Freitag, 07. Dezember 2018

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Freitag, 07. Dezember 2018
von Wäscheboxen und Vätern

Wir haben verschlafen. 

Das erste Mal seit drei Jahren haben wir verschlafen.

Und diese Erkenntnis ist schlimmer, als eine Präsentation vor einer Schulklasse. Ich spüre wie mein Gesicht heiß wird und ich sicherlich rot, wie eine überreife Tomate, anlaufe. Mein Magen verknotet sich und hätte ich heute schon etwas gegessen, wäre mir sicherlich schlecht. Es ist mir mehr als unangenehm, diese Tatsache hinzunehmen. Es ist mir sogar regelrecht peinlich. Ich habe noch nie verschlafen außer ein einziges Mal und das war im Sommer vor meiner Ausbildung als ich zur Vorsorgeuntersuchung musste (ein vollkommen unnötiges  Gesetz das das verlangt hat, aber gut). Ich gebe zu ich hätte einfach nicht die halbe Nacht Serien schauen sollen. Jetzt etwas mehr als drei Jahre später habe ich wieder verschlafen. Und wieso? Weil mir das Gespräch mit Hannah nicht mehr aus dem Kopf ging und ich beinahe die ganze Nacht wach lag und mir wegen den Idioten Luca die Gehirnzellen zermadert habe.

Ein Blick hat auf mein  Handy zeigt mir mehrere verpasste Anrufe vom Kindergarten und ich sinke seufzend in die weichen Kissen meines Bettes, das ich noch nicht einmal verlassen habe, zurück. Ohne die Mailbox abzuhören, rufe ich die Nummer des Kindergartens zurück und es dauert nicht lange, da meldet sich Heike bereits: "Montessorikinderhaus Stuttgart. Heike Helmer am Apparat."

"Hallo Heike. Ich bin's.", begrüße ich die Erzieherin und meine Stimme klingt dabei so kratzig, dass ich mich automatisch erst einmal räuspere. Man sollte einfach direkt nach dem Aufwachen nicht reden. "Es tut mir so leid. Wir haben alle komplett verschlafen."

Und es ist nicht einmal eine Lüge. Denn wäre Luna aufgewacht, hätte sie mich geweckt. Ich muss also nicht einmal meinen Hintern aus dem Bett schwingen, um diese Aussage zu überprüfen. 

"Guten Morgen Lucie.", lacht Heike amüsiert am anderen Ende der Leitung und ich vergrabe automatisch das Gesicht in einem der vielen Kissen. Ich habe wirklich ein ernstes Kissenproblem, das versuche ich nicht einmal zu leugnen. "Alles in Ordnung. Janette ist für dich eingesprungen. Willst du Luna trotzdem noch bringen?"

Janette ist die Mutter von Sophie-Marie und das was an ihrer Tochter alles zu süß ist, ist an ihr zu spießig. Die Sechsjährige ist mit ihren blonden Haare und den babyblauen Augen zwar ein Ebenbild ihrer Mutter, aber während sie vollkommen rein ist, ist Janette eher verdorben. Ich würde soweit gehen und sie als spießig, eingebildet und arrogant bezeichnen. Familie Korn wohnt einige Straßen von uns entfernt und es lässt sich nicht vermeiden, dass wir uns immer mal irgendwo über den Weg laufen, aber jedes Mal wenn wir uns gezwungenermaßen unterhalten habe ich den Eindruck, als würde sie uns nicht mögen. Oder zumindest mich, denn Dad erzählt immer nur von netten Gesprächen mit einer charmanten Dame. Vielleicht sollte Janette mal darüber nachdenken von der Hausfrauen-Branche in die Schauspielerei zu wechseln.

Ich werfe einen Blick auf die Uhr, die bereits kurz vor 10 Uhr zeigt. Luna wäre heute sowieso nur den halben Tag im Kindergarten, da Milan sie nach der Schule abholen würde. Also schüttle ich den Kopf, erspare uns den Stress und lehne das Angebot ab. Statt uns jetzt abzuhetzen doch noch halbwegs pünktlich zu kommen, können wir heute auch einfach einen gemütlichen Home-Day machen. Milan geht es auch wieder besser, also haben wir eine recht angenehme Geschwisterzeit vor uns.

Ich beende das Gespräch mit Heike und rolle mich schließlich aus dem Bett, um meine Geschwister aufzuwecken. Es ist nicht gut, wenn sie so lange schlafen. Besonders nicht bei Luna, die ich sonst heute Abend nicht ins Bett bekomme. Im Zimmer meines Bruders, den ich zuerst wecken will, ist es stockdunkel und auf dem Weg zum Fenster falle ich über die Wäschebox, wobei es mich ziemlich wenig elegant auf die Fresse legt. Das Ergebnis dieser Aktion ist, dass ich mit einem Kühlakku auf dem Knie auf dem Sofa sitze, während mein Bruder mich immer noch auslacht und mir gleichzeitig versucht zu helfen. Der Krach den wir oben veranstaltet hat, hat Luna aufgeweckt und diese ist morgens ziemlich nah am Wasser gebaut, besonders wenn sie schlecht geschlafen hat. Deshalb klammert sie sich weinend an meinem Hals fest, obwohl ihr ja überhaupt nicht's passiert ist sondern mir. 

Zimtstern [ I - 2018 ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt