Das Kapitel mit der Kindesmisshamdlung

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Der Shake hatte Anastasia nicht umgebracht. Er hatte einfach widerlich geschmeckt und jetzt durfte sie mit Magenschmerzen und bei vollem Bewusstsein dabei zuschauen, wie Ella ihre Koffer packte. Auch Mira kauerte ganz bekümmert auf ihrem Bett. "Wann geht dein Zug?", fragte sie leise. "Morgen früh um halb sieben", antwortete Ella und warf Anastasia einen traurigen Blick zu. "Schwörst du mir, dass du Kai töten wirst?", fragte diese, während sie die Wärmflasche auf ihrem Bauch wendete. "Schätzchen, das kann ich nicht tun. Aber glaub mir, er wird leiden." Ella setzte sich auf den Deckel ihres Koffers, um dessen Inhalt irgendwie noch mehr zu quetschen, damit sie den Reißverschluss schließen konnte. Mira krabbelte über den Boden und ging ihr schweigend zu Hand. "Du wirst mir so fehlen", seufzte Anastasia. "Wen hab ich denn sonst in diesem verkorksten Haushalt?" "Henry", antwortete Ella ernst, obwohl sie dabei lächelte. "Ich bin mir nicht so sicher, ob ich mich auf sein IQ verlassen kann", sagte Ana grimmig. Ella lachte. "Das kannst du, glaub mir. Ansonsten verbünde dich mit Mira. Ich glaube, ihr beide packt das gemeinsam ganz gut. Wenn die Sache mit deinem Vater geklärt ist, wird er dir auch zur Seite stehen. Maus, diese Familie ist gar nicht so schlimm wie du denkst." Sie fuhr zärtlich durch Ana's Haare, was in dem Moment eine sehr tröstende Geste war. "Du hast Recht", seufzte sie. "Leider hat hier jeder seine eigenen Probleme. Und alle haben sie einen echt krassen Hirnschaden." "Hey!", protestierte Mira. "Scht", machte Ella und zog ihren Koffer zur Tür. "Wenn ihr euch auch noch streitet, läuft hier gar nichts mehr. Will jemand mit mir Eis essen?" "Ich!", kiekte Mira und sprang sofort auf. Anastasia winkte ab. "Geht ihr nur. Ich muss erst mal diese abartige Kartoffelpampe verdauen. Ich glaub, die Milch da drin war abgelaufen." Stöhnend drehte sie sich auf den Bauch, während die beiden anderen lachend in die Küche stürmten. Doch anstatt dass sie ihre Ruhe hatte, klopfte es an der Tür. "Ja?" "Hallo." Das war Moritz' Stimme. "Hi, Kleiner", sagte Anastasia, ehe sie sich mühsam aufsetzte. "Bist du krank?", fragte Moritz besorgt und kam auf sie zu. Sein linker Arm war eingegipst, aber ansonsten schien es ihm ganz gut zu gehen. "Ich habe Kartoffelshake a la Mareike probiert." Anastasia verzog gequält das Gesicht. "Das war keine gute Idee." Moritz strich sich lachend eine dunkelblonde Locke aus dem Gesicht. Fast sah er sogar so aus wie Tim in klein. Nur waren seine Haare ein wenig dunkler und seine Augen braun und nicht blau. "Wie geht's dem Hund, den du überfahren hast?", fragte Ana grinsend. "Er ist tot. Sein Frauchen hatte einen Herzinfakt." Moritz zeichnete kleine, unsichtbare Kreise auf den Holzboden. "Oh", war alles, was Anastasia dazu einfiel. "Könntest du Stephen kurz hoch holen?", fragte sie dann. Moritz rappelte sich nickend auf und verschwand dann mit kleinen, kindlichen Schritten aus dem Raum.

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Stephen war gerade damit beschäftigt, die Einkäufe in den Kühlschrank zu räumen, als Susi mit dem Staubsauger in die Küche gerannt kam. "Geh da weg!", schrie sie und machte hysterische Armbewegungen. "Schatz, das ist grade unpassend. Hallo erst mal", fügte er genervt hinzu. Man konnte hier wirklich nie seine Ruhe haben. "Da oben an der Decke ist eine Spinne!", rief Susi kreidebleich, während sie mit zittrigen Fingern den Stecker in die Steckdose fummelte. "Mensch, jetzt beruhig dich mal! Bist du etwa Epileptikerin?" Stephen begann sich ernsthafte Sorgen zu machen. "Ich muss sie einsaugen, bevor sie ihre Eier legt!", kreischte Susi. In dem Moment kamen Ella und Mira in die Küche gerannt. "Kinder, hier ist eine Spinne!", rief Susi aufgewühlt. Stephen stand vor der geöffneten Kühlschranktür, in der einen Hand einen Joghurt, in der anderen eine Leberwurst. "Baah!", brüllte Mira und geriet völlig außer sich. "Mama, mach' die weg! SOFORT!" Derweil sprang Ella kreischend umher und schüttelte sich. "Wie ist die nur reingekommen?", fragte Susi ängstlich und zog das Kabel des Saugers lang. "Stephen, wir besitzen ein Fliegengitter! Glaubst du, wir haben irgendwo ein Nest mit Eiern drin?" Sie drückte ihm schreiend den Staubsauger in die Hand. Mira und Ella kreischten sich gegenseitig an. "Ihr spinnt wohl!", sagte Stephen verärgert. "Es ist bloß eine kleine Spinne. Die kommen immer irgendwie rein." Er schaltete den Sauger an und hielt den Stiel in Richtung Spinne, welche nun aufgeregt die Decke entlangkrabbelte. Die drei Frauen, die vollkommen ängstlich hinter seinem Rücken standen, erhöhten die Tonlage ihrer Schreie um eine Tonlage. Unterdessen jagte Stephen der Spinne hinterher, die im Begriff war, sich hinter einem der Schränke zu verstecken. "Saug sie ein!", brüllte Mira aufgelöst. "Ja doch!", schimpfte er über das Dröhnen des Saugers hinweg und hatte das Tier innerhalb der nächsten Sekunden eingesaugt. "Himmelherrgott", stieß er kopfschüttelnd hervor, als es an der Tür klingelte. "Ich geh schon!", rief Moritz von der Treppe aus.

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