12. Kapitel: Homeland

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"Wir bleiben in Kontakt, hm?". Ich nicke. Liam steht neben mir am Bahnhof, hält mir meinen Rucksack und wir warten auf meinen Zug, der gerade einfährt. „Na dann, viel Glück. Und lasse dich nicht runter ziehen. Und denk dran: Bei mir bist du immer willkommen". Er umarmt mich, drückt mir einen Kuss auf die Wange.

„Danke", murmele ich, aber er reicht mir nur meinen Rucksack und schiebt mich zur Zugtür.

„Bitte...". Liam winkt noch einmal und dann schließt sich die Tür. Und ich stehe da, mit meinen Krücken und dem Rucksack, fühle mich doch irgendwie verloren. Sehe, wie London an mir vorbeizieht. Aber es ist gut so. Oder zumindest besser als vorher. Ich werde ein Studium in Brighton anfangen, vielleicht wieder anfangen. Ich weiß es nicht. Vielleicht werde ich auch einfach Zuhause sitzen, Maria bei den Hausaufgaben helfen und hin und wieder durch Brighton streifen, mit einem Stadtplan und versuchen, mich an irgendetwas zu erinnern.

Egal, was es ist. Meine Mutter wird mir sicher dabei helfen. Schließlich muss es für sie bestimmt so schlimm sein, wie für mich und Niall, dass ich mein Gedächtnis verloren hat. Für eine Mutter muss das furchtbar sein, zu sehen, wie ihre Tochter all das vergessen hat, was man selbst und andere ihr beigebracht haben. Ich humpele zu meinem Platz, lasse mich fallen. Wie oft ich vor jetzt diese Strecke wohl gefahren bin? Bestimmt oft... Zu Niall. Gerne würde ich wissen, was er jetzt macht. Vielleicht ist er im Studio oder bei Louis. oder Liam. Schade eigentlich, dass ich ihn nie so richtig kennen lernen konnte. Er ist sicherlich nett. Oder er sitzt wie ich irgendwo, starrt irgendwo hin.

*

Ich seufze, rutsche tiefer in den Sitz und mache die Augen zu. Knapp eine Stunde Fahrt. Eine Stunde. Ich krame mein Handy raus, stecke die Beats ein, die laut Niall mir gehören. Eine Stunden, in der ich irgendwas tun muss. Und Musik hören wird es nicht tun.

Ich habe gerade die Augen geschlossen, als mein Handy vibriert. Ein Pop-Up blinkt auf. Niall.

Ich vermiss dich jetzt schon!

Viele traurige Smileys. Das soll er doch nicht. Er soll mich nicht vermissen. Ich starre auf die Nachricht, sehe immer wieder diesen traurigen Smiley, der einfach nur nach unten schaut und dieses rote, zerbrochene Herz und mein Herz bricht genauso. Ich weiß einfach nicht, was ich antworten soll. Ob ich antworten soll. Ich atme tief durch, schließe das Pop-Up. Besser so.

Er muss mich vergessen, er muss ein neues Leben anfangen. Irgendwie. Ohne mich. Er soll sich einfach neu verlieben, vielleicht irgendwann heiraten und mit seinem Mädchen Kinder kriegen. Nicht mit mir. Und er muss akzeptieren, dass es vorbei ist. Für immer. Ich werde in Brighton ein neues Leben anfangen, mir etwas aufbauen und das lass ich mir dann von niemandem zerstören. Irgendwann werde ich vielleicht in die Zeitung schauen und ihn im Anzug und eine Frau im Hochzeitskleid sehen und dann werde ich mir denken, dass er glücklich ist. Und ich werde es auch sein. Vielleicht finde ich auch jemanden. Nach einer halben Stunden Fahrt hängen meine Gedanken immer noch in London, bei ihm.

Und je länger ich nachdenke, desto mehr kommt es mir vor wie ein Fehler. Ein Fehler, dass ich ihm nicht eine Chance gegeben habe. Dass ich abgehauen bin. Dass ich in diesem Zug sitze. Dass ich nicht wenigstens geantwortet habe. Aber dann denke ich an alles, was in den letzten Wochen passiert ist, erinnere mich an dieses ekelhafte Gefühl der Überforderung und weiß, dass ich alles richtig gemacht habe.

*

Langsam könnte ich auch mal meine Mutter anrufen, ihr mitteilen, dass ich auf dem Weg nach Hause bin. Dass sie mich bitte vom Bahnhof abholen soll. Ich entsperre mein Handy - inzwischen hab ich sogar sämtliche Codes und Hintergründe geändert - und ich weiß nicht warum, aber ich öffne WhatsApp, gehe auf Niall's' Nachricht, schreibe:

Irgendwann wirst du es akzeptieren.

Dann rufe dann meine Mutter an.

„Hey Große. Schön, dass du dich meldest", lacht sie ins Telefon. Aus dem Hintergrund hört man ein begeistertes „Ist das Josy?" von Maria.

„Kannst du mich in einer halben Stunde vom Hauptbahnhof abholen?", falle ich gleich mit der Tür ins Haus. Ich höre sie kurz nach Luft schnappen.

„Was? Warum?" Maria im Hintergrund kichert wie eine Verrückte und flüstert immer wieder: „Kann ich das Telefon haben?". Ich hab so ein süßes Ding zur Schwester.

„Weil... Weil ich einen Neuanfang brauche. Ohne Niall", hauche ich. Ich brauche das. Ich kann nicht anders. Hab es mir in den letzten Stunden so oft gesagt.

„Oh... Ehm... Klar. Auf welchem Gleis kommst du an?"

„Auf 22". Ich hab das Gefühl, sie versteht mich. Ich weiß nicht, wieso. Aber ich bin mir ziemlich sicher.

*

„Josy!". Ich kann kaum schauen, da springt mir jemand in die Arme, umarmt mich so fest, dass ich fast keine Luft mehr bekomme. Maria.

„Hey Du", murmele ich, löse ihre kleinen Finger von mir. Meine Mutter steht ein wenig abseits, lächelt mich an.

„Komm Josy... Wir wollen heim...". Maria zieht an meiner Hand, ich humpele mit ihr zu Mama.

„Hey... Mama...". Es ist irgendwo immer noch komisch, das zu ihr zu sagen. Irgendwie. Immerhin ist sie für mich irgendwie immer noch eine fremde Person.

„Na komm, wir reden zu hause. Wenn du dich ein bisschen eingelebt hast". Nickend folge ich ihr und Maria zum Auto. Dann werd ich wohl jetzt mein Zuhause kennenlernen. Mal wieder.

*

Wir halten vor einem kleinen, schlichten, gelben Haus, eher außerhalb von Brighton. Von vorne sieht es aus, als hätte es einen kleinen Garten und auf dem Klingelschild steht unser Name: Fenrich. Familie Fenrich steht da. Im Vorgarten steht ein kleines Tor, in dem ein Ball liegt. Von wem ist das? Mama hat mir meinen Rucksack und meine Handtasche abgenommen und hält mir jetzt alle Türen auf. Ich folge einfach Maria, sie wird mich schon durch das Haus führen. Und auch wenn ich mich an nichts erinnern kann, fühle ich mich doch sofort hier heimisch.

Es fühlt sich an wie Zuhause. Wie sich ein Zuhause eben anfühlen muss. Das ganze Haus ist freundlich und hell eingerichtet. Es ist wirklich schön.

„Also Josy... Da oben... das ist dein Revier. Der Dachboden gehört dir. Den hast du damals mit Niall und seinen Kumpels hergerichtet". Sie wirft mir einen prüfenden Blick zu, als wolle sie wissen, wie ich auf Bemerkungen über ihn reagiere. Aber ich hab in den letzten Stunden so viel über ihn nachgedacht, dass ich einfach irgendwo abgehärtet bin.

Ich folge ihr nach oben, in mein Reich. Der Dachboden ist in drei Bereiche unterteilt. In dem einen Raum steht ein Bett und ein großer Schrank. Teil zwei ist eingenommen von einem Schreibtisch mit PC und allem drum und dran und einem riesigen Bücher und CD-Regal. Und Teil drei sieht aus wie ein Chill Out Area. Sitzsäcke, eine kleine Couch, Stereoanlage, ein kleiner Fernseher mit DVD-Player. Und eine Lavalampe. Ich muss einen tollen Geschmack gehabt haben. Mama stellt den Rucksack vor meinem Schrank ab, seufzt einmal.

„Ich bin dann wieder unten... Richte dich einfach mal ein... In gut einer Stunde, denke ich, wird's essen geben". Sie lächelt mich an, streicht mir leicht über die Haare.

Ich lasse mich erstmal auf mein Bett fallen, das erstaunlich weich ist. Und nach Niall riecht. Na toll.Mein Handy summt und ich erwarte fast den Namen, der auf dem Display steht.

Trotzdem werde ich dich immer lieben.

*****

Heeeeeey! :*

Wer freut sich auch auf heute Abend? *-* ICH!!!

Wer findet Ready to Run per-fect? O.o *-* ICH!!!

Vielen Dank für's Lesen ihr Lieben! :*** Und bis zum nächsten Kapitel!

Hab euch lieb! ♥♥♥

FrozenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt