Kapitel 17 - Die Entscheidung

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Meine Suche aber blieb vergebens, denn Levinny war nicht aufzufinden und niemand schien zu wissen, wo sie sich befand oder wo sie hingegangen sein konnte. Am vierten Tag stand ich wieder vor dem Portal nach Löwenstein, diesmal jedoch nicht, um zum Hain zu gelangen. Levinny wollte nicht von mir gefunden werden, und ich lief mit meiner bisherigen Taktik ins Leere, aber ich war mir sicher, dass ich sie früher oder später wiedersehen würde. Und dann würde ich ihr all die Fragen stellen, die in meinem Kopf herumschwirrten.

Jetzt aber wollte ich einer anderen Spur nachgehen, denn Levinny war nicht die einzige, von der ich mir Antworten erhoffte. Stattdessen verließ ich den Portalkreis in Löwenstein Richtung Osten, eilte über die Brücke und kam schließlich an dem Anwesen der Lethos zum Stehen. Wie immer blitzte alles im Garten nur so vor Ordentlichkeit, nicht ein einziges Blatt wagte es, an der falschen Stelle zu liegen, und die Steinplatten, die mich zum Eingang führten, glänzten so, dass sich der Himmel darin spiegelte als würde ich gerade in den Wolken laufen.

Ich musste nicht lange warten; kurz nachdem ich den schweren Löwenkopf-Türklopfer gegen das massive Holz geschlagen hatte, öffnete Julien mir die Tür. Er begrüßte mich mit seiner typisch-grimmigen Miene und brummte ein „Was?", und ich fühlte mich gleich so willkommen wie noch nie. Extra für Julien setzte ich mein fröhlichstes Lächeln auf und antwortete in der zuckersüßesten Stimmlage, zu der ich fähig war: „ich würde gerne zu Aidan und Henna, wenn das möglich ist."

Juliens Augen verschwanden noch mehr unter seinen buschigen Augenbrauen, und er öffnete die Türen noch ein wenig weiter, um mich durchzulassen. Ein „hmpf" war das Zeichen für mich, dass ich eintreten und ihm folgen sollte, und wie von Zauberhand flogen die Türen hinter mir wieder ins Schloss.

Schnellen Schrittes folgte ich ihm durch die viel zu sauberen und prunkvoll eingerichteten Gänge, mit den Glasdecken, den gewaltigen Zeichnungen in Goldrahmen und den Fliesen, die nicht ein einziges Staubkörnchen trugen, und außer den Geräuschen unserer Schuhe auf dem Marmor war es viel zu leise dafür, dass eigentlich fünf Kinder hier herumtollen sollten. Die Stille machte mich ein wenig skeptisch, und ließ mich kurz an meinem Plan zweifeln. Doch Julien hätte mich nicht eingelassen, wenn die ganze Familie nicht anwesend wäre, und ich brauchte Henna nicht zwingend, um zumindest ein paar meiner Fragen klären zu können.

Während der Butler mich zu meinem Ziel brachte, den Kopf dabei erhoben und ein Handtuch über dem linken Arm, wie es sich gehörte, gab er noch ein paar mehr seiner Grummellaute von sich, vor allem, weil sie mich zum Grinsen brachten und das Julien aufzuregen schien. Schließlich klopfte er an einer der Türen, öffnete und deutete der Person dahinter eine Verbeugung an, warf mir einen letzten finsteren Blick zu und verschwand, vermutlich um gleich meine dreckigen Fußspuren von den Fliesen aufzuwischen.

Ich trat in das Zimmer, was wie ein typisches Wohnzimmer eingerichtet war: die eine Wand war gefüllt mit Bücherregalen, es gab eine gewaltige Sitz- und Liegeecke und einen Schreibtisch mit einigen aufgeschlagenen Dokumenten, an denen jemand scheinbar hin und wieder arbeitete. Dieser Raum besaß keine Dachfenster, vermutlich befand sich hier noch ein oberes Stockwerk, aber die Wandfenster waren riesig und aus Buntglas, sodass der Raum von vielfarbigem Licht erfüllt wurde. Das Bild, das aus den unzähligen bunten Glasmosaiken erstellt wurde, zeigte eine Gruppe aufwändig gekleideter Männer bei einer Wildschweinjagd, genau das, was man sich in einem menschlichen Nobelhaus vorstellen konnte.

Aidan saß auf einem Sessel und war bis gerade eben dabei gewesen, ein Buch zu lesen; jetzt ruhte seine Lektüre auf dem Schoß und neugierig starrte er mich an, als wäre ich die letzte, mit der er gerechnet hätte. Alvenn saß auf dem großen Sofa, ebenfalls ein Buch im Schoß, doch ihr Kopf war nach vorne gefallen und sie schien zu schlummern, ohne dass meine Ankunft sie dabei gestört hätte.

In einem Augenblick - Guild Wars 2 FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt