Kapitel 16

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Johannes' POV


Hannes saß schweigend bei Mark auf dem Sofa, nur im Dämmerlicht des gedimmten Deckenfluters, und hielt dessen Hand, die schlaff in seiner lag. Der Kopf hing zur Seite und nur das schwere, stoßweise Atmen des Freundes war zu hören, was sehr angestrengt wirkte.

Wie sehr erinnerte ihn diese Situation an die Tage im Krankenhaus, als sie nur in der Hoffnung verweilten, dass Mark bitte überleben würde. Und nun lag er wieder so elend da, hatte hohes Fieber.

Vehement hatte er sich geweigert, ins Krankenhaus zu gehen, wohin ihn sein Hausarzt einweisen wollte, und Hannes hatte letztendlich eingewilligt, konnte diesem flehenden Blick von Mark einfach nicht standhalten.

Und doch plagte ihn die Sorge, dass diese Entscheidung falsch sein könnte, es nicht an einer Überlastung liegen würde, wie vermutet, sondern an der Narbe, die schmerzte und ihn bei Druck aufjammern ließ, was aber nur eine Untersuchung in der Klinik klären könnte.

Wenn es an der Wunde lag, einer Infektion oder Probleme mit einer Naht...er mochte sich nicht vorstellen, was das bedeuten würde. Und es half auch nicht, dass Mark es selbst entschieden hatte.

Und dass er im Schlaf immer wieder jammerte, machte es auch nicht besser, ließ Hannes wiederholt zusammenfahren und er ertappte sich dabei, wie er vor lauter aufkommender Verzweiflung eine Träne verdrückte. Schnell wischte er sie weg, atmete tief ein und aus.

Um sich zu beruhigen maß er mit dem Ohrthermometer zum bestimmt zehnten Mal die Temperatur, welche sich bei 39,5 Grad eingependelt hatte. Was laut seinem Hausarzt aber in Ordnung wäre.

Er hörte Schritte. Natalie schlurfte wieder zu ihm in die Wohnstube. Es war bereits mitten in der Nacht, doch keiner von ihnen konnte wirklich schlafen. "Ich mach' uns nen Kaffee." Ja, das war eine gute Idee.

Nach wenigen Minuten kam sie mit zwei dampfenden Tassen zurück, reichte ihm eine und setzte sich neben ihn. "Du kannst seine Hand nicht loslassen, ne?" murmelte sie leise und Hannes sah zu ihr, bemerkte ihr zaghaftes Lächeln.

Er schüttelte den Kopf. "Nein. Kann ich nicht." Sie hatte ja recht. Er suchte und wollte den direkten Kontakt, ihm zeigen, dass er nicht allein war. Vielleicht half es ihm ja, stärkte ihn. Wie auch im Krankenhaus strich er mit dem Daumen Kreise über seinen Handrücken.

"Also die Männer, die ich kenne, die einem anderen Mann die Hand halten, sind alle zusammen." Sie versuchte, so leise wie möglich zu sprechen, wollte Mark nicht aufwecken.

Fing sie wieder damit an. War es wirklich so ungewöhnlich, dass er Mark's Hand halten wollte? Womit sollte er ihm denn sonst seine Nähe zeigen? "Was willst du eigentlich hören? Dass ich schon mal was mit einem anderen Mann hatte?" Sie lächelte immer noch. "Da muss ich dich leider enttäuschen, obwohl ich alles andere als homophob bin."

Er stellte seine Tasse auf dem Couchtisch ab, sah wieder zu Mark, strich ihm sachte über die heiße Stirn. Sollte das Fieber steigen müsste er den Notarzt rufen.

"Ich sprech' doch nicht von einem anderen Mann. Du müsstest dich mal sehen..." Sie lachte leicht. "Dann würdest du wissen, was ich meine."

Hannes wandte sich ihr wieder zu, wollte gerade etwas dazu erwidern, doch augenblicklich wurde sie ernst. "Ich bin froh, dass du dich so kümmerst. Ich wüsste nicht, was ich sonst tun würde...tut mir leid wegen vorhin. Aber ich hab halt Angst um ihn." In ihren Augen bildeten sich Tränen.

Es tat Hannes weh, weil er wusste, dass Nati nur an ihren Bruder dachte, also drehte er sich ganz zu ihr und nahm sie einfach in den Arm. "Mir tut es leid, dass ich Mark's Manager nicht unterbrochen habe. Du hattest doch recht. Jetzt ist noch nicht die Zeit dazu."

Als sie sich lösten, griffen beide wieder nach ihrem Kaffee und tranken schweigend weiter. Hannes war froh, dass zwischen Natalie und ihm wieder alles in Ordnung war. Er sah in das fiebrige Gesicht von Mark, der so entkräftet wirkte, hoffte inständig, dass es nichts Schlimmeres war.

So saßen sie noch die ganze Nacht dort. Nitti war zwischenzeitlich ebenfalls zu ihnen gestoßen, auch er hatte keine Ruhe gefunden.

Als es anfing zu Dämmern begann Nitti damit, Frühstück vorzubereiten. Natalie hatte ihre Beine angezogen und lag über Mark's Füße an der Rücklehne, konnte ihre Augen kaum noch offenhalten. Doch wegzugehen vermochte sie nicht.

Genauso wenig wie Hannes, der nicht von Mark's Seite wich, es nicht konnte und dem sein Zustand immer mehr zusetzte. Er machte sich Vorwürfe, dass der Ausflug vielleicht doch zu anstrengend für ihn gewesen war und warum er dieses Gespräch danach nicht abgebrochen hatte.

"Kommt rüber, was frühstücken. Und versucht mal, den Mark zu wecken. Er muss auch mal was essen." Da hatte Nitti recht. Seit einem halben Brötchen vom Vortag hatte Mark nichts mehr gegessen und davor auch nicht sonderlich viel. So würde er kaum zu Kräften kommen.

Tatsächlich öffnete Mark die Augen, als Hannes an ihm rüttelte. "Hey, Schlafhaube." Er lächelte ihn an, was auch mit einem schwachen Lächeln erwidert wurde. "Es gibt Frühstück." Mark nickte, runzelte jedoch die Stirn. "Hilfst du mir zuerst auf die Toilette?"

Hannes war etwas erleichtert. Dass Mark nun so wach wirkte, musste doch ein gutes Zeichen sein, obwohl er immer noch so arg warm war.

Er versuchte ihm aufzuhelfen, doch da Mark ziemlich klapprig war, musste Nitti mithelfen. Aber schließlich waren sie zurück und betteten ihn so, dass er aufrecht sitzen konnte, brachten ihm danach Kaffee und Brötchen.

Natürlich wollte er das Essen wieder nicht anrühren, was Hannes deprimiert registrierte, während sie drei an ihrem Frühstück saßen.

"Mark, essen. Oder sollen wir dir helfen?" Nitti hatte es ebenso bemerkt, setzte schon an, aufzustehen.

Dieser sah gequält zu ihnen. "Ich hab einfach keinen Appetit, sorry." Dennoch nahm er nun einen Bissen von dem Brötchen und kaute daran herum.

Natalie hatte etwas an ihrem Handy herumgetippt, sah dann zu ihnen und meinte leise: "Lena kommt nachher vorbei. Hab ihr geschrieben, dass sie sich keine Sorgen machen soll. Sie möchte mit Mark sprechen." Dann nahm sie wieder einen Schluck von ihrem Kaffee und schüttelte den Kopf. "Der hilft mir auch nicht mehr viel."

"Leg' dich doch etwas schlafen, Mark ist ja jetzt wach...", doch Hannes stoppte mitten im Satz, als er zu seinem Freund sah, der etwas runtergerutscht und augenscheinlich wieder eingeschlafen war, das Brötchen immer noch in der Hand. Hannes musste bei dem Bild unwillkürlich schmunzeln, wie niedlich er dabei aussah.

Hoffentlich ging das Fieber bald wieder runter.






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