9 Aus Mathildas Perspektive

11.2K 195 2
                                    

Eilig verließ ich das Zimmer, murmelte nur einen kurzen Abschiedsgruß an die Sprechstundenhilfe und schnappte mir meinen Jacke. Das Blister mit den Tabletten stopfte ich in meine Jackentasche. In meinem Kopf war ein großes Durcheinander. Zwischen Unsicherheit,Trauer, einem kleinem bisschen Angst und einer gehörigen Portion Wut, war alles mit dabei. Wie konnte er nur? Ich rannte schneller als ich wahrscheinlich sollte zur Bushaltestelle. Sofort trat wieder ein leichtes Stechen im Gebärmutterbereich auf, auch die Einstichstelle schmerzte heftig.  Verdammt, er hatte es doch gesagt. Nach Atem ringend erreichte ich endlich die Bushaltestelle. Laut App wird innerhalb von 5 min. der nächste Bus kommen. Ich konnte es gar nicht erwarten, endlich wieder in meiner Wohnung zu sein. Mich dort einzuigeln und niemanden mehr zu sehen. Und jetzt wollte dieser Mistkerl sogar noch Kontrolle über die Tabletteneinnahme haben. Das konnte er sich sonst wohin stecken. Endlich kam der Bus. Ich stieg ein und ließ mich auf einen Sitz fallen. Ich zog mein Handy aus meiner Tasche. Lara hatte mir geschrieben. 

L: Na Süße, alles klar bei dir? Wie war die Untersuchung? Ich schrieb ihr schnell zurück 

Ach hör bloß auf. Alles okay bei mir. Aber er ist und bleibt ein A..... loch. 

L: Warum das denn? 

Dieser Kontrollfreak macht mich ganz einfach wahnsinnig. 

  Jetzt fang du nicht auch noch an. Ich soll jetzt das Blister mit den Antibiotikatabletten abfotografieren. Der hat doch nicht mehr alle! 

L: Na komm, du und Tabletten, dass funktioniert jetzt auch nicht wirklich. 

Habt ihr euch abgesprochen????????? 

Kein Kommentar. 

L: Pass auf dich auf, und immer brav Bilder schicken ;). Ich ruf dich heute Abend an. 

Der Bus hielt an meiner Haltestelle und ich stieg aus. Der Schmerz in der Gebärmuttergegend hatte zum Glück aufgehört. Langsam ging ich zu meiner Wohnung, schloss auf und schaute mich um. Es kam mir vor, als wäre es schon eine Ewigkeit her, seit ich zuletzt hier gewesen war. Ich ließ meine Tasche auf einen Stuhl fallen und ging erst Mal ins Bad zum Duschen. Ich zog mich aus, ließ die Kleider achtlos auf den Boden fallen und warf nur einen kurzen Blick in meinen Slip. Ein neuer,  allerdings relativ kleiner Blutfleck zierte die sonst blütenweiße Binde. So ein Mist. Was mache ich denn jetzt? Ich versuchte mich zu beruhigen und schloss mit mir selbst den Handel, dass falls ich nochmal stärker bluten sollte, ich mir dann ärztlichen Rat holen würde. Was Marlon jetzt wohl sagen würde. Sofort machte sich ein komisches Gefühl in meiner Magengegend breit und ich tat alles um den Gedanken an ihn zu verbannen. Ich stellte mich unter die Dusche und genoss das heiße Wasser auf meiner Haut, als ich meine Haut mit meinem Lieblingsduschgel bearbeitete drängte sich schon wieder der Gedanke an Marlons manchmal sanfte, oft auch fordernde Finger in mir auf. Verdammt noch mal. Der Typ machte  mich echt wahnsinnig. Frustriert trat ich aus der Dusche, wickelte mich in ein Handtuch und ging hinüber ins Schlafzimmer um mir frische Kleidung anzuziehen. Da es klar war, dass ich meinen Tag eher auf der Couch verbringen würde, zog ich bequeme Kleidung an. Nachdem ich mir in der Küche dann einen Kaffee gemacht hatte, wanderte ich ins Wohnzimmer. Was sollte ich denn nun den ganzen Tag machen. Mir ging es doch gut. Eigentlich könnte ich schon zur Arbeit. Na ja, einen Tag Pause gönne ich mir noch  aber morgen werde ich schon wieder gehen. 

Mein Handy klingelte, sofort beschleunigte sich mein Pulsschlag. Ob das Marlon war? Ich nahm mein Handy in die Hand und schaute auf die Nummer. Gott sei Dank nicht Marlon, sondern nur mein Chef. 

„Hallo, ja, mir geht es deutlich besser. Danke. Ich denke ich kann morgen wieder zur Arbeit kommen. Was hat er? Aha, gut ja dann sehen wir uns am Mittwoch. Ja ich schone mich. Tschüs bis dann!" 

