Zimtstern [ I - 2018 ]

Samstag, 08. Dezember 2018

Samstag, 08. Dezember 2018
von Jungs und Geburtstagsplanungen

"Dad ich bitte dich. Hetz nicht so!", beschwere ich mich bei dem Erziehungsberechtigten in unserer Familie und hetze ihm mit Luna durch das Gebäude hinterher. Heute haben wir zum Glück nicht verschlafen, was jedoch auch daran liegen könnte, da Dad uns in aller Frühe geweckt hat um auch wirklich pünktlich am Flughafen zu sein. Es gibt nichts was er mehr hasst als Unpünktlichkeit.

Der gestrige Abend ist genau so gelaufen wie ich erwartet habe. Ich habe die Ankündigung von Dad solange hinaus gezögert, bis es nicht mehr anders ging. Milan habe ich seitdem nicht mehr gesehen und er ist auch heute morgen nicht aus dem Zimmer gekommen um sich zu verabschieden. Luna hingegen hat angefangen zu weinen und das solange, bis sie in meinem Arm eingeschlafen ist. Eigentlich kennt meine kleines Schwester es gar nicht anders, aber es ist jedes Mal aufs neue schlimm für sie, wenn Dad uns verlässt. Sie liebt unseren Vater noch mehr als wir es jemals könnten und vergöttert ihn regelrecht. Vielleicht weil er so selten zu Hause ist und sie ihn sowieso schon so wenig sieht. Ich weiß es nicht, aber es bricht mir immer wieder das Herz wenn ich ihren zerschmetterten und traurigen Blick sehe. 

"Dad ernsthaft jetzt! Das Flugzeug fliegt schon nicht ohne dich!", fauche ich wütend, kann jedoch nur hilflos mit ansehen wie der Abstand zwischen uns nur größer wird. Ich drossle mein Tempo und verfalle mit Luna an der Hand in einen langsamen Laufschritt. Meine kleine Schwester reibt sich über die noch immer müden Äuglein, als ich zu ihr nach unten sehe. Sie sieht ulkig aus in dem zartrosafarbenen Parka, die Kapuze tief in die Stirn gezogen, sodass sie unter dem grauen Kunstpelz hervor lugen muss. Ihre Füße stecken in schwarzen Stiefelchen, doch man sieht deutlich das die weiße und flauschige Hose, die absolut nicht für dieses Wetter gemacht ist. Da sie mit bunten Einhörnern bedruckt ist, ist es wirklich nicht zu übersehen, dass sie noch ihren Schlafanzug trägt. Eigentlich wollte ich Luna zu Hause lassen aber am Ende blieb mir nichts anderes übrig als sie im Schlafanzug ausgehfertig zu machen und sie mit zum Flughafen zu nehmen.

Theoretisch würde ich hier und jetzt mit dem Fuß auf dem Boden stampfen und vielleicht den ein oder anderen Fluch über Dad loslassen, aber in Gegenwart meiner kleinen Schwester kommt das natürlich nicht in Frage. Und so sehr ich mich in manchen Situationen auch über meinen Dad ärgere, ich spreche niemals schlecht vor meinen Geschwistern über ihn. Denn das wäre weder fair noch akzeptabl. Sie sollen sich ihre eigene Meinung bilden und selbst entscheiden wie sie über manche seiner Taten denken.

"Du musst aufpassen Luna, dass dir die Jungs später nicht auch so weglaufen wie Dad gerade. Am besten suchst du dir jemanden, der nicht im Krankenhaus arbeitet und bist immer lieb zu ihm.", erkläre ich meiner kleinen Schwester mit einem bedeutsamen Blick und gehe in die Hocke, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein.

Meine kleine Schwester legt den Kopf schief, während ich ihr vorsichtig den Schlafstaub aus den grünen Augen entferne. Sie sieht fitter aus als gestern und ich nehme an, dass wir heute einen entspannteren Tag vor uns haben. Ich hoffe die Tage ohne Dad bleiben so locker wie nur irgendwie möglich. Zwar kommen wir drei gut allein zu recht, doch momentan wüsste ich nicht wo ich die Kraft aufbringen sollte, mich mit einem streitenden Teenager und einer kleinen Nervensäge herumzuschlagen.

"Bist du deshalb so garstig zu Luca? Weil du willst, dass er wegläuft?", fragt Luna schließlich. Ihre bis eben noch müden Augen sind nun aufmerksam und sie scheint mir direkt in den Kopf zu blicken. Überrumpelt sehe ich das kleine Mädchen von mir an und beinahe automatisch ziehen sich meine Augenbrauen zusammen. "Aber Luna, wie kommst du denn darauf?"

Meine kleine Schwester zuckt unschuldig mit den Schultern und ihre Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. "Ach, Ben hat erzählt das Luca sich über deine Gemeinheiten beschwert hat."