19. Kapitel: Julian

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„So, Frau Fenrich. Belasten Sie ihren Fuß noch nicht zu sehr und gehen Sie regelmäßig zur Krankengymnastik".

Der Arzt drückt meiner Mutter das Rezept für die KG in die Hand, verabschiedet uns und wir verlassen die Praxis. Ich habe die Krücken zwar noch, aber die werd ich nicht mehr lange benutzen. Die nerven unheimlich und ich stolpere mindestens einmal am Tag, weil ich es leid bin, sie jedes Mal richtig anzuheben oder mich einen Schritt weiter zu stemmen.

Mein Leben fängt an, richtig Form anzunehmen. Ich habe eine Bewerbung an die Uni in Brighton geschrieben, ich wusste einfach, wie man so etwas schreibt.

Das muss das gewesen sein, wovon der Arzt gesprochen hat. Ich weiß, wie etwas geht, aber ich weiß nicht, wo und wie ich es erlernt habe. Es ist fast wie ein Instinkt, nur dass ich es mal gelernt hab und der Instinkt sowas wie ein Urtrieb ist. Ich bin angenommen für Lehramt, und das werde ich auch nehmen. Grundschullehramt um genau zu sein. In der Zeit, seit Niall wieder weg ist und ich meinen Stimmungsschwankungen ausgesetzt bin - den Überlegungen ob richtig oder falsch - war ich viel mit Sarah unterwegs. Sie versteht mich bedingt. Und sie ist definitiv einsichtiger als Niall und hat von Anfang an gesagt, dass sie die alte Josy aus ihrem Kopf streichen wird.

Hat sie, aber ich habe das Gefühl, dass sich für sie nicht viel geändert hat. Wir lachen viel, wir erzählen uns Mist. Neulich saßen wir zusammen, sie hat erzählt und erzählt. Dass wir uns schon Ewigkeiten kennen, seit dem Kindergarten und dass wir als Kinder immer gleich angezogen sein wollten, auch wenn wir verschieden aussehen. Und ich bin froh, so jemanden zu haben. Jemand, der mich nimmt wie ich bin und nicht einfach die alte Josy sieht und mich auf die alte Josy festnageln will.

Klar, Maria und meine Mutter sind auch so, aber eben keine Freundin, der man alles erklären kann. Wir haben die ganzen Bilder von Niall und mir auf einem, mit Passwort geschützten Ordner irgendwo auf meinem PC abgespeichert.

„Nur für den Fall...", hat sie gemeint und ich hab nur mit den Schultern gezuckt. Mir ist es egal, aber löschen konnte ich die Bilder irgendwie nicht.

„Wiedersehen". Die Stimme der Sprechstundenhilfe reißt mich aus meinen Gedanken, ich lächele in ihre Richtung.

„Okay... Ich mach dir die Termine aus und du fährst jetzt zu Sarah oder? Was macht ihr?". Ich nicke grinsend.

„Wir machen einen Mädelstag". Was auch immer das heißt. Ich weiß von ihr, dass wir shoppen gehen werden, aber den Rest der Planung hab ich irgendwie noch nicht mitbekommen.

*

"Komm rein!" Ich lasse mich in Sarahs Wohnung ziehen und umarme sie zur Begrüßung. Sie wohnt in ihrer eigenen Wohnung, ihre Eltern haben sie, soweit ich das mitbekommen habe, rausgeworfen, weil sie auf eigenen Füßen stehen soll. Ziemlich radikal irgendwie.

„Was machen wir jetzt?", frage ich skeptisch.

„Wir gehen shoppen. Und dann werden wir uns auf die Couch werfen und Filme glotzen oder wir gehen feiern. Weiß noch nicht, was dir lieber ist". Feiern gehen. Oh Gott. Nein danke. Am Ende laufe ich Leuten über den Weg die Niall kennen. Bloß nicht.

„Ich glaub, Filme schauen klingt gut". Sie nickt. Und zieht mich wieder aus der Wohnung, Richtung Innenstadt. Dann gehen wir eben shoppen.

„Aber hey, wenn du's dir anders überlegst... Feiern ist auch ganz geil". Ich verdrehe nur die Augen.

*

„Oh Gott, sieh dir das Teil an". Sarah hat ungefähr das zwölfte Kleid im Visier und deutet begeistert drauf. Als sie shoppen gesagt hat, bin ich eigentlich davon ausgegangen, ich kann gemütlich Niall's Pullover ersetzen und neue kaufen, aber anscheinend bereitet sich meine Freundin doch auf einen Partyabend vor.

„Das erste war das beste... Können wir vielleicht einfach mal ein Geschäft für Alltagsklamotten?", frage ich und ich klinge schon leicht genervt. Sie zieht mich hier durch den bestimmt hundertsten Laden, probiert immer wieder ein Kleid an, nur um dann wieder rauszustürmen, weil es ihr doch nicht gestanden hat. Und ich mit meinem Fuß finde das nicht gerade so toll.

„Ja, okay." Danke. Nach zwei Stunden habe ich meine Sachen und ein bisschen mehr, was ich mir dann von Sarah hab aufschwatzen lassen. Ein Kleid, ein Bikini. Brauch ich eigentlich nicht, meiner Meinung nach, aber sie meint, sowas kann man immer brauchen.

Wir sind gerade wieder auf dem Rückweg, als jemand meinen Namen ruft. Ich drehe mich um.

„Josy! Hey". Ein Junge, ungefähr unser Alter, gar nicht mal so schlecht aussehend, winkt mir zu. Ich werfe Sarah einen fragenden Blick zu, aber sie schüttelt nur den Kopf.

„Den willst du nicht kennen, glaub mir", flüstert sie und zieht mich weiter, als mir eine Hand auf die Schulter gelegt wird.„Josy... Sag bloß, du erkennst mich nicht mehr. Warst doch gerade erst ein halbes Jahr in London." Ich runzele die Stirn.

„Also erstens heiße ich Jocelyn für dich und in London ist es verdammt schön und zweitens... wer bist du?". Sarah neben mir stöhnt auf. Ja, ich will ihn anscheinend nicht kennen, aber ich will wissen, wer das ist.

„Mein Gott, sag bloß, zu bist zur Zicke mutiert...", lacht der Typ. Meine Augenbrauen wandern immer weiter nach oben.

„Ich kapier's nicht".

„Mein Gott, Julian, du Depp. Natürlich erinnert sie sich nicht mehr, sie hatte einen Unfall und irgendwas ist passiert und jetzt erinnert sie sich an nichts mehr vor dem Unfall, also verzieh dich. Du hast trotzdem keine Chance bei ihr". Meine Kinnlade klappt runter und ich sehe von Julian, wie der Typ anscheinend heißt, zu Sarah und wieder zurück.

„Oh... Oh, tut mir leid, Josy". Ich hebe die Hände.

"Immernoch Jocelyn für dich. Ich kenne dich überhaupt nicht!"

„Aber das kann man ja ändern", werde ich unterbrochen und schon liegt ein Arm um meine Taille. „Weißt du, hab gehört du bist den Sänger jetzt los. Sei froh. Der war dir wahrscheinlich eh nicht treu, aber egal jetzt. Eine schöne Lady hat doch immer Zeit für ein Eis, hm?" Ich werfe einen hilflosen Blick über meine Schulter, wo Sarah mit den ganzen Tüten steht.

„Ehm... Wie wär's, wenn du mich erstmal fragst, ob ich dich kennenlernen will und wer sagt dir, dass ich Niall nicht noch liebe, scheiß auf den Gedächtnisverlust? Also nimm deine Drecksfinger von mir, sonst bekommst du gewaltigen Ärger. Und in einem hatte Sarah gerade recht: Ich will dich gar nicht kennen, weil du bist komisch." Ich drücke seine Hand von meiner Taille, humpele zurück zu meiner Freundin. „Was für ein Arsch war das denn bitte?".

„Julian... ehemals Klassencasanova und er will dich seit Ewigkeiten ausführen, aber du hattest ja irgendwie schon immer Niall... Hast ja gemerkt, warum du nie zugelassen hast, dass du mit ihm ausgehst... Tolle Notlüge übrigens!". Ich sehe sie fragend an. „Na, das, dass du Naill immer noch liebst....". Sie grinst mir zu.

„Tu ich nicht".

„Hm... Ganz ehrlich Jocelyn... Ich an deiner Stelle wäre mir da nicht so sicher...". Was? Was meint sie denn jetzt damit?

*****

Halli Hallöchen ihr Lieben :D
Juuuuulian! ;) Eine neue Figur ;)

Ich habe extra heute schon das neue Kapitel hoch geladen, da ich ab morgen eine Woche im Urlaub bin. *-* Euch alle schöne Weihnachten, feiert schön, lasst euch reichlich beschenken und genießt einfach das Fest.

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