Kapitel 13 - Gewissensbisse

57 6 2
                                    

„Sehr gut! Jetzt werde ich Euch von links angreifen und will, dass Ihr meinen Angriff blockiert oder ihm ausweicht. Verstanden?"

„Genau das dachte ich mir. Ihr verlasst Euch zu sehr auf das, was ich sage! Hört auf zu denken und fangt an zu fühlen. Ihr müsst spüren, was Euer Gegner als nächstes macht! Wenn Ihr mit dem Denken anfangt, seid Ihr tot, bevor Ihr überhaupt irgendwas erreicht habt. Denken könnt Ihr im Labor, aber hier draußen müsst Ihr Euch ganz Euren Instinkten überlassen. Noch mal!"

Diesmal gab Aidan keine Richtung an, doch da er eben rechts angegriffen hatte, schlussfolgerte ich, dass es diesmal die andere Seite sein würde. Doch wieder griff Aidan rechts an, und wieder traf mich die Breitseite seiner Waffe, doch diesmal schaffte ich es, mich auf den Beinen zu halten.

So ging das nicht weiter! Wut stieg in mir auf. Aidan hatte mir während dem heutigen Training schon einige schmerzhafte Hiebe verpasst, aber ich schaffte es immer noch nicht, seine Angriffe vorauszusehen. So würde aus mir nie ein ordentlicher Krieger werden!

Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Es war mir schon einmal gelungen, bei dem Training mit Narru. Nur würde ich mich diesmal nicht eine ganze Woche lang piesacken lassen, bis ich in der Lage war zu kontern. Hört auf zu denken und fangt an zu fühlen...

Nach und nach blendete ich alles aus, das in diesem Moment unwichtig war. Die lauten Geräusche von Löwenstein, das Meer in meinem Rücken und das Rauschen meines Blutes verschwommen zu einem einheitlichen Klang, der im Rhythmus meines Herzschlags an- und abschwoll. Die Umrisse der Stadt, der Felsen und des Ozeans um mich herum verblichen und schließlich sah ich nur noch Aidan vor mir, der sich bereit machte zum nächsten Angriff.

Du kannst das. Konzentrier Dich, hör auf Deinen Instinkt!

In einem einzigen Augenblick nahm ich die unterschiedlichsten Anzeichen war. Das Flackern von Aidans Augen in die Richtung, in die er angreifen wollte. Die offensichtliche Haltung zur einen Seite, mit der er mich erneut in die Irre führen wollte. Das unauffällige Scharren des Fußes im Sand, als er sein Gewicht verlagerte.

Diesmal wollte ich mich nicht schlagen lassen und auch nicht bloß ausweichen. Ich wollte der Welt und vor allem mir beweisen, dass die vielen Trainingsstunden nicht umsonst gewesen waren und dass ich doch zu etwas taugte, egal was manch einer von mir denken mochte.

Also nahm ich noch einen tiefen Atemzug, schmeckte die salzige Seeluft und die leicht modrige Note des fauligen Holzes. Den Hammer mit beiden Händen fest gepackt wartete ich darauf, dass Aidan seinen Angriff startete, und versuchte dabei, auf jede noch so kleine Bewegung von ihm zu achten, um zu erahnen, wo er als nächstes angreifen wollte. Aidan sog schnell die Luft ein, und im nächsten Moment rauschte das Breitschwert mit voller Geschwindigkeit auf mich zu. Doch diesmal lag ich richtig, duckte mich unter dem Schwert hinweg und nutzte Aidans verbliebenen Schwung, um ihn mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter aus dem Gleichgewicht zu bringen. Es wirkte, denn damit hatte Aidan nicht gerechnet, und als er überrascht taumelte und für eine Sekunde seine Deckung fallen ließ, nahm ich mit einer Drehung genug Schwung und mit einem lauten Schrei stieß ich meinen Hammer ohne Hemmungen gegen Aidans Rücken, um ihn damit endgültig zu Fall zu bringen.

Doch so leicht war der Norn nicht kleinzukriegen; auch wenn mein erster Konter ihn überrascht hatte, so hatte er sich schnell wieder fassen können und schlug nun zurück. Mit schmerzverzerrter Mine drehte er sich um, holte kräftig aus, während ich noch mein Gleichgewicht von meinem letzten Schlag sammelte, und ließ seine Waffe von oben herab auf mich nieder fahren. Der Helm den ich trug würde den Schlag abfedern, wenn ich nicht in der Lage war ihm auszuweichen, doch ich wollte beweisen, dass ich zu mehr in der Lage war. Zur Seite ausweichen war nicht möglich, dazu fehlte mir die Zeit. So würde Aidan zwar nicht meinen Kopf treffen, aber meine Beine, sobald ich versuchte mich zu rollen, und die waren weniger geschützt als der Kopf.

In einem Augenblick - Guild Wars 2 FanfictionWhere stories live. Discover now