Fakt 107: Valentinstag

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Seit Wochen liege ich nun nachts immer mal wieder wach. Habe Angst. Panikattacken. Ich kann kaum erklären, wie es dazu kam, aber angefangen hatte es damit, dass mich Horrorgeschichten schon immer fazinierten. Ich war schon immer Fan dieser dunklen Seite der Kunst und weiß noch ganz genau, wie ich meine erste Folge Akte-X schaute. Ich war noch sehr jung und meine Eltern kannten bisher nur ein paar Folgen, in denen es sich um eine außerirdische Verschwörung drehte. Es ging um eine Art Parasit, der die Menschen, die er besetzte, komplett übernahm. Manchmal sah man in der Folge, wie eine Person vielsagend mit blau angelaufener Haut und leeren, adrigen Pupillen zu einem der Charaktere schaute, oder an einer Tür vorbei lief. Die anderen Menschen in deren Umgebung schienen das aber nicht zu bemerken.

Auf jeden Fall nervte ich im Nachhinein tagelang meine Mutter, da ich nicht einschlafen konnte. Ich hörte immer wieder ein Pochen bzw. Klopfen und Kratzen in meinem Kissen. Immer wieder musste sie kommen und "Probe-liegen", um zu hören, ob da wirklich etwas war. Natürlich war es das nie. Bis ich wieder ruhig einschlafen konnte, dauerte es eine ganze Weile, aber dieses Klopfen und Kratzen war für mich stets zu hören. Ich weiß nicht, ob es irgendwann verschwunden ist, oder ob ich mich nur daran gewöhnte, wie man sich auch an anderen "Lärm" wie Züge oder Flugzeuge gewöhnen kann. Jedoch hörte ich es jedes Mal wieder, wenn ich mal wieder etwas länger zum Einschlafen brauchte und mich zufällig daran erinnerte. Aber wie ihr euch vorstellen könnt, hatte ich natürlich erst einmal eine Zeit lang Akte-X-Verbot, da ich wohl doch noch zu jung gewesen sei. Dass diese verbotene Frucht, trotz meiner Ängste, das Genre für mich nur noch interessanter machte, merkte sie leider nicht.

Weiter ging es einige Monate danach. Ich war bei meinem Cousin zu Besuch, übernachtete auch bei ihm. Er war ein paar Jahre älter als ich und hatte von einem Freund einen Horrorfilm bekommen und fragte, ob wir ihn sehen wollten. Ich dachte mir natürlich nichts dabei, aber die Aufregung, dieses angenehme Kribbeln im Bauch war wieder da, auch wenn ich jetzt schon wieder Angst vor den folgenden Nächten hatte. Ich weiß nicht mehr wie der Film hieß, oder von was er handelte, aber ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, was für eine Qual es danach war, auf's Klo zu gehen. Um mich zu ärgern, schaltete mein Cousin, gerade als ich fertig war und die Tür hinter mir schloss, das Licht im Flur aus, kicherte und verschwand in seinem Zimmer. Nun stand ich da. Mitten im Dunkeln. Alles still um mich herum - Oder war da ein Rascheln? - Orientierung hatte ich auch keine, da ich seltener bei ihm als er bei mir zu Besuch war. Also tastete ich mich zitternd an der Wand entlang, in der Hoffnung einen Lichtschalter zu finden. Die Augen zusammengepresst, um die tanzenden Schatten der Dunkelheit um mich herum nicht sehen zu müssen. "Da ist nichts. Da gibt es nichts! Da ist NICHTS!", redete ich mir immer weiter ein, um mich zu beruhigen.

Natürlich habe ich diesen Abend unbeschadet überstanden, aber bis ich wieder in seinem Zimmer war und er lachend auf dem Boden lag, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit und ich war der festen Überzeugung, dass dort irgendetwas in der Dunkelheit auf mich lauerte. Jedes Lüftchen hatte sich angefühlt wie Atem in meinem Nacken.

Daraufhin konnte ich eine Zeit lang nur mit offener Tür schlafen, um nach meiner Mutter rufen zu können, wenn die Angst zu groß wurde. Immer wieder zwang ich mich in die Dunkelheit meines Zimmers zu blicken, um meine Angst zu bekämpfen. Und immer wieder verlor ich. Viel zu oft sah ich im Dunkeln schemenhafte Gestalten. Das reichte von einer Person in der dunkelsten Ecke meines Zimmers, über einen Schatten, der an einem Standby-Licht eines Gerätes vorbeihuschte, bis hin zu etwas Kleinerem mit spitzem Kopf, das in der Mitte des Raumes stand. Aber nie habe ich direkt etwas gesehen und auch wenn das Licht an ging, weil ich mal wieder nach meiner Mutter rief, blieben nichts als böse Erinnerungen.

So ging das einige Jahre weiter. Aber meine Liebe zum Horror blieb uneingeschränkt erhalten, auch wenn ich immer wieder vor etwas Neuem Angst hatte. Irrationale Ängste sind doch Ur etwas für Kinder, nicht wahr?

Das Monster im Schrank und die Tür des selbigen, bei der ich mir sicher war sie vollends geschlossen zu haben, und dennoch stand sie einen Spalt breit offen, wenn ich kontrollierte, was mich da gleich anfallen möchte.

Das Wesen unter meinem Bett, das nach meinen Knöcheln greift, wenn ich des Nachts mal auf die Toilette musste, sowie ein Gesicht, das mich durch mein Fenster anstarrte. Bei dem ich wusste, daß es sicherlich da war, mich aber nie traute hin zu sehen.

Die Bewegung im Augenwinkel, wenn ich an Spiegeln vorbei lief. Oder einen Schatten, der da nicht sein durfte. Außerhalb des Duschvohangs im Badezimmer, wenn ich duschen. Bereit mich anzuspringen. Und nicht zu vergessen, das Aufblitzen von silbrigen Augen, die mich aus der Ferne bei Nachtwanderungen verfolgten. Viel um stetig, um von Tieren stammen zu können....

Mittlerweile bin ich in einem Alter, in dem ich dachte, das alles hinter mir lassen zu können. Auch wenn ich mir vieles nicht gänzlich erklären konnte, habe ich mich doch damit abgefunden, dass es da nichts gab. Anfangs war ich sogar ein wenig traurig. Zumindest bis ich vor kurzem einen zerknitterten Liebesbrief in Herzform in meinem Spind in der Schule fand.

"Ich weiß, dass du mich nicht kennst, aber mein Herz trägt deinen Namen. Mein Herz gehört nur dir. Mein Herz schlägt nur für dich. Mein Herz wird für dich schlagen bis zum Ende deiner Tage. So lange beobachte ich dich schon. So lange sind wir uns schon nah. Du bist die Liebe meines Lebens. Wenn du mich auch noch nie gesehen hast, bist du derjenige, der bald für immer mein sein wird. Und nur dein Gott allein weiß, warum es Liebe ist. Zum Valentinstag werden wir uns begegnen. Ab da an kann ich weiterziehen, denn dann bist du endlich mein!"

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