Prolog: Wie es weitergeht

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Kirishimas PoV

Es war noch immer recht früh am Morgen, als Katsuki und ich gemeinsam den schmalen Pfad zu Miss Farneys Häuschen hinunterliefen. Die Sonne stand tief über den Bergen und trocknete den Morgentau. Ich hielt die Hand meines Gefährten fest umschlossen und wappnete mich vor dem was kam.

Die Nachricht, dass es einen Drachenangriff gegeben hatte, hatte den Orden erst erreicht, als es bereits geschehen war. Es hatte mich erschüttert, denn insgeheim hatte ich gehofft, dass eine solche Situation niemals eintreten würde. Dennoch spürte ich den Tatendrang in meinen Adern. Denn auf genau das, einen Drachenangriff, hatte mich der Orden die letzten Jahre vorbereitet. Vorbereitet, auf meine Rolle als Vermittler zwischen den beiden Völkern.

„Alles gut bei dir?", brummte Katsuki, der mich zu gut kannte, als dass ihm meine Nervosität entgehen könnte.

Ich nickte und lächelte ihn beruhigend an. „Meinst du, sie schicken mich direkt an den Ort des Geschehens?", fragte ich zögernd.

Als Antwort erhielt zunächst nur ein bissbilligendes Knurren. Er unterstützte mich zwar tatkräftig mit allem was er zu tun vermochte, sah den Orden selbst aber sehr kritisch. Ständig lag er sich mit Miss Farney oder einem anderen der Ordensmitglieder in den Haaren.

„Ich weiß nicht.", brummte er schließlich. „Aber wenn ja, komme ich mit."

Ich grinste ihn an und drückte seine Hand kurz und fest. Egal wie sehr mir der Orden zusprach, egal wie viel selbstbewusster ich meine Identität als Halbdrache die letzten Jahre angenommen hatte: Katsuki war doch der einzige der mir wirklich Halt gab und der einzige, dem ich wirklich vertraute.

Das kleine Holzhäuschen von Miss Farney kam in Sicht und ich sah aus dem Augenwinkel wie Katsuki grimmig die Zähne zusammenbiss. Ich unterdrückte ein Seufzen. Manchmal kam es mir so vor, als stünde ich zwischen den Fronten.

Ich hob die Faust, um an die etwas morsch anmutende Tür zu klopfen. Doch bevor meine Knöchel das Holz berühren konnten, wurde die Tür von innen aufgerissen. Miss Farney stand darin, lose graue Strähnen hingen aus ihrem sonst so strengen Dutt und ihre Brille saß reichlich schief auf der Nase.

„Was hat denn so lange gedauert? Es ist doch sicherlich schon zwei Stunden her, als ich dich gebeten habe dich fertig zu machen und herunter zu kommen.", fragte sie streng und musterte mich.

Wut blitzte in Katsukis Augen auf. „Sie haben ihm überhaupt nichts zu sagen! Seien Sie einfach froh, dass Red da ist, Sie alte verb-"

Ich stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Seite, um ihn abzuwürgen und einen weiteren Streit der beiden zu verhindern. Stattdessen lächelte ich die ältere Frau an, deren hellblaue Augen meinen Gefährten scharf und abschätzig musterten. „Entschuldigung. Aber jetzt sind wir ja da. Wie können wir denn jetzt weiterhelfen?", fragte ich betont freundlich, um die Situation zu entschärfen.

Ihre Augen wanderten zu mir und ihr Blick wurde weicher, als sie mein Lächeln erwiderte. „Wir sollten hinunter zum Dorf gehen. Der Rat muss darüber entscheiden, was tun ist. Aber mit Sicherheit möchten sie, dass du zum Ort des Geschehens reist."

Ich nickte nur, ehe wir zu dritt weiter den Berg hinabstiegen. Katsuki hatte kein Ton von sich gegeben, seitdem ich ihn in seiner Schimpftirade unterbrochen hatte. Dennoch konnte ich geradezu spüren, wie es in ihm brodelte. Ich konnte es ihm jedoch nicht verdenken, denn mir war es auch aufgefallen. Mit jedem Wort, das Miss Farney über die kommende Mission gesprochen hatte, hatte sie explizit mich angesprochen. Nicht uns. Nur mich. Und das gefiel ihm überhaupt nicht.

Das Dorf, in dem die meisten Ordensmitglieder wohnten, lag deutlich tiefer, als das Häuschen von Miss Farney. Warum sie nicht wie alle anderen in der kleinen Siedlung wohnte, war so eine Sache für sich. Sie selbst behauptete, dass sie nach oben gezogen wäre, da es ihr dort unten zu dunkel und eng war. Aber ich hatte da meine eigene Theorie. Zwar bekleidete Miss Farney im Orden einen wichtigen Posten und wurde hoch angesehen, doch bemerkte ich, dass sie mit den Leuten, vielleicht auch mit Menschen allgemein, nicht sonderlich gut zurechtkam. Sie war zu streng, zu fokussiert und verfolgte ihre Aufgabe mit fast religiöser Intensität. Von ihr hatte ich alles über die Geschichte des Krieges gelernt und ihre Empörung, wenn ich dabei irgendetwas vergessen oder durcheinandergebracht habe, bereitete mir beinahe Gänsehaut. Dennoch musste man ihr zugutehalten, dass sie ein gutes rechtschaffenes Herz besaß.

Als ich damals vollkommen erschöpft das kleine Hochplateau in der Nähe angesteuert hatte, war mir die kleine Siedlung nicht aufgefallen, die sich am Fuße des Berges befand. Das hatte einen ganz einfachen Grund: Das Dorf lag unter einem Feldüberhang. Der Felsen war dort ein wenig eingerückt, fast so als wäre er dort in der Vergangenheit von einem nun nicht mehr existierenden Fluss ausgespült worden. Die vielen einzelnen Hütten waren zeilenartig entlang des Felsens angeordnet und bildeten fast so etwas wie eine Promenade. Außerdem war der Felsen selbst von einem Höhlensystem durchzogen. Dort befanden sich riesige Versammlungs- und Schutzräume, die noch aus der Zeit stammten, als der Krieg frisch war und die Drachen regelmäßig eingefallen waren. Allein die Dimensionen dieser Räume zeigte, wie viele Menschen hier einst gelebt hatten. Doch heutzutage war der Orden klein und das Dorf bestand aus höchstens fünfzig Leuten.

Auch wenn es nicht allzu viele Leute waren, war die Versorgungssituation stets schwierig. Hätten sie nicht einige wenige Unterstützter von Außerhalb gehabt, wäre es dem Orden unmöglich auf diese Weise zu existieren. Da die Ordensmitglieder mir gegenüber einen beinahe ehrfurchtsvollen Umgang pflegten, waren sie stets bereit mich mit allem zu versorgen. Doch schon schnell bekam ich deswegen ein schlechtes Gewissen und begann aktiv beim Transport der Güter in die Berge zu helfen. Für mich war es nur ein monatlicher Tagesflug, für die Bewohner hingegen tagelange Plackerei. So konnte ich mich zumindest ein wenig revanchieren und die Ware, die hauptsächlich aus Getreide, Obst, Gemüse und Seife bestand, guten Gewissens annehmen. Nur das Fleisch lehnte ich stets ab, denn jagen tat ich lieber selbst und dieses frische Fleisch war mir sowieso lieber.

Wir erreichten das Dorf und unmittelbar nachdem mich die ersten Leute erkannt hatten, nickten sie mir freundlich zu oder grüßten mich mit einem fröhlichen „Guten Morgen, Kirishima". Das freute mich zwar, aber da sie weder Katsuki noch Miss Farney grüßten, hatte es bei mir jedes Mal einen bitteren Beigeschmack. Es war nicht nur die kaum zu übersehende Verehrung mir gegenüber, die ich ihnen auch nach all den Jahren nicht austreiben konnte. Nein, vielmehr hatte ich das Gefühl sie würden mir damit eine Bürde auferlegen. Dass sie eine Erwartungshaltung mir gegenüber hatten, der ich nicht gerecht werden konnte.

Ich ignorierte das beklemmende Gefühl und drückte Katsukis Hand noch ein wenig fester. Gemeinsam mit Miss Farney erreichten wir den Eingang zu dem Höhlensystem. Wie ich bereits wusste, lag direkt zu unserer linken der Versammlungssaal. Genau dorthin führte uns die ältere Frau. Ich atmete tief durch, ehe ich die Hand an den eisernen Türgriff legte. Jetzt würden sie entscheiden, wie es weitergehen würde. Jetzt würden sie entscheiden, was ich zu tun hatte.

DRACHENBRUT II (Kirishima x Bakugou)Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora