Liegen lassen

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Ramon dachte sich: „Ach, der wird schon wieder, dafür ist er selber schuld", nahm seine Freundin an den Arm und verschwand aus dem Raum. Schnell gingen sie wieder zurück, wo sie hergekommen waren, möglichst schnell raus aus der Höhle und zurück zum Boot. Doch als sie an dem Ort ankamen, an dem sie eigentlich zu ihrem Boot kommen sollten, stießen sie nur auf blanken Fels. „Der hat den Gang wieder zu gemacht, deshalb hat den bisher niemand gefunden", rief Ramon aus und probierte, den riesigen Brocken zu bewegen. Aber selbst mit vereinten Kräften gelang es ihnen nicht mal, den Stein auch nur ein kleines bisschen zu bewegen. „Der muss irgendeinen Hebel gehabt haben", dachte Ramon laut und Valerie fiel ihm ins Wort: „Es gibt sicher einen anderen Ausweg, los, lass uns von hier weggehen, bevor der Braunkittel wieder aufwacht!". Ramon musste ihr zustimmen und eilig rannten sie zurück, wo sie hergekommen waren. Diesmal allerdings bogen sie in den Gang ab, bei dem Ramon sich vorher überlegt hatte, sich zu verstecken und folgten ihm, bis sie zu einer eingestürzten Decke kamen. Sie entschieden sich, hochzuklettern und in dem Gebäude, in dem sie rauskamen nach einem alternativen Aufgang zu suchen, aber das stellte sich als nicht besonders einfach heraus, denn erst nach 15–minütigem Herumirren kamen sie zu einem Loch in der Wand, durch das sie endlich in die Freiheit entweichen konnten. Es war richtig schön, wieder die warme Sonne auf ihrer Haut spüren zu können, doch lange genossen sie es nicht, denn schon meldete sich Valerie zu Wort: „Komm schon, wir müssen das der Polizei melden, wir haben den berüchtigten Braunkittel überwältigt, vielleicht kommen wir dafür sogar in die Zeitung!". Ramon teilte ihren Enthusiasmus zwar nicht, entschied sich aber, dass es eine gute Idee war, das der Polizei zu melden und dementsprechend fragten sie sich durch den Markt, bis sie zu einer Polizeistation kamen. Die Station war nicht besonders groß, aber es war angenehm kühl im Inneren, als sie warteten, bis sie an der Reihe waren. Vor ihnen beschwerte sich eine ältere Frau über ihren Ehemann „Sind sie sicher, dass es nicht verboten ist, mich zu verlassen? Ich meine, so eine perfekte Frau wie mich darf man nicht einfach so verlassen!". Als die Frau sich endlich abwimmeln ließ, waren sie an der Reihe und erzählten angeregt über ihren Kampf gegen Braunkittel. „Mit einem Hammer? Mhm, ich schicke ihnen einen Streifenpolizist mit auf den Weg, zeigen sie ihm, wo sie ihn gefunden haben" murmelte der ansässige Polizidz und brüllte dann schnell irgendwelche Zahlen und Codes in ihr Funkgerät, „An alle 20, wir haben hier einen Code 30, bitte kommt jemand nach 77, 2 Code 50 warten dort auf euch, Ende!". Ramon verstand nur 50, denn 50, hatte er sich gerade ausgemalt, heißt für ihr jetzt 'Bahnhof'. Kaum konnte er seinen Gedankengang zu Ende führen, zeigte der Polizist auch schon Richtung Markt. „Wartet am Anfang des Markts beim Schild an der Ecke der Rotindastrasse, in einigen Minuten sollte euch jemand dort aufgabeln". Ramon und Valerie gehorchten und gingen runter zur besagten Strasse und warteten. Während sie warteten, malten sie sich schon aus, was wohl jetzt passieren würde, ob sie eine Belohnung kriegen würden und ob die Zeitung sie wohl wirklich interviewen würde. Nach 5 Minuten war der Streifenpolizist auch schon da und winkte ihnen zu, als Zeichen, herzukommen. Folgsam traten sie zum Auto und erklärten dem Polizisten die Sachlage. Dieser meinte daraufhin „Okay, wartet hier, ich stelle da Auto eben kurz vor der Polizeistation ab und komme dann wieder zu euch". Weitere 5 Minuten später kam er zurückgetrottet und Valerie zeigte ihm das Loch in der Wand. 

Der Polizist nahm seine Taschenlampe hervor und folgte ihnen in die alte Lagerhalle. „Äääähm, Val, wo war jetzt schon wieder diese Höhle?" flüsterte er seiner Freundin in Deutsch zu, damit der Polizist ihre Verwirrung nicht bemerkte und Valerie zeigte nach rechts. „Wir sind vorher von Links gekommen, also müssen wir diesmal nach rechts" sagte Valerie und lief voran. Nach einigen Minuten kamen sie tatsächlich wieder zu dem Raum, unter dem die Höhle startete und sie sprangen runter. Vorsichtig tasteten sie sich erneut die Höhle runter und kamen dann zu dem Raum, wo sie Braunkittel zuletzt gesehen hatten. Ramon hatte schon Angst, einen leeren Raum anzutreffen, aber es wurde noch schlimmer. Der Typ war noch immer am Boden und Fliegen tummelten sich auf der schon fast ausgetrockneten Blutlache. Seine Augen waren absolut leblos und er lag noch genauso da, wie sie ihn verlassen hatte. Valerie wurde von Brechreizen geplagt und auch Ramon musste sich zusammenreißen. Der Polizist wiederum blieb ganz ruhig und sprach in sein Funkgerät. „Code 37, Code 37", merkte aber schnell, dass er hier unten keinen Empfang hatte. Kurzerhand sagte er zu Ramon und Valerie „Ihr bleibt hier" und eilte schnellen Schrittes davon. Valerie konnte nicht in dem Raum warten, also setzten sie sich vor dem Raum auf den Boden. 15 Minuten später kamen mehrere Polizisten zurück und 2 Sanitäter nahmen die Leiche des Braunkittels und trugen ihn davon. Der Polizist, den sie vorher schon hierher geführt hatten tauchte wieder vor ihnen auf „Ok, kommt mit, wir müssen in die Polizeistation und euch umgehend befragen" meldete sich der Streifenpolizist wieder zu Wort und machte ihnen mit einer Handbewegung klar, mitzukommen. 10 Minuten später sassen sie auch schon wieder in einem klimatisierten Befragungsraum der Polizeistation und warteten, bis ihr Befrager den Raum betreten würde. Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich fertig mit den Fragen waren, vergewisserte sich Ramon: „Können wir jetzt gehen? Wir müssen noch packen für unseren Abflug morgen", aber so schnell ließen die ihn nicht gehen. Der Polizist antwortete nämlich mit ernster Stimme „Sie bleiben erst mal hier, ihre Geschichte weist viele Lücken auf, ausserdem haben sie diesen Mann ermordet". Ramon meinte „Er war ja sowieso ein Mörder, das wird ja wohl nichts ausmachen, ausserdem war es Notwehr". Aber der Polizist erwiderte „Notwehr kann jeder behaupten, ausserdem: Der Mörder, den ihr meint, ist längst über alle Berge, als er am Markt gesehen wurde, war der gerade dabei, das Dorf zu verlassen, deshalb wurde er überhaupt gesehen". Ramon verstummte, es hatte ihm die Sprache verschlagen, die nächsten 30 Sekunden brachte er kein Wort heraus. „Heißt das jetzt...", wollte Ramon fragen, aber schon antwortete der Polizist: „Nein, keine Angst, das wird morgen alles der Richter entscheiden, rufen sie zuhause an, dass sie später kommen, für einen neuen Rückflug sorgen wir. Aber erscheinen sie auch, der Prozess startet Morgens um 8 Uhr.". „Wird schon gut werden", flüsterte Valerie Ramon mit ihrem unbremsbaren Optimismus zu und dann gingen sie gemeinsam, Arm im Arm aus der Station raus. Auf ein Gericht hatte Ramon eigentlich keine Lust, trotzdem legte er sich bereits am Abend das schönste Kleid raus, dass er dabei hatte. Das Kleid hatte er extra mitgenommen, um mit seiner Freundin exquisit essen zu gehen, jetzt würde er es halt erneut brauchen. Am nächsten Tag verlief alles rund, wie der Polizist vorhergesagt hatte. Da die beiden schnell wieder weg gehen mussten, konnte ein spontaner Termin organisiert werden, in einem kleineren Raum zusammen nur mit einer Richterin. Ramons Argumente bezüglich Notwehr kamen ohne Probleme durch, da Vallerie als Zeugin aussagen konnte und die Leiche näher untersucht wurde. So sassen sie am Nachmittag bereits im Flieger, als freie Menschen. Aber es war trotzdem alles anders, Ramon war ein Mörder geworden, er hatte einem armen Obdachlosen das Leben genommen und das liess Ramon keine Ruhe.

Ende! Entkommen oder nicht, du bist und bleibst ein Mörder

Mit dem Mörder in den Ferien - EntscheidungsgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt