Montag, 03. Dezember 2018

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Montag, 03. Dezember 2018
von Adventskalendern und Stalkern

Das Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln macht in Stuttgart auch nur dann Spaß, wenn es Abends ist und keine Sau mehr unterwegs ist. Und das ist auch der Grund, wieso ich meine Schwester jeden Morgen mit dem Auto in den Kindergarten bringe und meinen Bruder an seinem Gymnasium rauslasse, da ich sowieso daran vorbei fahre. Man kann uns durchaus als faul bezeichnen, denn ganz offen gesagt sind wir das auch.

"Weißt du was Lucie?", fragt Luna als ich sie aus dem Kindersitz hebe und auf dem Bürgersteig absetze. Laut schlage ich die Tür zu und schließe den Mercedes per Knopfdruck ab. Dann sehe ich fragend zu meiner Schwester nach unten und warte darauf, dass sie ihre Frage selbst beantwortet. "Ich freue mich auf den Kindergarten."

Leise lachend greife ich nach ihrer Hand und mache mich mit ihr auf den Weg zum Gebäude. Ein eisiger Wind pfeift durch die Straßen und lässt meine unbedeckten Finger sofort frösteln. Es ist nicht das erste Mal, dass Lucie so etwas sagt aber es ist dennoch ungewöhnlich. Normalerweise freut sie sich nur auf ihre Lieblingserzieherin oder ihre Freundinnen. Oder auf eine besondere Geschichte, die sie Mittags vorgelesen bekommen. Aber nicht unbedingt auf den Kindergarten selbst. Damit will ich nicht sagen, dass der Montessori-Kindergarten schlecht ist oder so etwas, aber er ist einfach anders, als die normalen Kindergärten. "Das ist doch schön. Aber hat das einen besonderen Grund?"

"Wir haben dieses Jahr wieder einen Adventskalender und jeden Tag darf ein anderes Kind ein Tütchen aufmachen. Das ist total cool! Ich habe die Nummer 15.", erklärt meine Schwester mir und ich spiele so gut es geht die überraschte Schwester. Das die Eltern das in der Elternbeiratssitzung beschlossen haben und einige von uns mit den Erzieherinnen den Kalender gebastelt haben, schiebe ich sehr weit nach hinten in's Gedächtnis. Obwohl ich nicht Luna's Mom bin, gehe ich seit zwei Jahren zu den Treffen, wenn Dad es mal wieder nicht schafft. Ganz zu schweigen von den Bastelstunden zu besonderen Anlässen.

"Das ist wirklich toll. Ich bin schon gespannt, was du dann aus deinem Tütchen heraus bekommst." Ich grinse meine Schwester fröhlich an und erklimme mit ihr die Stufen zur Eingangstür. Im Garderobenvorraum ist schon einiges los und ich begrüße die anwesenden Eltern. Schnell helfe ich Luna aus ihren Stiefeln und hänge ihren Wintermantel an den vorgesehenen Haken. Das Pferd darauf ist bereits etwas verblichen und ich kann nur hoffen, dass sie hier bald wieder neue Motive aufhängen. Ich verabschiede mich von meiner kleinen Schwester und wünsche ihr viel Spaß, bevor ich mich dem Gehen zu wenden will. Heike, eine der Erzieherinnen, macht mir jedoch einen Strich durch die Rechnung und winkt mich zu sich.

"Heike was gibt's?", frage ich die gertenschlanke Erzieherin. Wenn man sie so ansieht, dann kann man gar nicht glauben, dass sie tatsächlich Zwillinge auf die Welt gebracht hat. Bevor sie sich mir zuwendet, begrüßt sie Luna und lässt meine Schwester durch die Tür in den eigentlichen Kindergartenbereich. Dann sieht sie sich kurz um, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf mich richtet. "Ich möchte dich eigentlich gar nicht fragen, aber wir haben schon wieder zu wenig Betreuer. Simona fällt kurzfristig aus, die beiden FSJlerinnen sind immer noch krank und wir haben ab heute eine neue Eingewöhnung. Wäre es ein Problem für dich, diese Woche ein wenig auszuhelfen? Du musst auch gar nicht den ganzen Tag hier bleiben."

Es ist nicht das erste Mal, dass es im Kindergarten (3 - 6 Jahre) oder im Kindernest (1 - 3 Jahre) zum Personalmangel kommt. Besonders in der kalten Jahreszeit, wo es häufig zu krankheitsbedingten Ausfällen kommt, werde ich immer mal wieder gefragt, ob ich nicht zusätzlich bleiben könnte. Die Idee der Springer wurde vom Elternbeirat in's Leben gerufen und eigentlich sind alle damit sehr zufrieden. Zwei bis drei Eltern, die nicht berufstätig sind und bereit sind einen kleinen Teil ihrer Freizeit zu opfern, haben sich dazu bereit erklärt in solchen Notsituationen einzuspringen und das Team zu unterstützen. Die Eltern der Kinder haben damit zum Glück keinerlei Probleme (immerhin sind diese ganz froh wenn man sich vernünftig um die Kinder kümmert, während sie selbst arbeiten sind) und die Einsätze der Springer sind sogar vertraglich geregelt.

Zimtstern [ I - 2018 ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt