Kapitel 20: Gefangenenausbruch

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Kirishimas PoV

Seit zwei Tagen war ich hier und langsam nahm mein Plan Form an. Es fiel mir nicht schwer mit den Wachen zu reden, und sie waren überaus gesprächsbereit, sobald sie feststellten, dass ich keinesfalls ein irrer Verrückter war. Außerdem schienen sie zu glauben, dass ich sowieso nicht viel mit den Informationen anfangen konnte. Die dachten, dass es mir unmöglich war aus dieser Zelle zu fliehen, bevor ich meine Strafe abgesessen hatte. Denn natürlich war es noch nie einem Drachen gelungen aus dem Kerker auszubrechen.

Aber sie hatten einen Fehler gemacht. Ich wusste nicht, wie weit die Geschichte, die ich dem Wachmann am Eingang des Palastes erzählte, die Runde gemacht hatte. Aber zumindest Tenya wusste es und so pflichtbewusst wie er war, hatte er sie sicherlich zu Protokoll gegeben. Ich hatte ihnen gesagt, dass ich ein Halbmensch war. Und sie hatten den Fehler gemacht mir nicht zu glauben.

Dank der gesprächigen Wachen (das ist wohl der Grund, warum sie einen so niederen Rang hatten und nur die Gefangenen betreuten), wusste ich grob wie der Palast aufgebaut war. Und vor allem wusste ich, wo sich die Mitglieder des Herrscherclans normalerweise aufhielten.

Wem genau ich zuerst begegnen würde, konnte ich schwer vorhersehen. Aber ich erfuhr, dass das offizielle Oberhaupt des Clans ein betagter Drache namens Kuruni Kirishima war. Sein Nachfolger würde aller Wahrscheinlichkeit nach sein Neffe Mashimo sein. Sie waren es also, die ich überzeugen musste. Ihr Familienzweig wohnte im Zentrum des Palastes, dort wo sich auch der Thron- und Versammlungsaal befanden. Die Familie kam dort immer zusammen, wenn es wichtige Dinge zu besprechen gab. Zum Beispiel wenn ein Gefangener aus seiner Zelle floh.

In meinen Gedanken versunken, bemerkte ich Tenya zunächst nicht, der sich meiner Zelle genähert hatte. Ich schaute erst auf, als ich das scharfe Scharren des Riegels hörte, als er das Tor aufsperrte. Der dunkelblaue Drache musterte mich aufmerksam, als er das Tor öffnete und zu mir die Zelle trat.

Verwundert schaute ich auf. Wieso kam er herein? Doch dann sah ich, dass er etwas im Maul hielt. Überrascht kniff ich die Augen zusammen, als ich Verbände und verschiedene Kräuter bemerkte.

Es tut mir leid, dass ich nicht früher kommen konnte. Aber ich habe es nicht früher bewilligt bekommen. Als er meinen stirnrunzelnden Blick bemerkte, sprach er weiter. Es geht um deine Verletzung. Ich möchte sie mir genauer ansehen und sichergehen, dass sie sich nicht entzündet hat.

Ich erstarrte. Von seinem Standpunkt aus konnte Tenya meine rechte Schulter, die verletzte Schulter, nicht sehen. Oder vielmehr die Schulter, die verletzt war. Denn natürlich war ich wie immer schnell geheilt und nicht mehr als zwei dünne Linien, die eher wie kleine Kratzer wirkten, waren auf meinen roten Schuppen übriggeblieben. Sobald er mich umrundet hatte, um meine Schulter zu untersuchen, würde er bemerken, dass etwas nicht stimmte.

Aber natürlich hatte ich ihm erzählt, dass ich ein Kirishima war. Und hier war der Beweis. Langsam drehte ich ihm meine Schulter zu, neugierig, wie er darauf reagieren würde.

Einen Moment lang schien er nicht begreifen was er sah, doch dann weiteten sich seine Augen. Du hast die Fähigkeit der Selbstheilung!, flüsterte er ungläubig und näherte sich mir vorsichtig, um einen besseren Blick auf meine Schulter zu haben. Dann wandte er den Kopf und starrte mir in die Augen. Du bist ein Kirishima., stellte er leise und offensichtlich ungläubig fest.

Ich habe es dir gesagt., erwiderte ich ernst.

Okay. Aber wie bekommen wir dich hier raus? Ich bin der einzige Augenzeuge, der gesehen hat wie du diese Verletzung erhalten hast, denn ich bezweifle das der Wächter zugeben wird, dass er sie dir zugefügt hat. Aber ich lass mir etwas einfallen. Leider könnte es ein wenig dauern., sagte und lief unruhig in der Zelle auf und ab.

Danke., sagte ich schlicht. Bitte tu das. Das wird dann mein Plan B.

Überrascht hielt er inne. Plan B? Was ist denn Plan A?

Ich zwinkerte ihm zu und er sah mich beunruhigt an. Als ich jedoch nicht ansetzte irgendetwas zu erklären schüttelte er nur langsam den Kopf. Mach nichts Unbedachtes. Wenn du ein wenig wartest, kann ich dich auch so rausholen., warnte er mich.

Ich kann nicht so lange warten., erwiderte ich leise.

Er runzelte die Stirn. Warum nicht?

Ich zögerte ein wenig mit meiner Antwort. In meinen Ohren klang es dumm und egoistisch, wenn ich bedachte wie viel von dieser Mission abhing. Aber nichts desto trotz war es wahr. Ich möchte zurück zu meinem Gefährten. Mir fällt es schwer so lange von ihm getrennt zu sein.

Tenyas sonst so distanzierter Blick wurde ein wenig wärmer. Es steht mir nicht zu, dir zu sagen was du tun solltest. Aber falls es nicht funktioniert, halte ich dir den Rücken frei., sagte er ernst. Es rührte mich unheimlich, dass er sich so für mich einsetzte, obwohl er mich kaum kannte. Der dunkelblaue Drache schenkte mir einen letzten Blick, dann ging er samt dem Verbandmaterial aus der Zelle und schloss sie hinter sich, bevor er sie zögernd wieder verriegelte.

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Ich atmete tief durch. Meiner Einschätzung nach war es der richtige Zeitpunkt, um meine Flucht aus der Zelle zu starten. Die Wachen würden bald wiederkommen. Da es zu meinem Plan gehörte, dass sie meine Abwesenheit bemerkten, hatte ich bis kurz vor ihrem abendlichen Rundgang gewartet. Mein Herz klopfte laut, als ich mich in meine menschliche Gestalt zurückverwandelte. Dann ging ich leise auf das Tor zu und lauschte noch einmal kurz, eher ich mich seitlich durch die Gitterstäbe zwängte.

Sobald ich hindurchgeschlüpft war, verwandelte ich mich in meine zweite Halbdrachengestalt. So schutzlos wie als Mensch wollte ich dann doch nicht durch den Drachenpalast wandern. Auf Zehenspitzen ging ich unbemerkt den Gang entlang der Zellen hinunter. Dann spürte ich, wie mich ein Augenpaar aus einer der Zellen anstarrte. Ich zwinkerte dem anthrazitfarbenen Drachen zu, der mich ehrfurchtsvoll durch die Gitter ansah. Dann straffte ich die Schultern. Jetzt kam alles darauf an, bis zum Thronsaal zu kommen!

Erstaunlich lange schritt ich die Flure entlang, ohne dass mich jemand bemerkte. Doch dann hörte ich das erste Brüllen. Obwohl ich darauf gewartet hatte, zuckte ich zusammen. Es wurde von den Wachstationen erwidert, bis im letzten Winkel des Palastes die Botschaft ankam: Achtung, ein Gefangener ist geflohen!

Dann hörte ich die ersten schweren Schritte und das Kratzen von harten Klauen, die über den Steinboden scharrten. Mein erster Instinkt war es zu rennen, doch mit meinen vergleichsweise kurzen Beinen wäre ich nicht schnell genug. Bevor mich die Wachen erreichen konnten, schlug ich mit den Flügeln und flog bis unter die Decke. Meine Klauen gruben sich in den Felsen und ich bemerkte erleichtert, dass ich Halt fand. Es mag ein wenig albern aussehen, fast wie eine Fledermaus, die von der Decke hing, aber es war effektiv. Die Wachen bogen um die Ecke und marschierten unter mir hindurch.

Ich grinste. Sie suchten nach einem Drachen und nicht nach einem so kleinen Wesen, wie einem Menschen. Sie dachten nicht einmal daran, den Blick nach oben zu richten.

Und so war meine Flucht leichter, als ich sie mir vorstellen konnte. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass sie davon ausgingen, dass ich aus dem Palast fliehen wollte und nicht mitten hinein. Ich begegnete immer weniger Wachen. Die größte Gefahr entdeckt zu werden, war als ich die Etagen wechseln musste. Natürlich besaßen Drachen keine Treppen. Wozu auch? Sie flogen einfach bis zur nächsten Etage. Die Chance jemanden dabei zu begegnen war hoch. Aber das Glück war mir hold.

Dennoch war der Weg, den ich zum Teil zu Fuß, zum Teil fliegend und zum Teil abwartend an der Decke zurücklegte, lang und ich brauchte meine Zeit. Ich war sicherlich eine halbe Stunde unterwegs, als ich um die letzte Ecke bog und auf das große schmiedeeiserne Tor blickte. Es war kunstvoll verziert und ich wusste genau, was dahinter lag: Der Thronsaal.

Doch gerade, als ich ansetzte darauf zuzugehen hörte ich ein Brüllen in dem Gang hinter mir. Ich sah zwei Wächter auf mich zu rennen und mir blieb nur noch die Flucht nach vorne. Im Laufen verwandelte ich mich in einen Drachen. Die eiserne Tür würde ich nicht in meiner menschlichen Gestalt öffnen können. Mit aller Macht stemmte ich mich mit der Schulter dagegen. Die Torflügel flogen auf und schlugen mit einem lauten Dröhnen an die Wand dahinter.

Schwer atmend stand ich in der Tür und verwandelte mich zurück in meine Halbdrachengestalt. Direkt unter den Augen der Mitglieder des Herrscherclans, die mich überrascht anstarrten.

DRACHENBRUT II (Kirishima x Bakugou)Where stories live. Discover now