Kapitel 2: Die Angst des Halbdrachen

1K 87 14
                                    

Bakugous PoV

Die Sitzung hatte sich relativ schnell aufgelöst, nachdem Red sein Machtwort gesprochen hatte. Der Halbdrache hatte bisher lächelnd all die Aufgaben erfüllt, die der Orden ihm stellte. Es schien fast so, als hätten sie vergessen, dass er das aus Gefälligkeit tat und nicht, weil sie tatsächlich Macht über ihn hatten. Sie waren förmlich zusammengeschrumpft, als sie ihn in seiner Halbdrachengestalt gesehen hatten. Selbst mir hatte sein Zorn eine Gänsehaut verpasst, und das sollte schon was heißen.

Auch den Rest der Sitzung hatte Red sich nicht zurückverwandelt und damit eindeutig demonstriert, dass er sich nicht alles gefallen ließ. Sein Gesicht blieb finster, während die Details für die Mission besprochen wurden und er nickte nur hin und wieder knapp, wenn er jemandem zustimmte. Bei mir hingegen hatte sich in der restlichen Zeit ein Grinsen auf dem Gesicht breitgemacht. Meiner Meinung nach hatte der Rat nur das bekommen, was er verdient hatte. Und so erwiderte ich Mister Dracoons stirnrunzelnde Blicke nur mit einem überlegenen Lächeln.

Wir würden erst morgen früh aufbrechen. Es war keine Eile geboten, da der Angriff schon vorüber war und niemand wusste, ob und wann der nächste stattfand. Wir sollten uns lediglich ein Bild von der Lage machen, am besten Leute befragen und uns langsam an das heikle Thema herantasten. Ich war froh, dass aus dem Orden lediglich Taran und Telana mitkamen. Es war nicht so, dass ich mich groß für die Meinung der anderen interessierte, aber aus dem Orden würde ich die beiden am ehesten als Verbündete akzeptieren.

Als die Sitzung beendet wurde hatte Red direkt demonstrativ nach meiner Hand gegriffen und mich, bevor die anderen überhaupt aufstehen konnten, aus dem Saal gezogen.

Schweigend verließen wir das Dorf des Ordens und begaben uns auf den kleinen Trampelpfad den Berg hinauf. Ich beobachte Red von der Seite. Eine tiefe Falte hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet und er blickte finster drein. Noch immer war er nicht in seine menschliche Gestalt zurückgekehrt und ich spürte geradezu wie seine Gedanken rasten. Ich drückte seine Hand kurz und fest um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Er blickte überrascht auf, als hätte er sich plötzlich daran erinnert, dass ich auch noch da war. Sein Blick wurde ein wenig weicher, als seine Augen die meinen fanden, aber die Falte zwischen seinen Augenbrauen blieb.

Nun runzelte auch ich die Stirn. Ja, das Verhalten des Rates hatte auch mich in Rage gebracht, aber letztendlich interessierte mich deren Meinung sowieso nicht besonders. Was beschäftigte ihn so sehr?

„Spuk es aus, Red. Was ist los?"

Der Halbdrache seufzte und haderte ein wenig damit die richtigen Worte zu finden. „Es war unmöglich wie sich Mister Dracoon dir gegenüber verhalten hat. Selbst wenn du dem Orden nicht angehörst ... wie können sie deinen Wert nur nicht anerkennen? Du bist ein zehnmal besserer Schwertkämpfer als Mister Harlek.", knurrte er.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin ein Drachentöter und sie haben sich zur Aufgabe gemacht die Halbdrachen zu schützen. Für sie bin ich vom feindlichen Lager.", sagte ich unbekümmert.

Red knurrte. „Du warst ein Drachentöter. Sehen sie denn nicht, wie sehr ich dich brauche?"

Ein kleines Lächeln umspielte meine Lippen, bei seinen letzten Worten. „Ich glaube, dass hast du heute allen klar gemacht."

Red schwieg nur und senkte den Kopf, schon wieder tief in Gedanken versunken. Eine Weile ließ ich ihn vor sich hingrübeln, doch kurz bevor wir unser Haus erreichten verlor ich die Geduld. Ich blieb stehen und zwang ihn so ebenfalls anzuhalten.

„Da ist doch noch mehr, Red. Was beschäftigt dich wirklich?", fragte ich sanft und suchte seinen Blick.

Seine Augen wanderten unstet über die Umgebung hinter mir, ehe er unsicher meinen Blick erwiderte. „Ich ... habe Angst, dass du wegen des Rates irgendwann nicht mehr hierbleiben möchtest. Du hilfst mir wirklich ungemein, aber seien wir ehrlich: Du bist niemand, der auf Dauer untätig danebensitzen kann. Was ist, wenn ich mich zwischen dir und dem Frieden entscheiden müsste? Ich glaube nicht, dass ich selbstlos genug für diese Entscheidung wäre." murmelte er und ich sah Tränen in seinen Augen schimmern.

Ein kleines Lachen entfuhr mir, als ich seine Hand losließ, nur um sein Gesicht mit beiden Händen zu umfassen. Eine Träne war im Begriff seine Wange hinunter zu laufen, doch ich wischte sie vorsichtig mit dem Daumen weg.

„Red.", sagte ich ernst. „Ich liebe diesen Ort. Ich liebe unser Haus. Aber vor allem liebe ich dich. Ich scheiß auf die Meinung von diesem Rat oder von Mister Dracoon. Tch. Als ob ich mich von denen unterkriegen lasse. Nein, mir ist es egal was sie sagen. Ich werde bei deiner Mission auch nicht untätig bleiben und schon meine Aufgabe finden. Ich bleibe an deiner Seite."

Red schnaubte und lachte ein wenig, schien aber noch immer unsicher.

„Warum muss ich dir immer wieder sagen, dass ich dich nicht verlassen werde?", fragte ich stirnrunzelnd. „Was verunsichert dich so?"

„Ich kann es nicht genau sagen.", flüsterte er und sah zu Boden. „Aber als wir uns kennengelernt haben war ich ein anderer Mensch. Ja, ich habe mich wie ein Mensch gefühlt. Zum Zeitpunkt unserer ersten Begegnung hatte ich mich noch nicht ein einziges Mal verwandelt. Ich habe zum Selbstschutz meine Drachenseite immer ein wenig zurückgestellt. Aber ich bin nun mal ein Halbdrache und es fühlt sich so gut an, es offen zeigen zu können." Er stockte kurz und schluckte schwer, ehe er fortfuhr. „Ich entwickle mich immer mehr zu dem, was du früher gejagt und aus tiefstem Herzen gehasst hast."

Ungläubig starrte ich ihn an. „Ist das dein verdammter Ernst?"? fragte ich schließlich, vielleicht ein wenig zu scharf. Red sah weg und kaute auf seiner Unterlippe herum. Offensichtlich hatte es ihn viel Mut gekostet das auszusprechen.

Ich schüttelte nur mit einem kleinen humorlosen Lachen den Kopf. „Sieh mich an.", knurrte ich schließlich. Der Halbdrache zwang sich dazu mir in die Augen zu sehen. „Du. Bist. Wunderschön. Egal als Mensch oder als Drache. Und ganz besonders als Halbdrache. Ich habe meine Vergangenheit als Drachentöter hinter mir gelassen. Es wird Zeit, dass du das auch tust."

Er nickte zögernd. „Dann gibt es nur noch eine Sache, die ich dir sagen muss."

Ich seufzte. „Na dann los."

„Du weißt ja, dass Halbdrachen sowohl Eigenschaften von den Menschen als auch von den Drachen besitzen, richtig? Nun ... Drachen haben eine extrem lange Lebenspanne.", sagte er leise.

Meine Augen wurden groß, als mir klar wurde, was er mir sagen wollte. Ich schluckte schwer. Die Vorstellung alt zu werden, während Red jugendlich jung blieb war ... beängstigend. Ich nickte bedächtig.

„Es ist nicht sicher.", sagte Red schnell, der die Unsicherheit in meinen Augen gesehen haben musste. „Laut Taran hat der Orden die Halbdrachen nicht vollkommen erforscht. Fest steht nur, dass verschiedene Halbdrachen verschiedene Eigenschaften geerbt haben und dass es Halbdrachen gibt, die eine extrem lange Lebenspanne haben." Wieder wich er meinem Blick aus. „Ich finde das solltest du wissen, ehe du mir noch einmal versprichst bei mir zu bleiben. Das ist eine ziemlich harte Nummer."

Eine kurze Pause entstand, in der ich versuchte die richtigen Worte zu finden. „Das hat dich alles ganz schön belastet, hm?", fragte ich sanft. Red nickte und sah mir vorsichtig in die Augen. Ich lächelte. „Ich verspreche es dir, Red. Ich werde bei dir bleiben.", sagte ich ernst.

Und nun umspielte endlich das altbekannte Lächeln die Lippen des Halbdrachen. Ich vergrub eine Hand in seinen Haaren und zog ihn zu mir, um meine Lippen auf seine zu legen. Er erwiderte den Kuss innig, bewegte seine Lippen vorsichtig gegen meine und verdeutlichte mit jeder der sanften Bewegungen seine Liebe.

DRACHENBRUT II (Kirishima x Bakugou)Where stories live. Discover now