Fakt 82: Menschenversuche im Auftrag des Staates

139 8 0
                                    

In der Regel verbindet man die Erprobung von Giften und Krankheitserregern an Lagerinsassen mit dem systematischen Massenmord der Nazis. Josef Mengele (1911 - 1979) ist der bekannteste Vertreter dieser "Mörder im Arztkittel". Doch er war nicht allein.

Menschenversuche in den Konzentrationslagern der Nazis

Claus Schilling (1871 - 1946), ein Tropenmediziner, der in der ehemaligen deutschen Kolonie Togo gearbeitet hatte, wollte einen Impfstoff gegen die Malaria entwickeln. Nach seiner Pensionierung, nutzte er von 1942 bis 1945 die Gefangenen des Konzentrationslagers Dachau für seine Malariaexperimente. Er infizierte 1200 Menschen mit Malaria von denen 300 bis 400 starben. Schilling wurde später von den Alliierten gefangen genommen und 1946 hingerichtet.

Karin Magnussen (1908 - 1997), eine Biologin, forschte am Kaiser Wilhelm Institut für Anthropologie in Berlin Dahlem. Sie wollte herausfinden, weshalb bei ein und demselben Menschen, die Augenfarbe unterschiedlich sein kann. Sie arbeitete mit einer Sinti-Familie mit vielen Zwillingspaaren, bei denen es mehrfach auftritt, dass ein Kind verschiedene Augenfarben hat. 1943 fotografierte sie die Kinder in Berlin, dann kommt die ganze Familie nach Auschwitz. Magnussen schickt Mengele verschiedene Substanzen nach Auschwitz, die er an den Augen der Kinder testen sollte. Sie ging davon aus, dass dich mit Adrenalin die Augenfarben verändern lassen. Mengele wiederum schickte Magnussen mindestens fünf verschieden farbige Augenpaare der getöteten Sinti zur Autopsie.

Menschenversuche des sowjetischen Geheimdienstes

Die Geschichte der Menschenversuche im Auftrag des Staates beginnt jedoch in den 20er Jahren im "Labor 12" des sowjetischen Geheimdienstes. Dort wurden tödliche Gifte an "Volksfeinden" erprobt. Die Existenz des Labors wurde nur durch Zufall Anfang der 90er Jahre bekannt, denn Russland hält die Akten über diese Menschenversuche bis heute geheim. Darum ist das wahre Ausmaß noch immer nicht bekannt.

Menschenversuche des japanischen Militärs im zweiten Weltkrieg

Nach dem zweiten Weltkrieg waren auch Militär und Geheimdienste im Westen angetan von den Ergebnissen dieser Menschenversuche mit Pest, Anthrax und Tularämie, Unterkühlung, Unterdruck und neuartigen Bomben. Bislang konnten die Militärs nur auf Daten aus Tierversuchen zurückgreifen. Nach den Massenmorden während des zweiten Weltkriegs handelten einige der schlimmsten Kriegsverbrecher mit den Siegermächten Straffreiheit gegen Übergabe der Versuchsergebnisse aus. So arbeitete der japanische General Ishii Shiro, der nach Schätzungen für den Tod von 300 000 bis 580 000 Menschen verantwortlich war, nach dem Krieg für die USA. Er hatte 1942 begonnen Infektionsversuche mit den Erregern von Pest, Cholera und Milzbrand an russischen und chinesischen Kriegsgefangenen sowie Zivilisten durchzuführen.

Die Einheit 731 widmete sich offiziell der Seuchenbekämpfung, war aber in Wahrheit der ausführende Arm eines Biowaffenprogramms in der Mandschurei. Diese Einheit führte "im Namen der Wissenschaft" auch physiologische Experimente durch, bei denen lebende Menschen seziert wurden, Abtreibungen durchgeführt und Hirnschläge künstlich erzeugt wurden. Keiner der mindestens 10 000 Verbrecher von Ishii's Todesimperium wurde in den USA bestraft. Einige beendeten ihre wissenschaftliche Karriere als Manager großer japanischer Pharma-und Medizinunternehmen.

Der längste Menschenversuch der Medizin: Die Tuskegee Syphilis Studie

Der längste Menschenversuch der Medizin fand 1932 bis 1972 in den USA statt. An der Tuskegee Study waren 600 afroamerikanische Männer in Macon County, Alabama beteiligt. Die Ärzte des US Health Service versuchte mit der Studie nachzuweisen, dass Syphilis bei Afroamerikanern wegen ihrer unterstellten genetischen Andersartigkeit eine vollkommen andere Krankheit sei als bei Weißen. 399 schwarze Männer, die mit Syphilis infiziert waren und 201 uninfizierte Afroamerikaner, die als Kontrollgruppe dienen sollte, wurden in die Studie aufgenommen.

Den Kranken wie den Gesunden wurden Placebos verabreicht, das heißt sie wurden nicht behandelt, sondern man nahm die Verschlechterung ihres Zustandes in Kauf. Die Kranken wurden in dem Glauben gelassen, sie würden behandelt und eventuell geheilt. Erst ein Bericht des National Institute of Health (NIH) aus dem Jahre 1964 brachte die Wahrheit ans Licht und  auch dann wurde die Studie nicht abgebrochen. Erst die Veröffentlichung eines Berichts über die Menschenversuche im Washington Star vom 25. Juli 1972 beendete die Studie. 28 der infizierten Männer waren inzwischen direkt an der Syphilis und weitere 100 waren auf Grund von Komplikationen, die direkt mit der Syphilis in Verbindung standen, gestorben. 40 Ehefrauen und 19 Kinder waren infiziert worden, weil eine Behandlung unterblieben war. 1997 entschuldigte sich Präsident Clinton zwar im Namen der Regierung für das Verbrechen bei den Überlebenden der Studie und ihren Angehörigen, doch ein Komitee in den USA kämpft bis heute um Wiedergutmachung an den Versuchspersonen und ihren Familien.

Menschenversuche des CIA im kalten Krieg

MKULTRA war ein umfangreiches geheimes Forschungsprogramm der CIA über Möglichkeiten der Bewusstseinkontrolle. Es lief von 1953 bis in die 1970er Jahre im Kontext des kalten Kriegs. Ziel des Projekts war, ein perfektes Wahrheitsserum für die Verwendung im Verhör  von Sowjetspionen zu entwickeln sowie die Möglichkeit der Gedankenkontrolle zu erforschen.

Das Programm umfasste unter anderem tausende von Menschenversuchen, bei denen ahnungslose Testpersonen, oft willkürlich unter Krankenhauspatienten und Gefängnisinsassen ausgewählt, ohne ihr Wissen unter hochpotente halluzinogene Drogen wie LSD und Mescalin gesetzt wurden. Zahlreiche Versuchspersonen trugen bei den Experimenten schwerste körperliche und psychische Schäden davon, teilweise bis hin zum Tod.

Horrorfakten und GruselgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt