Das Kapitel mit dem Fehler

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Anastasia zog sich ungläubig den Motorradhelm vom Kopf. Kai hatte sie doch tatsächlich zum Strand gebracht! Eiskalt und grau floss das Rheinwasser an ihnen vorbei und der frische Wind hinterließ ein Kribbeln in ihren Wangen. Aber Kai hatte sich mächtig Mühe gegeben, das sah man an dem kleinen runden Tisch, auf dessen weißer Decke ein Dinner in Miniformat aufgetischt war. Auf den zwei Stühlen lagen Decken, damit es beim Essen nicht zu kalt wurde. "Das.. Wow", brachte Ana hervor, während sie sich zu Kai umdrehte. "Denk an die halbe Stunde!", fügte sie alamierend hinzu. Dabei wusste sie jetzt schon, dass die Schule sie heute nicht wiedersehen würde. Nicht nach dem Rotwein und nicht nach dem tollen Essen. Kai hatte seine Sache geschickt gemacht. "Setz dich", sagte er lächelnd und rückte ihr den Stuhl zurecht. Anastasia ließ sich, immer noch fassungslos, darauf nieder. "Du bist so ein Vollidiot", schimpfte sie. Kai lachte amüsiert. "Warum das denn?" "Weil ich dich jetzt nicht mehr hassen kann." Sein Gesicht wurde ernst, als er sich über den Tisch beugte. "Also nimmst du meine Entschuldigung an?", fragte er leise. Ana geriet ins Stocken. "Was für eine Entschuldigung?" Sie umklammerte den Henkel ihres Weinglases und nahm zwei, drei große Schlucke. So würde es gleich besser werden, das wusste sie. "Ich habe mich dafür entschuldigt, so ein Arschloch gewesen zu sein. Also, verzeihst du mir?" Kai lehnte sich langsam wieder zurück, hielt aber sehr starken Blickkontakt. "Das weiß ich erst nach dem Essen", sagte Anastasia und klappte den silbernen Deckel von ihrem Teller um. Wein zeigte bei ihr immer nach nur wenigen Schlucken seine Wirkung. Und es war besser, dieses Date betrunken hinter sich zu bringen, als nüchtern! "Ich muss es jetzt wissen", drängte Kai. Anastasia schaufelte sich zwei Gnoccis in den Mund und sah ihn fragend an. "Ob du mir verzeihst!" Kai wurde allmählich ungeduldig. "Ja, mein Gott!", rief Ana und er zuckte zusammen. Sie kicherte, dann leerte sie ihr Weinglas, welches sie danach eigenhändig wieder auffüllte. So gefiel es ihr. Im Dämmerzustand am Rhein, bei einem Date mit ihrer ersten großen Liebe, die sich als schuldbewusst und erwachsen entpuppt hatte. Das Leben hatte doch seine Schokoseiten.

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Mira saß mit ihrer Mutter, Mareike und Torben am Mittagstisch und genoss die warme Gemüsebrühe. Es war doch ziemlich kalt geworden. "Ich brauche noch ein Halloweenkostüm", fiel ihr plötzlich ein, als sie an Freitag dachte. "Och wieso?" Mareike musterte sie abschätzend. "Geh doch so." "Danke", erwiderte Mira matt, nachdem sie einige Sekunden darüber nachgedacht hatte, ob es sich lohnte, Mareike zu trauen. "Sei doch nicht so gemein!", sagte Susi entrüstet, ehe sie ihren Busen frei schaufelte, um Torben zu stillen. Mira starrte peinlich berührt auf die Tischplatte. "Jetzt im Ernst", sagte sie dann. "Ich brauche ein Kostüm." "Also ich find's immer funny, sich selber welche zu kreieren", sagte Mareike. "Ich zum Beispiel gehe als Monster-Hebamme." Sie kicherte vergnügt vor sich hin. "Das ist eigentlich eine gute Idee", meinte Susi nickend und strahlte Mira an. "Du verbindest Halloween mit deinem Leben und suchst dir was von dem, was wir da haben." Mira legte den Kopf schief. Das Gespräch nahm einen anderen Lauf als sie gehofft hatte. Es wäre praktisch gewesen, wenn ihre Mutter ihr einfach Geld gegeben hätte, aber so musste sie sich ernsthaft Gedanken darüber machen, selber ein Kostüm zu erstellen. "In deinem Fall könntest du dir einen Pfeil in die Brust stecken und dir das Motto Amor hat mich mit dem Falschen abgeschossen  um den Hals hängen." Kaum dass Mareike zuende gesprochen hatte, brüllten sie und Susi vor lachen. Mira hingegen kam sich leicht gemobbt vor. "Wie witzig", sagte sie trocken und schob sich den letzten Löffel Brühe in den Mund. "Oder", rief Susi prustend, "Oder du gehst als Selbstmörderin. Nach dem Motto Ich habe keine Freunde." Wenn möglich, lachten die beiden noch schallender, was Mira zur Weißglut trieb. "Ich habe Freunde!", rief sie zornig. "Nur noch keine auf der neuen Schule. Mama, weißt du eigentlich, wie mies das ist, dass du dich hier lustig über mich machst?" "Ach Schätzchen, wir sind doch keine ekelige Spießerfamilie", entgegnete Susi. "Aber asozial, oder was?", fauchte Mira mit hochrotem Kopf zurück. "Baby, chill' deine Gebärmutter." Mareike legte ihr einen Arm um die Schulter und grinste sie mit einem Teufelsgrinsen an. Das war zu viel! In Gedanken sah Mira sich bekifft und besoffen am Bahnhof liegen, was garantiert der eintretende Fall sein würde, wenn ihre Mutter nicht zur Vernunft kam! Und das wäre fatal, denn bisher hatte Mira immer geglaubt, Susi sei die einzig verständnisvolle Person in diesem Haus. Was bedeutete, dass es seit dem heutigen Tag niemanden mehr gab, mit dem sie vertrauliche beziehungsweise intime Gespräche führen konnte. Außer Anastasia, die aber auch nicht wirklich zählte, weil sie eine aggressive Jungfrau war. Das hieß, Mira musste die Zeit ausnutzen, die Ella noch da war, um ihr Leben einigermaßen in den Griff zu bekommen.

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