Epilog

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„Habt Ihr überhaupt geschlafen?"

Zojjas Stimme drang kaum zu mir durch, während ich die Beine baumeln ließ und vollkommen in Gedanken versunken war. Selbst nach all der Zeit hielt die Golemantin den Platz auf ihrem Arbeitstisch noch immer für mich frei, sodass ich dort sitzen und sie bei ihrer Arbeit beobachten konnte, wann immer mir danach war.

Zugegeben, in letzter Zeit hatte mir häufig die Gelegenheit dazu gefehlt; desto mehr genoss ich es, heute noch einmal ohne Druck bei meiner Tante sitzen zu können.

Ich schmunzelte und betrachtete meine ledrigen Hände, deren Finger mit Schwielen und Schrammen versehen waren. Es hinterließ eben Spuren, wenn man mit eigenen Händen ein eigenes Haus erbaute. Doch es waren gute Spuren, denn sie erinnerten mich daran, was wir in den letzten Wochen und Monaten alles erreicht hatten. „Nicht viel. Es gibt so viel zu tun, und wir nutzen die letzten Sommertage, in denen es noch so lange hell ist..."

Der Herbst kündigte sich an, was in Löwenstein keine besonders großen Temperaturunterschiede bedeutete, doch wie überall in Tyria wurden die Nächte dann länger und die Tage kürzer und bis zum Winteranfang, wenn der Wind auch in der Hafenstadt spürbar stärker wurde, wollten wir das Dach der Gildenhalle fertiggestellt haben. Viel Zeit zum Schlafen blieb dann nicht, und selbst in meinen Träumen stapelte ich Stein auf Stein und mischte Mörtel, bis mir schwindelig wurde.

Mit halb geschlossenen Augen sah ich zu meiner Tante, die gerade noch ein Programm auf ihrer Konsole vervollständigte, bevor sie das neue Update an ihrem Golem testete. Meister Funkel wartete bereits neben uns im Standby-Modus, und auch ein Feuerlöscher war greifbar, für den Fall, dass mal wieder etwas – oder jemand – in Flammen aufgehen würde.

„Liebes, Ihr seid Eurer Gilde keine gute Hilfe, wenn Ihr bei der Arbeit ständig einschlaft."

„Tue ich nicht. Irgendwie hab ich es bisher immer geschafft, die Augen aufzuhalten." Was in diesem Moment gar nicht so einfach war, wie ich schmunzelnd feststellte, und auch Zojja hatte das bemerkt. Um mich wach zu halten, zupfte ich stattdessen die Schleife in meinem Haar fest. Wann immer ich nicht mit der Gildenhalle beschäftigt war, trug ich das kleine Accessoire immer an mir, und es hatte mir bereits mehr als ein Kompliment eingebracht.

Die Konsole piepte, und über den Formeln tauchte nun ein Ladebalken auf, der sich langsam füllte. Er zeigte den Status der Übertragung an, und füllte sich erstaunlich schnell. Offensichtlich handelte es sich nur um ein kleines Update.

„Was für Änderungen sind es denn diesmal?" fragte ich halbherzig, denn eigentlich interessierten mich die Details nicht. Zumal ich die Feinheiten nicht verstehen würde.

Zojja seufze und wandte sich mir zu, während sie selbst nichts anderes tun konnte als Warten. „Ich schließe ein paar Sicherheitslücken, verbessere das Schild und kalibriere den..."

Das war der Punkt, an dem die ganzen Fachbegriffe fielen, die mir niemals etwas sagen würden. Ich nickte, als wüsste ich genau, wovon Zojja sprach, auch wenn uns beiden klar war, dass das nicht der Fall war. Doch ich genoss die Zeit, die ich hier verbrachte, und Zojja redete gern über ihr eigenes Genie, sodass wir beide davon profitierten.

„... mit neuartiger Technik, die ich von der Inquestur stehlen konnte."

„Oh?"

Auf einmal war ich ein gutes Stück wacher und richtete die Ohren auf, um tatsächlich wieder zuzuhören. Die Inquestur war tatsächlich ein Begriff, den ich zuordnen konnte.

„Vor kurzem habe ich Wind davon bekommen, dass sie an etwas Neuem gearbeitet haben. Etwas, das nicht nur für die Inquestur von Interesse ist."

Ich bedachte Zojja mit einer hochgezogenen Braue, aber ich war es bereits gewohnt, dass sie hin und wieder kryptische Formulierungen nutzte. Vielleicht dachte sie, es ließe sie wichtiger erscheinen, wenn sie die wichtigsten Informationen bis zum Schluss aufhob.

In einem Augenblick - Guild Wars 2 FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt