Kapitel 9 - Von Krabben und Drachen

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„Bei den Geistern, sogar ein Dolyak mit drei Beinen läuft schneller als Ihr!"

„Das... liegt daran, dass... Ihr mich jetzt schon... seit einer Stunde... um diesen verdammten... See rennen lasst!" In der prallen Nachmittagssonne. Ohne Pause. Mit voller Rüstung.

Schon bei dem letzten Training hatte ich Aidan nur nach wenigen Minuten bereits den Hals umdrehen wollen, doch nun hatte er mich wirklich fast soweit, dass ich mein Training abbrach und ihm auf der Stelle meinen Hammer über den Dickschädel zog. Aber nur fast.

Aidans Gebrüll entfernte sich, während ich mit letzter Kraft mehr über die nächste Brücke humpelte statt dass ich lief, denn während er mich mehrfach quer durch Löwenstein jagte, hatte er es sich auf einem Stein nahe des Wassers bequem gemacht und ließ die Füße im kalten Wasser baumeln.

Ich dagegen durfte mich hier zum Gespött der Passanten machen, wie ich schwitzend und schnaufend in meiner Rüstung meine Kreise watschelte und mich von einem Norn in Badehosen anschreien ließ.

Es wäre so einfach, mich von der Brücke zu stürzen und ins kalte Wasser zu tauchen...

Ich verdrängte den Gedanken und setzte weiter stur einen Fuß vor den anderen, den Blick auf den Boden vor mir gerichtet um bloß nicht über meine eigenen Schuhe zu stolpern. Meine Beine spürte ich schon lange nicht mehr, das einzige, was ich noch wahrnahm, war das Rasen meines Herzens in meinen Ohren.

Endlich hatte ich auch die letzte Brücke überquert und bog nach links den Pfad hinunter, als Aidan wieder in Sichtweit geriet und mir das heiß ersehnte Zeichen zum Stoppen gab. Stolpernd kam ich an dem kleinen Rinnsal zum Stehen, das sich durch meine Laufstrecke zog, und ohne weiter darüber nachzudenken, ließ ich mich vornüber in das kalte Nass fallen. Der Aufprall war härter als erwartet, und ich schmeckte Sand in meinem Mund, doch als das Wasser seinen Weg durch die Ritzen meiner Rüstung fand, wälzte ich mich schwerfällig auf den Rücken und stieß einen lauten Seufzer der Erleichterung aus.

„Ihr wollt mich... umbringen... oder?"

Aidan lachte und trat halbherzig nach einem Fisch, der sich seinen Weg an dem Norn vorbei bahnen wollte.

„Es ist doch meine Aufgabe, Euch zu trainieren, richtig? Und bevor Ihr mit der Rüstung kämpfen könnt, müsst Ihr erst mal lernen, sie zu tragen."

Ich erhob mich und kletterte auf einen Felsen neben Aidan, um mich von der Sonne trocknen zu lassen. „Das verstehe ich ja, aber teilweise... grenzt Euer Training schon an Folter", murmelte ich und warf dabei einen Blick in die Richtung, in der sich der Leuchtturm befinden musste. Während des letzten Trainings hatte Aidan mich den ganzen Turm hochgejagt, und als wäre das nicht anstrengend genug gewesen, hatte er mich zur Belohnung noch von der Spitze ins Meer gestoßen, ganz ohne Vorwarnung.

„Ihr habt aber nicht vor, mich heute wieder irgendwo in die Tiefe zu stoßen, oder?"

Mein Atem war wieder zur Ruhe gekommen und ich beobachtete Aidan, wie er sich sein schlichtes Lederhemd überstreifte und dabei einen Teil der stilvollen Tattoos bedeckte, die auf seiner Haut prangten.

„Hah! Gute Idee. Was nehmen wir heute? Machas Anlegestelle?"

Misstrauisch rutschte ich einige Schritte von ihm weg. Dieser Mann war so verrückt, dass er das auch noch ernst meinen konnte. Doch stattdessen schüttelte er grinsend den Kopf.

„Nein, zum Abschluss des heutigen Trainings habe ich etwas ganz besonderes mit Euch vor. Es geht zwar auch nach oben, aber diesmal ist der Abstieg nicht ganz so... plötzlich."

„Darf ich dafür die Rüstung ausziehen?"

Die Antwort war mir klar, schon bevor ich den Satz zu Ende gesprochen hatte. Wenigstens würde demnächst die Abenddämmerung hereinbrechen, was bedeutete, dass zumindest die Hitze etwas nachlassen würde.

In einem Augenblick - Guild Wars 2 FanfictionOnde as histórias ganham vida. Descobre agora