14. Kapitel: Cold

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Ich habe mich in meinem Zimmer verbarrikadiert, für's Erste. Ich war schwanger. Niall und ich hätten ein Baby bekommen. Wenn ich diesen Unfall nicht gebaut hätte. Ein Kind, ein kleines Wesen. Tot. Fehlgeburt. Kind verloren. Hab ich es gewusst? War ich deshalb so unaufmerksam? Wollte ich so schnell wie möglich zu ihm, weil ich wusste, dass ich schwanger war? Ich setze mich auf, sehe mich selbst in dem Spiegel meines Schranks. Ich habe nicht geweint. Ich bin einfach nur dagelegen, hab an die Decke gestarrt.

Es fühlt sich an, als wäre in meiner Brust, da wo mein Herz ist, ein riesiges Loch. Ein Loch, das diese Nachricht hinterlassen hat. Das nicht mehr gefüllt werden kann. Weil ich nie wieder die Chance bekomme. Weil dieses kleine Wesen unwiderbringlich tot ist. Für immer. Weil ich mit Niall Schluss gemacht habe und nicht mal mehr die Chance besteht, dass es wieder so wird wie früher.Wie von selbst tragen mich meine Füße zur Tür, die Treppe runter. Ich versuche leise zu sein, als ich am Wohnzimmer vorbei schleiche, aber Mama sieht mich. Sie wirft mir nur einen traurigen Blick zu, lässt zu, dass ich gehe. Mein Handy wiegt schwer in meiner Hosentasche und ich schleppe mich auf den Krücken hinaus auf die Straße. Es regnet. Der Himmel weint. Um mein Baby.

*

Mein Baby. Ich bezeichne es als meins. Ich hab es nie gesehen, nicht gewusst, bis gerade eben, aber es ist mein Baby. In meinem Kopf sind Bilder von mir, wie ich ein kleines Ding halte. Keine Erinnerung, eine Vorstellung. Die Vorstellung, Mutter zu sein. Die Vorstellung, ein Kind zu haben.

Der Regen vermischt sich mit meinen Tränen, macht sie unkenntlich. Ich laufe einfach, laufe. Versuche, durch den Schmerz zu laufen den Schmerz in meinem Inneren zu überdecken. Es funktioniert nicht. Ständig habe ich Bilder vor Augen. Mein Gehirn zeigt mir die perfekte Mischung aus Niall und mir, einen kleinen Schatz mit blauen Augen und und braunen Haaren, oder braunen Augen und braunen Haaren.

Ein kleines Ding, das vor sich hin brabbelt und lacht. All das hab ich verloren. Weil ich unachtsam war. Weil ich nicht aufgepasst habe. Ich bin schuld. Und dieses Wissen frisst sich wie ein Parasit durch meinen ganzen Körper, überdeckt alles. Ich bin schuld, dass mein Baby tot ist. Ich bin schuld, dass ich mein Gedächtnis verloren habe. Ich bin schuld. Weil ich diesen Unfall gebaut habe. Weil ich nicht aufgepasst habe. Ich weiß nicht mehr, wo ich bin. Ich kenne meine Umgebung nicht. Ich bin nass, ich friere. Niemand da, der mir helfen könnte. Der mir sagen könnte, wo ich bin. Mit einem leisen Seufzen lasse ich mich auf eine Bank fallen, spüre die Kälte gar nicht mehr. Irgendwo tut das gut. Es betäubt alles. Nimmt den Schmerz ein bisschen. Ich schließe die Augen, lasse mich nach hinten fallen. Jetzt ist eh schon alles egal. Vielleicht sterbe ich an einer Lungenentzündung. Wenn ich einfach hier sitzen bleibe. Einfach im Regen und in der Kälte. Vielleicht sterbe ich irgendwann.

„Josy?". Ich sehe auf. Jemand steht vor mir, aber ich erkenne nichts durch den Regen. „Josy, bist du das?" Mein Mund formt Wörter, aber ich bekomme keinen Laut heraus.„Ich fahr dich nach Hause". Die Person schleppt mich irgendwo hin. Ich merke nichts. Spüre nicht den Druck. Nur immer noch diese Schuld. Sie nimmt alles. Tut weh. Ich fühle mich tot. Nur schemenhaft sehe ich ein Auto. Und auf einmal wird es warm. In meinen Ohren rauscht es. Lasst mich doch einfach alle in Ruhe. Ruhe. Vielleicht... Ich denke den Gedanken nicht zu Ende, schließe einfach wieder die Augen. Stimmen dringen dumpf zu mir durch. Aber ich verstehe nichts. Das Rauschen in meinen Ohren ist zu laut. Kann man mich nicht einfach in Ruhe lassen?

*

Ich spüre etwas. An meinem Rücken. Weich. Sanft. Was ist das?

„Josy?" Josy. Mein Name. Josy. Jocelyn. Jocelyn Fenrich. „Komm schon...". Mama? Ist das Mama? Vorsichtig mache ich die Augen einen Spalt auf und schon schüttelt mich ein Hustenkrampf. Ich verkrampfe mich, kann gar nicht mehr aufhören. Ein Glas Wasser wird mir hingehalten, das ich runterstürze. Macht den Husten ein bisschen besser. Oh Gott. Was zur Hölle...

„Josy...". Ich sehe auf. Das ist nicht meine Mutter. „Hey". Die blonde Person vor mir grinst mich an. Oh Gott. Wie ich es hasse.

„Wer bist du?", krächze ich, nehme das nächste Glas entgegen.

„Sarah... Sag nichts, ich weiß alles. Deine Mom hat's mir erklärt... Tut mir ehrlich leid". Sie legt mir eine Hand auf die Schulter, schaut mich bedauernd an. Ich antworte nicht, sehe mich um. Das ist mein Zimmer. Mein Bett. Wie bin ich hierher gekommen?

„Sarah... Okay", murmele ich, lasse mich zurück in das Kissen fallen. Wie konnte ich nur so dumm sein und hoffen, an einer Lungenentzündung zu sterben? Hätte mir einiges erspart. Mein Hals kratzt furchtbar und tut weh, mein Kopf genauso und was meine Nase angeht... Ich bekomme überhaupt keine Luft.

„Ich bin deine beste Freundin... Oder war es... Also keine Ahnung... Naja, auf jeden Fall, sei froh, dass ich dich aufgesammelt hab. Warst ja ganz schön fertig und deine Mom war auch total aufgelöst". Sie zuckt grinsend mit den Schultern. „Und... Maria war sowieso total down, weil ihre große Schwester weg war und dann so fertig zurück kam... Tu das der Kleinen bloß nie wieder an. Die blickt zu dir auf!" Ich nicke nur folgsam, sichte endlich die Tasse Tee auf meinem Nachtkästchen. „Oh... Warte, also der ist inzwischen wieder kalt". Okay. Okay

"Kannst du... Also, schön, dass du da warst und danke fürs Aufsammeln... Aber ich brauch jetzt, glaub ich, ein bisschen Zeit für mich", bringe ich heraus und verfluche mich wieder für die sinnlose Idee, einfach im Regen rauszugehen ohne Jacke und alles. Ich bin doof. Aber in dem Moment war es für mich die sinnvollste Variante, das alles zu verarbeiten. Und kaum habe ich daran gedacht, schleicht sich das Bild des Babys zurück in meine Gedanken. Sarah bringt mir noch eine Tasse Tee und geht dann wieder. Meine Mom war auch noch kurz bei mir, zum Fieber messen. Aber es geht. War anscheinend schon mal schlimmer. Und während ich hier gelegen bin, an die Decke gestarrt habe, ist mir das einzig richtige eingefallen: Ich werde jetzt Niall schreiben!

Warum hast du mir nichts gesagt?


*****

Halli Hallöchen meine Lieben! :D
Nach etwa zwei Wochen das nächste Kapitel. Tut mir leid, für's lange warten, aber ich hatte letzte Woche ein wenig Stress. :(

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Wenn ihr wollt, könnt ihr auch mal in meine anderen Storys rein schauen *Schleichwerbung ende* :D

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