Das Kapitel, in dem es total beschissen weitergeht

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Anastasia hockte zwischen den Umzugskartons und starrte wütend vor sich hin, während ihr Vater versuchte, sie zu beschwichtigen. "Susi ist wirklich nett und ihre Kinder auch. Du wirst sie bestimmt sofort mögen." Anastasia schnaubte und er robbte näher an sie heran und strich durch ihr Haar. "Mensch Ana, nun freu dich doch für mich." "Ich soll mich freuen?", rief sie aufgebracht und sprang auf. "Worüber denn? Mein Vater lernt eine Frau kennen und will mit ihr und ihren Kindern, deren Namen ich noch nicht einmal kenne, zusammenzuziehen und ich werde nicht gefragt. Was soll sein? - Außer Krieg!" Sie riss sich von ihm los und stürmte aus dem Raum. "Ich hab dich doch gefragt!", rief er ihr hinterher. "Und ich hab nein gesagt und du tust es trotzdem! Hau rein, der Umzugswagen ist da!", brüllte sie zurück und marschierte auf den Balkon. Sie hatte beschlossen, ihre Hände nicht an diesen Umzugskartons dreckig zu machen. Ihr Vater wollte umziehen, dann sollte er auch die Arbeit erledigen.

Anastasia verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sich seufzend auf den alten Gartenstuhl, während sie den, mit tausenden Hundehaufen übersähten Garten unter sich beobachtete. Den Gestank würde sie auf keinen Fall vermissen.

Jedoch würde sie nach Düsseldorf ziehen, was für eine Kölnerin der reinste Horror war und was das anbelangt hatten sie und ihr Vater einen heftigen Streit nicht umgehen können. Aber Anastasia's Vater war ihr hitziges Temperament und ihre besserwisserische, teils respektlose Art gewöhnt und wusste daher mit ihren Wutanfällen umzugehen. Diesen Charakter hatte sie ganz klar von ihrer portugisischen Mutter geerbt und das glatte, dunkelbraune Haar hatte sie ebenfalls von ihr. Das einzige an ihr, das ihrem Vater ähnelte waren die Augen, die ungefähr die Farbe von Sellerie hatten. Ansonsten konnte man nicht erkennen, dass sie Vater und Tochter waren.

"Mensch Anastasia, bitte hilf mir mal." Sie lehnte sich über das Balkongeländer, ohne ihrem Vater auch nur eines Blickes zu würdigen. "Du willst deine große Liebe, du kriegst deine große Liebe. Aber dazu gehört auch immer etwas Arbeit, nicht?", antwortete sie und drehte sich nun doch um. Lächelnd tätschelte sie seine Schulter, reckte das Kinn und stolzierte an ihm vorbei. Mit schnellen Schritten durchquerte sie das Labyrinth aus Umzugskartons und trat aus der Wohnungstür. Wenig später lief sie durch den kalten Nieselregen und sperrte sich im Auto ein. Ganz toller erster Ferientag, echt!

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Henry trat zornig gegen die dicken Reifen des Umzugswagens, der soeben vor ihrer Haustür gehalten hatte. Seine Mutter und sein kleiner Bruder Moritz hatten sofort angefangen, eifrig die Kartons hinauszutragen, aber er sah es nicht ein, für die Fahrt in die Hölle auch noch das Ticket zu kaufen. Moritz war 12, ihn hatte ihre Mutter leicht beeinflussen können, aber er war 17 und wusste, was er tat. "Holst du mal deine Schwester? Ich glaub, die schläft noch, aber ihre Freundinnen sind gekommen.", flötete seine Mutter und nahm die nächsten zwei Kartons mit. Drei Sekunden später kam eine Horde 14-Jähriger Mädchen ins Haus und er spürte schon jetzt, dass es ein beschissener Tag werden würde. "Was wollt ihr? Habt ihr kein zuhause?", schnauzte er und verschränkte die Arme. "Ein bisschen mehr Respekt vor der Clique deiner Schwester, Freundchen!", ermahnte ihn seine Mutter, die gekommen war, um die nächste Kiste durch den Regen zu befördern. "Wir haben ihr ein Geschenk gemacht!", quietschte eines der Mädchen und presste sich theatralisch eine Träne aus dem Augenwinkel. Henry verdrehte die Augen und fasste den Fuß des Treppengeländers. "Mira!", brüllte er dann. "Boa, was willst du?", schrie diese zurück. "Deine Bande ist da und sie nervt!", antwortete er mit angepisstem Unterton. Kurz darauf kam Mira die Treppe hinunter gelaufen. "Nenn' uns nicht Bande, kapiert? Banden sind was für Babys und jetzt geh'!", erwiderte sie und fiel dann ihren Freundinnen um den Hals. Und da Henry keinen Bock auf diese nervigen 14-Jährigen hatte, schnappte er sich nun doch einen Karton und trug ihn zum Umzugswagen. Mit Kölnern zusammenziehen, pfff! Er war Düsseldorfer mit Herzblut und erfüllte seiner Mutter den Gefallen, mit ihrem neuen Freund und dessen Tochter zusammenzuziehen, äußerst ungern. Wie hieß die noch gleich? Auf jedenfall war es ein völlig bizarrer Name und er hatte beschlossen, der neuen Familie das Leben zur Hölle zu machen, denn er hasste sie jetzt schon.

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"Hi Ella! Während du die letzten Sonnenstrahlen des Jahres gerade auf irgendeiner Sonnenliege in Kreta einfängst, muss ich mit Papa's neuer Freundin zusammenziehen", sagte Anastasia in die Innenkamera ihres Handy's und filmte dann die Autobahn, auf welcher sie sich inzwischen befanden. "Mein Beileid", seufzte ihre Freundin und im Hintergrund hörte man das Rauschen des Meeres. Bekümmert blickte Anastasia in die warmen braunen Augen ihrer besten Freundin, die sie durch ihren Handybildschirm ansahen. Nun hob Ella ein Glas Cola in die Bildfläche und nahm einen großen Schluck davon. "Ella, kannst du bitte aufhören, vor meiner Nase zu demonstrieren, wie wundervoll du deinen ersten Urlaubstag genießt? Ich fahre gerade in die Krisen des Lebens, nach Düsseldorf, kapierst du das nicht?", winselte Anastasia. "Ana, bitte pack dein Handy weg, du machst mich noch ganz kirre mit deinem Selbstmitleid!", schimpfte ihr Vater. Demütigend. "Ach stimmt Vati, ich hatte ganz vergessen, dass ich mich auf die neue Familie freuen soll, wer auch immer das ist",heuchelte sie in sarkastischem Unterton. "Oh sorry Ana, aber meine Aerobic-Stunde fängt gleich an und ich muss noch den Bikini wechseln! Dieser Fitnesstrainer sieht ja so gut aus... Also, bye!", kam es aus den Lautsprechern von Anastasia's Handy, dessen Bildschirm fast augenblicklich schwarz wurde. "Ich hätte mit ihr nach Kreta fliegen sollen!", schmollte Anastasia und beobachtete, wie die Regentropfen am Fenster ein Wettrennen veranstalteten. "Aber du kennst Susi's Kinder doch noch gar nicht!" "Das ist es ja! Ich ziehe mit Menschen zusammen, denen ich vorher noch nie begegnet bin!" "Ja, aber diese Menschen werden ab sofort deine Familie sein. Und Susi ist bestimmt so eine gute Mutter, du brauchst jemanden mit weiblichem Einfluss und-" "Oh nein, Vater, da diskutiere ich gar nicht erst drüber! Susi wird niemals das sein, was Mama einmal für mich war!" "Aber-", setzte ihr Vater an. "Gespräch beendet!",fauchte Anastasia.

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"Und ich will, dass du dich zusammenreißt, hast du das verstanden, junger Mann?", sagte seine Mutter streng. Henry nickte widerwillig und stieg aus dem Wagen. Mira kicherte. "Dasselbe gilt für dich, Fräulein!" Henry warf seiner Schwester einen triumphierenden Blick zu. Er hasste es, wenn sie dachte, sie sei etwas besseres. Aber jetzt durfte er sich nicht darüber aufregen, jetzt musste er das Haus begutachten. "Alter, ich will nicht in Itter wohnen, Itter ist richtig arm! Ich will zurück nach Benrath!", motzte er und sah sich das weiße Haus an, dass genauso aussah wie die zwanzig anderen im Umfeld. "Boa nee, oder? Ich hasse Neubaugebiete Mama!", schrie Mira, die ebenfalls aus dem Wagen gestiegen war. "Also ich find's toll", sagte Moritz und strahlte. "Grins nicht so blöd, Moritz! Du bist 12, du musst mal sowas wie eine eigene Meinung entwickeln!", brummte Henry, woraufhin seine Mutter leicht in seinen Nacken schlug. "Wieso? Ist doch meine Meinung.", verteidigte sich Moritz, wofür er eine Umarmung von seiner Mutter erntete. Danach schaute diese auf ihre Armbanduhr. "Sie müssten jeden Moment kommen", sagte sie und dann rollte ein dunkelblauer Sportwagen gefolgt von einem weiteren Umzugswagen um die Ecke. Na super!

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