick an, der seit Tagen sein Begleiter war.

Hannes biss sich auf die Lippe, überlegte. "Natürlich geht das." Er nahm Mark spontan von der Seite in den Arm. "'The Voice Kids' machst du doch nicht wegen den Späßen, sondern, weil großartige Kinder ihren Traum leben wollen. Die brauchen deine Fachkompetenz, nicht deinen Humor. Es sind die Lifeshows, da musst du nicht den Kasper spielen. Das erwartet keiner von dir. Und denk an deine Fans, die viel Geld dafür ausgegeben haben, um dich zu sehen, denen deine Musik ihr Leben ist, es lenkt und bereichert. Und deine Band und dein Team...was sollen sie machen, wenn du aufgibst? Sie verlieren ihre Arbeit. Du hast Verantwortung, aber nicht nur für die Situation von Max, sondern auch für all die Menschen da draußen, die abhängig von dir sind."

Er hatte die Worte von Nitti aufgegriffen, fand diese gerade passend. Ob sie ihm jedoch halfen?

Mark senkte wieder den Kopf und Hannes spürte das leichte Beben des Körpers, drückte ihn fester. Dieser hielt sich die Hände vor das Gesicht und versuchte wohl, mit tiefen Atemzügen aufkommende Tränen zurückzuhalten.

Hannes seufzte auf. Diese Gefühlsschwankungen waren nicht leicht auszuhalten, taten ihm selber weh, vor allem, weil sie so fremd waren, irgendwie nicht zu dem Mark Forster passten, den sie alle kannten.

Also hielt er ihn fest, bis er sich wohl wieder beruhigt hatte, ihn aber immer noch nicht ansah.

"Kommst du mit mir, wenn das mit der Stellungnahme gemacht wird?" Seine Stimme klang zögerlich und leise.

Hannes musste schmunzeln und drückte ihn nochmal. "Natürlich komme ich mit." Was dachte er denn? Dass er ihn in so einem schweren Moment alleine lassen würde? Niemals.

"Essen ist fertig." Natalie stand am Esstisch und winkte Hannes zu.

Der klopfte Mark auf den Rücken. "Du kommst jetzt mit an den Tisch und isst mal mit uns. Wir haben extra ein Gesundheitssüppchen für dich gemacht, da kannst du uns deine Gesellschaft nicht vorenthalten."

Um so einen öffentlichen Auftritt zu meistern, brauchte er Kraft und Hannes würde ihm helfen. Also half er ihm hoch und stützte ihn bis zum Tisch, wo er ihn neben Natalie setzte, die ihn sofort umarmte. "So ist's recht."

Nitti plazierte den großen Topf in die Mitte und setzte sich auch. "Also, guten Appetit."

FateWhere stories live. Discover now