26 Aus Marlons Perspektive

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Ich hoffte wirklich, dass meine Worte nicht zu deutlich waren. Aber es musste mal gesagt werden. Aufeinander zugehen ist ja gut und schön, aber wenn man sich dabei verbiegt ist eine Beziehung ja schon ohnehin zum Scheitern verurteilt. Auch wenn ich es wirklich sehr, sehr schade finden würde, wenn es mit Mathilda und mir nichts wird. Ich entsorgte die benutzte Spritze und begann eine Hühnersuppe zu kochen. Diese würde Mathilda mit Sicherheit gut tun. Währenddessen schweiften meine Gedanken zu dem Kardiologentermin morgen. Noch hatte ich Mathilda weder gesagt, dass dieser Termin anstand, noch wusste sie, dass ich diesen Kardiologen gut kannte. Wir hatten gemeinsam das praktische Jahr in einem großen Universitätsklinikum gemacht. Ich scrollte meine Liste im Handy durch und beschloss ihm über whatsapp zu schreiben. Bisher hatte unser Kontakt nur über Laras Kumpel stattgefunden.

Hi Maximilian na kennst du mich noch? Er antwortete sofort

Ja Marlon. Cool was für eine Überraschung. Schön von dir zu hören. Wie geht es dir?

Gut, danke. Und selbst?

Auch gut. Ich hab mich vor kurzem selbstständig gemacht. Zusammen mit einem Kollegen.

Ich weiß. Der Buschfunk hat es schon verkündet.

Soso... . Na dann. Bei mir ist der von dir aber noch nicht angekommen!

Ich habe die Praxis von meinem Vater übernommen.

Echt. Dann wohnst du ja ganz in der Nähe. Lass uns mal ein Bier trinken gehen.

Gerne. Aber davon abgesehen, werde ich morgen sowieso bei dir in der Praxis sein.

Warum? Was ist los? Willst du gleich vorbeikommen?

Ach quatsch. Nein. Nicht mit mir, meine Freundin. Immer wieder auftretende Synkopen. Die hätte ich gerne abgeklärt.

Ah, okay. Hm kann viele Ursachen haben, aber das weißt du ja selbst.

Genau. Also dann sehen wir uns morgen um 15 Uhr.

Ach für dich hat Mark den Termin ausgemacht.

Na ja, nicht direkt für mich.

Stimmt. Ich freu mich auf jeden Fall dich morgen zu sehen!

Ich mich auch. Dann bis morgen!

Bis dann. Genieße einen Abend!

Ich legte das Handy weg und schaute nach der Hühnersuppe, die sanft vor sich hin köchelte. In meinem Laptop suchte ich die Unterlagen von Mathilda zusammen um sie morgen mitzubringen. Ich hoffte sie war morgen wieder einigermaßen fit. Ich hörte Schritte aus dem Flur und sah wie eine verwuschelt aussehende Mathilda gerade das Wohnzimmer betrat. Sie sah nicht mehr so blass aus wie vorhin. Der Extraschlaf hatte ihr wohl gut getan.

"Hier riecht es gut." Sie lächelte mich an.

"Hühnersuppe. Die wird dir bestimmt gut tun," Ich lächelte sie an. Sie trat hinter mich und begann sanft meinen Nacken zu massieren. Es tat gut. Sie machte das gar nicht mal schlecht.

"Arbeitest du schon wieder?"

"Nein, nicht direkt. Ich habe gerade nur die Unterlagen für den Kardiologentermin morgen herausgesucht." Ihre Massage stoppte.

"Morgen? Wann?"

"Um 15 Uhr."

"Das geht nicht . Ich arbeite morgen bis 17 Uhr."

"Ich schreibe dich krank. Das ist kein Problem. Du solltest dich mit deiner Erkältung sowieso noch schonen."

"Das ist eine läppische Erkältung und keine Grippe Herr Doktor." Sie schaute mich mit funkelnden Augen an.

"Stimmt und genau mit der bist du heute morgen mit rasenden Kopfschmerzen und starkem Hustenreiz aufgewacht, oder???"

Sie verdrehte die Augen.

"Ja stimmt. Dann nehme ich eben ein Wick Daymed und dann passt die Sache wieder. Ich lege mich dann nach der Arbeit gleich ins Bett. Versprochen"

"Solange nicht abgeklärt ist, was hinter deinen plötzlichen Ohnmachtsanfällen steckt, wirst du gar nichts in dieser Art nehmen! Du bleibst morgen zuhause. Punkt."

"Gar nichts Punkt! Ich muss Projekte beenden. Ich kann nicht einfach immer fehlen. Ich habe wegen der Spiralengeschichte schon viel zu lange gefehlt!"

"Weißt du eigentlich wie lange man wartet bis man bei einem so fähigen Kardiologen wie Maximilian einen Termin bekommt???"

"Aha, Maximilian. Das heißt du kennst den auch noch???" Ein Hustenanfall unterbrach ihren Wortschwall.

"Ja, zufällig kenne ich ihn. Wenn du dich daran erinnerst, hat ihn aber der Kumpel von Lara dir empfohlen." Verdammt dass war der falsche Schachzug. Eigentlich wollte ich ihr erst morgen erzählen, dass ich den Kardiologen kannte.

Ich trat zu ihr und rieb ihr beruhigend über den Rücken, bis der Hustenanfall endlich abebbte. Ich reichte ihr einen Becher Tee, von dem sie mit leicht angewiderten Gesichtsausdruck einen Schluck nahm. Ich führte sie zum Sofa, wo sie sich hinsetzte. Ich legte meine Hand auf ihr Handgelenk und zählte ihren Puls. Sie schien sprichwörtlich auf 180 zu sein.

"Also, wie wäre es, wenn wir es so machen. Wir schauen mal, wie es dir heute Abend geht. Falls das Fieber auch ohne Medikamente unten bleibt darfst du von mir aus morgen arbeiten gehen und ich hole dich um viertel vor 3 ab. Falls das Fieber wieder hoch geht bleibst du zuhause und ich bespreche mit Maximilian das weitere Vorgehen, okay?"

Ich sah, wie es hinter ihrem Kopf arbeitete. Sie schien die Fürs- und Widers gegeneinander abzuwägen.

"Aber ich übernachte zuhause. Ich habe hier ja gar nichts dabei."

"Du schläfst hier. Ich werde nicht das Risiko eingehen, dass du mit deinem labilen Kreislauf in irgendeiner Ecke in deiner Wohnung liegst. Aber wir können nach dem Essen zu dir fahren und deine Sachen holen."

Sie seufzte tief.

"Aber es dauert doch sowieso immer nur kurz und ich bin ja auch nicht immer...."

Mit einem deutlichen Blick machte ich ihr klar, dass sie hier grade absoluten Schwachsinn von sich gab und einen sehr roten Hintern riskierte, wenn sie so weiter machte. Mathilda schien das Signal zu verstehen und schloss ihren vorwitzigen Mund.

"Gut machen wir es so." Sie kuschelte sich in meinen Arm und legte ihren Kopf an meine Schulter. Ich tastete nach ihrem Puls, der sich Gott sei Dank langsam wieder beruhigte und lauschte ihren tiefen, etwas rasselnden Atemzügen.

Teil 6 - Eine Verkleidung mit Folgen - unbearbeitetWhere stories live. Discover now