Fakt 74: Ophiocordyceps

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Eigentlich, da bin ich mir sicher, kann man bei einer Domina nicht von einem "ersten Tag" auf der Arbeit sprechen. Tatsächlich ist es schließlich so, dass viele den Beruf aus Leidenschaft ausüben, und diese Leidenschaft entsteht nicht von Heute auf Morgen, und dann ist es oft immer noch ein langer Weg, bis man es schafft, eine Escort-Domina zu werden, wie ich es bin.

Nichtsdestotrotz will ich mich der Einfachheit einmal den Bedingungen anpassen  und sagen, dass dies mein erster Tag im Dienste des Escort-Service war. Die Vermittlungszentrale trägt den Namen "Devouring Dom's", zu deutsch etwa "verzehrende Dominas".... nun, man muss den Namen nicht mögen, aber die Bezahlung finde ich mehr als angemessen dafür, dass ich allabendlich über Männer herrschen darf.

Ich blicke mich um. Der Zug in dem ich sitze ist sauber, und der Sitz bequem. Ein Erste-Klasse-Abteil hat seine Vorteile, soviel steht mal fest. Nichdestoweniger bin ich ein wenig nervös. In weniger als einer Viertelstunde werde ich meinen ersten Kunden kennenlernen. Ein Schweißtropfen bildete sich in der kleinen Falte zwischen meinem rechten Auge und den Hasselnussbraunen Haaren. Ich wische ihn weg und rufe mir die Tricks in er, die ich von früher kenne, als ich lediglich mit meinem Freund ein wenig.... gespielt habe: Härter Gesichtsausdruck, jedoch nicht abweisend, so gut wie keine Emotionen. Emotionen sind ein Ausdruck von Schwäche, und genau das wollen unsere Kunden nicht haben. Sie verlangen eine Domina, das bedeutet sie verlangen eine starke Frau, die ihren willen durchsetzen kann. Ich atme tief durch und entspanne mich etwas. Mein Gesicht ist in meiner Gewalt, dann wird der Kunde es auch bald sein.

Trick 2: Leise sprechen, mit einer sanften Stimme. Das mag in gewissem Kontrast zu Trick Eins stehen, aber es stimmt schon, dass man zwar keine Emotionen zeigen darf, aber sie sehr wohl hören lassen sollte. Zwar wollen die Kunden eine starke Frau, aber keine metaphorischen Eisblock.

Ich kontrolliere die Tasche die ich dabei habe. Das Problem bei einem Escort-Service für Dominas ist, dass man keine vorbereiteten Räume hat und nie genau weiß, wonach es dem Kunden verlangt. Darum hat man immer eine Tasche mit den Standartutensilien dabeizuhaben. In meinem Fall wären das zwei Paar Handschellen, ein Seil von gut drei Metern Länge, eine Augenbinde, eine Reitgerte und ein Gummiball, der an einem Seil befestigt ist und als Knebel zu dienen hat, sofern er denn Verwendung findet.

Der Zug hält bald, und ich stehe auf. Der Trenchcoat, den ich über meinem hoffentlich aufreizenden Outfit an meinem schlanken Körper trage, fällt mir bis auf die Knie, so wie meine offenen Haare es an den Schultern tun. Er verdeckt die schwarzen Lederstiefel nicht, aber ablegen werde ich ihn dennoch erst, wenn ich den Kunden vorbereitet habe. Soll er die Stiefel als kleinen Vorgeschmack betrachten, das restliche Outfit wird ihn auf jeden Fall aus den Socken hauen.

Sofern er sich noch bewegen kann.

Bevor ich klingel, sehe ich auf die Uhr. Einundzwanzig Uhr dreizehn, ich bin zwei Minuten zu früh.... Und schüttelte den Kopf, ich bin hier die Herrin, ich bestimme, wann "zu früh" ist. Mit einem Blick auf das Namensschild drücke ich auf die Klingel und zähle die Sekunden. Er braucht genau dreizehn, um zur Tür zu kommen und zu öffnen. Ich bin nicht abergläubisch, aber ein wenig irritierend finde ich das dennoch. Keine Ahnung, wieso.

Der Kunde ist ein wenig kleiner als ich, vielleicht 1,70 Meter groß, hat schwarze lockige Haare und ein Gesicht, das entweder Arroganz oder schlicht Aufmüpfigkeit widerspiegelt. Was es auch ist, er bezahlt gutes Geld dafür, dass ich es ihm austreibe.

"Sind Sie.... Die Frau, die ich.... " Er wirkte nervös, und ich genieße es, ihn einen Augenblick zappeln zu lassen, bevor ich nicke: "Mein Name ist Anja. Darf ich hereinkommen?"

Puh, das war knapp. Eine Bitte um Erlaubnis hätte meine Position geschwächt, so aber konnte ich die Betonung  während des Redens noch umstellen, dass es nach einer rhetorischen Frage klang die verlauten ließ, dass ich so oder so hereingekommen wäre.

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