Das war jetzt nicht sein ernst. Er hatte tatsächlich bei mir in der Arbeit angerufen um zu sagen, dass ich die nächsten Tage nicht komme. Ging es noch übergriffiger. Ich spürte wie die Wut in mir schon wieder hochkochte. Ich tigerte in der Wohnung hin und her. Wie sollte ich damit jetzt weiter umgehen? Meine Lust mich weiter von ihm behandeln zu lassen, war gerade nicht sonderlich groß. Sein Vater praktizierte nicht mehr und meine  bisherige Frauenärztin wird mich sicherlich auch nicht mehr sehen. In die nächst größere Stadt zu fahren, wollte ich allerdings auch nicht. Ich ließ mich wieder auf die Couch fallen und versuchte mich auf die Sendung, die im Fernsehen lief ,zu konzentrieren. Bald wurden mir die Augen schwer und ich döste ein. 

Gefühlte Stunden später wachte ich wieder völlig verspannt mit Kopfschmerzen auf dem Sofa auf. Ich stand auf und reckte und streckte mich. Es war schon gegen 5 Uhr nachmittags. Ich rief kurzentschlossen Lara an. 

„Hallo Lara, na bist du schon zuhause?" 

„Ja bin ich. Na wie geht's dir. Hast du dich auch brav geschont?" 

„Ich bin auf dem Sofa eingeschlafen, also mehr schonen kann man sich ja nicht. Weißt du was Marlon gemacht hat? Er hat bei mir in der Arbeit angerufen, dass ich die nächsten Tage nicht komme. Sowas von übergriffig!" 

„Ach komm jetzt reg dich nicht so auf. Er kennt dich eben schon gut. Es war ihm klar, dass du dich nicht schonen wirst. Und du weißt doch genau, dass das für deinen Heilungsverlauf nötig ist. Und da du scheinbar nicht auf dich aufpassen kannst, erledigt er das für dich." 

Ich schnaubte nur." Ich bin selber groß!" 

„Ja scheinbar nicht groß genug." 

„Sag mal, habt ihr beide euch jetzt verbündet?" Langsam war ich echt sauer. 

„Nein, haben wir nicht. Ich bin immer auf deiner Seite. Aber ich glaube, dass es dir gut tut, wenn du jemand hast, der ein bisschen auf dich aufpasst und bei dem du ein Stück weit die Kontrolle abgeben kannst." Hm nun wusste ich nicht was ich sagen sollte. Mir war bewusst, dass Lara recht hatte, aber mein verfluchter Stolz war mir wieder mal im Weg. 

„Deshalb habe ich euch beide ja auch miteinander bekannt gemacht. Ich dachte, dass könnte ganz gut passen." 

„So, dachtest du das. Ich möchte aber keinen Freund, der mit jede Entscheidung abnimmt und über sämtliche Bereiche meines Lebens bestimmt." 

„Das gerade ist natürlich auch eine Grenzsituation. Du musst dich ja jetzt auch nicht entscheiden. Lass ihn doch jetzt einfach dein Arzt sein, er ist nämlich wirklich gut und wenn du wieder fit bist, dann kannst du ja schauen, was sich daraus entwickelt.  "

„Aber ich kann mit seiner Art einfach nicht. Es ist nie vorherzusehen, was er im nächsten Moment tut. Weder als Arzt, noch als Mann. Ich kann mit so jemanden nicht umgehen!" 

Ich hörte Lara seufzen. „DU sollst auch nicht mit ihm umgehen, sondern er mit dir! Lass dich einfach mal fallen. Du wirst sehen, dass dir das gut tut. Du musst nicht immer kämpfen. Marlon wird gut auf dich aufpassen, versprochen!" 

„Wenn du das sagst." 

„Sag ich. Mach es euch beiden nicht so schwer. Ihr 2 passt echt gut zusammen. Glaub mir." Dadurch dass Lara schon die meisten unserer gemeinsamen Freundinnen verbandelt hatte, schien sie wirklich ein Händchen dafür zu haben. 

„Wenn du dich da mal nicht täuschst." 

„Tu ich nicht. Weißt du doch." 

„So und jetzt nimmst du brav das Antibiotikum, schickst Marlon das Bildchen und gut ist." 

Wieder meldete sich das kleine Teufelchen in mir. 

„Und was, wenn ich es nicht tue?" Jetzt war ich auf Laras Reaktion gespannt. 

„Probiere es lieber nicht aus. Wahrscheinlich wird er dich sonst übers Knie legen. Und das scheint dir ja nicht soo zu gefallen haben." Sie kicherte leise. 

„Hat er dir das erzählt????" 

„Hat er. Er war nämlich ähnlich frustriert mit dir, wie du mit ihm." 

„Hm." Das beruhigte mich jetzt etwas, dass es ihm genauso ging wie mir. 

„Lara?" 

„Ja?" 

„Danke!" 

„Gern geschehen und jetzt schlaf gut und schone dich noch ein bisschen. Ich melde mich morgen wieder bei dir." 

„Du auch, bis morgen!" 

Teil 6 - Eine Verkleidung mit Folgen - unbearbeitetWhere stories live. Discover now