Das Kapitel mit tödlichen Kartoffelshakes

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"Und die hat wirklich mit Kai geschlafen? Krass." Frank schüttelte den Kopf. Die drei Kumpels hatten sich gleich nach Schulschluss auf Henry's Zimmer verzogen, wo sie Tim's neustes Problem besprachen. "Ja, Mann", antwortete Tim und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Dosenbier. "Diese Bitch. Ich dachte, ich würde sie kennen." Er blickte verbittert zum Fenster heraus. "Alter, komm mal runter du Vogel", sagte Henry kühl. "Immerhin hattest du diese Idee mit eurer billigen Fake-Beziehung. Anastasia wollte das ganz sicher nicht. Und jetzt scheiß' sie nicht an, nur weil du reingeschissen hast! Sie hat dich eben nicht geliebt, was willst du machen?" "Was willst du eigentlich, du Spasti? Bist du jetzt auf meiner oder auf ihrer Seite?", schnauzte Tim zurück. "Junge, auf ihrer natürlich! An deiner Stelle würde ich das Mädchen-Kostüm ausziehen und mich bei ihr entschuldigen. Wenn du je eine Chance haben willst, dann sei jetzt für sie da!" Tim blickte ihn ungläubig an. "Wo bleibt dann mein Stolz?" "Dein Stolz rennt doch eh schon nackig mit 'nem Cocktail über die Wiese." Henry verdrehte die Augen und nahm sich eine neue Dose Bier. "Immer schön geschmeidig bleiben", sagte Frank und lehnte sich zurück. Tim raufte sich verzweifelt die Haare. "Aber sie hat mich verletzt!", rief er aus. "Alter!", sagte Henry energisch. "Wann kapierst du eigentlich, dass Kai das Problem ist, he? Wie verstrahlt bist du eigentlich?" "Ach, halt die Schnauze", grunzte Tim. Henry hob gerade erneut an, als die Tür aufging und Anastasia erschien. "Hallo", sagte sie schüchtern und mit rot verteulten Augen. Tim hielt die Luft an. "Was gibt's?", fragte Henry und versuchte ein mitleidiges Lächeln. "Kann ich mal kurz mit dir reden?", fragte Ana heiser. "Mit mir?" Henry legte verwirrt den Kopf schief. "Natürlich mit dir!" "Okay..." Henry stand auf und folgte ihr zur Tür hinaus. "Alles klar?" Anastasia sah ihn an wie ein Auto. "Sicher, alles bestens", schnaubte sie. "Mein Image geht zwar grade baden, aber - Hey! Mir geht's gut." Henry verdrehte die Augen. "Okay, Mädchen. Hau raus." Sofort stiegen ihr wieder Tränen in die Augen. "Kannst du mal mit Tim reden? Weißt du, ich hab echt keinen Bock, morgen als Schulschlampe dazustehen. Und ich will auch nicht für immer in dieser komischen Beziehung festhängen und von ihm für jede falsche Bewegung angeschrien und beschimpft werden, aber ich will ja auch keinen Streit, sondern Frieden, aber... warte. Nein, eigentlich will ich ihn schlagen." Anastasia holte tief Luft und sah Henry flehend an. "Du kriegst auch Nachhilfe!", setzte sie hinzu. "Chill mal. Ich hab ihm das schon längst gesagt, aber er ist halt im Moment sehr.. verletzt." Anastasia schnaubte verächtlich. "Wie denn? Er liebt mich doch nicht mal." Henry tippte sich an die Stirn. "Bist du blind? Der Typ ist total verknallt in dich, er will bloß nicht wahrhaben, dass er verkackt hat." Für eine kurze Zeit hörte man nur das regelmäßige Ticken der Wanduhr, dann platzte Ana verwundert heraus:"Das ist alles?" "Jap", antwortete Henry geduldig. "Bruder!", rief Frank vom Zimmer aus. "Seid ihr mal fertig oder was macht ihr da? Eure Lebensgeschichten austauschen?" "Halt's Maul!", riefen Ana und Henry gleichzeitig. Dann sah Anastasia zu ihrem Stiefbruder auf. "Danke. Du bist echt korrekt." Sie lächelte schwach, bevor sie sich umdrehte und ins Wohnzimmer hinunter lief.

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"Du glaubst es nicht! Ich bin in den Laden rein und dann geben die mir auch noch Rabatt, weil meine Eltern anscheinend ihre Trauringe dort herhaben. Ich wusste nicht einmal, dass die verheiratet sind." Susi schenkte Ella und Mareike ein Glas Sekt ein und setzte sich dann zu ihnen auf's Sofa. "Du weißt, dass Stephen schon einen Ring hat, oder?", sagte Ella, während sie besorgt zu Mira sah, die unter dem Tisch lag und Fernsehen guckte. Sie hatte ihr versprochen, auf sie aufzupassen, damit Anastasia sie nicht ermordete. Immerhin trug Mira dazu bei, dass Kai Ana verarscht hatte - auch wenn sie nie geahnt hatte, dass er einfach so verschwinden würde. "Ja, sicher weiß ich das", erwiderte Susi irritiert. "Aber das hält mich nicht davon ab, den besseren Antrag zu machen." "Wie romantisch." Ella verdrehte die Augen. "Show the ring!", forderte Mareike ihre Cousine auf und leerte ihr Sektglas in einem Zug. "Hier..." Susi zog eine kleine, schwarze Schachtel aus ihrer Hosentasche. Geschickt ließ sie den Deckel aufschnellen und zum Vorschein kam ein schlichter, silberner Ring. "Wow", sagte Ella trocken. "Was ist denn los mit dir?", fragte Susi verwundert. "Nun ja..." Ella räkelte sich auf dem Sofa, dann stellte sie ihr halbleeres Glas auf den Tisch. "Ich finde es unfair von dir, dass du... na ja, dass du Stephen die Show stehlen willst." Susi blinzelte. "Hör mal, ich will nur, dass ich den Antrag mache, weil ich weiß, was ich tue. Er weiß das nicht." Sie klappte das Kästchen wieder zu und ließ es in ihrer Hosentasche verschwinden. Im selben Moment begann Torben zu weinen, sodass sie aufschnellte, um ihn auf den Arm zu nehmen. "Er ist Drehbuchautor! Er erfindet die romantischsten Worte für Traumhochzeiten", protestierte Ella. "Und ich finde es nicht in Ordnung, dass du einfach hergehst und es selber machen willst." Mareike sah gespannt zwischen den beiden hin und her. "Ella, Schätzchen, hör zu", sagte Susi, "wovon du redest, sind Filmszenen. Ich entwerfe Hochzeiten, ja Traumhochzeiten für meine Kunden in der Realität. Das ist ein ganz großer Unterschied. Und angesichts der Tatsache, dass das überhaupt nicht deine Angelegenheit ist, mischst du dich da ziemlich ein", setzte sie bissig hinzu, ehe sie Torben über's Köpfchen streichelte. "Ist doch egal, wer den Antrag macht. Die Wedding wird so oder so geil!", rief Mareike freudig und füllte sich Sekt nach. Ella erhob sich seufzend vom Sofa. "Komm mal bitte mit", erklang es vom Türrahmen. Die Frauen drehten sich erschrocken um. "Ana, wie siehst du aus?", fragte Ella erschüttert. "Ich muss mit dir reden." Anastasia formte ihre Lippen zu einem schmalen Strich. "Ich höre", sagte ihre Freundin. "Ich glaube, ich entwickle so etwas wie Selbstmordgedanken", platzte Ana heraus. "Wie bitte?", keifte Susi und hielt inne, Torben zu streicheln. "Wegen Kai und Tim... ihr wisst schon!" Anastasia hob die Schultern an. "Noch dazu regt es mich krass auf, dass Mira ihre Finger im Spiel hatte!" Susi sah zu Mira, die immer noch unter dem Tisch lag. "Ich wusste gar nicht, dass ich eine hinterlistige Tochter habe", sagte sie verwundert. "Ich bin auch nicht hinterlistig. Ana, ich wollte dir helfen! Ich hatte doch keine Ahnung, wie das enden würde." Mira rappelte sich auf und sah ihre Stiefschwester gekränkt an. "Oh, ich wusste ja gar nicht, dass ich eine dumme Tochter habe", sagte Susi. Anastasia zog irritiert den Kopf ein. "Wenn du einen gesunden Menschenverstand besitzt, wäre dir schon nach einem Tag aufgefallen, wie scheiße er ist, Mira." Sie vergrub ihre Hände in dem XXL-Pullover ihres Vaters. "Warum hattest du dann Sex mit ihm?", fragte Mira aufgewühlt. "Das würde ich allerdings auch gerne wissen. Ich habe das immer noch nicht verstanden", mischte Ella sich ein, während sie eine Hand in die Hüfte stemmte. "Hallo? Kai ist klug!", rief Anastasia zu ihrer Verteidigung. Dabei wusste sie selber, dass das nicht so ganz stimmte. Und selbst wenn - sie war eh klüger. Das Problem lag einfach darin, dass sie an diesem Nachmittag ein kleines, naives Mädchen gewesen war. "Das ist die schlechteste Ausrede, die ich je gehört habe", stimmte Mira ihren Gedanken zu. Anastasia verdrehte die Augen. "Gut, ich hab meine Tage." Ella lachte laut los. "Liebling, willst du uns eigentlich verarschen? Oder bist du zu feige uns zu sagen, dass du einfach nicht nachdenken wolltest?" "Ja, mein Gott! Ich wollte nicht wahrhaben, dass er ein Arsch ist! Könnt ihr das nicht irgendwie nachvollziehen? Ich meine, er sieht aus wie Marco Reus! Ich war eine Figur in seinem Spiel und er hat mich ausgetrickst. Und ich dumme Kuh dachte: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel." Anastasia stampfte wie ein Kleinkind mit dem Fuß auf. "Tja, dann warst du wohl nur Training", sagte Ella schulterzuckend. Ana betrachtete ihre beste Freundin mit kleinen, glasigen Augen. "Ich dachte, er liebt mich", hauchte sie verzweifelt. "So, wie du ihn beschreibst", warf Susi ein, "weiß der Kerl nicht mal, wie Liebe geschrieben wird." "Dann soll er mich gefälligst in Frieden lassen!", schrie Anastasia wütend. "Wenn er denken kann, muss er doch merken, dass er mich verletzt." "Süße, der Kerl denkt mit seinen Eiern. Und das ist ein sehr eintöniges Denken." Ella schloss ihre Freundin seufzend in eine Umarmung. "Wo ist Papa?", schniefte Ana. "Ich möchte mich bei ihm dafür entschuldigen, dass ich Susi von seinem Antrag erzählt habe. Wenigstens mit ihm will ich Frieden schließen." Sie löste sich aus der Umarmung und ließ sich rücklings auf die Couch fallen. "Der holt Susi's Verehrer vom Krankenhaus ab", erwiderte Mareike augenzwinkernd. "Grr, wann kapierst du eigentlich, dass Moritz mein Sohn ist?" Susi legte Torben in seine Wiege zurück und funkelte ihre Cousine an. "Ich hatte eine Gehirnerschütterung. Ich kann mir nicht alles merken." Mareike stand auf und ging in die Küche. "Will noch jemand einen Kartoffelshake?", rief sie über die Schulter. Mira verzog das Gesicht. "Wie soll der denn schmecken?" "Nach Kartoffeln eben. Keine Sorge, ich tu Zucker rein." "Nein danke!", rief Mira zurück. "Ich hätte gern einen. Alles was tödlich ist, kann ich im Moment äußerst gut gebrauchen", sagte Anastasia und deckte sich zu. Sie hoffte wirklich inständig, dass Mareike irgendwelche Pilze in diesen Shake mischte, die ihr Gedankengut lahmlegen würden. Sie wollte einfach diese schreckliche Zeit verschlafen und aufwachen, wenn alles wieder gut war. Sprich, sie müsste so lange schlafen, bis sie alt genug war, um auszuziehen, was wiederrum bedeutete, dass sie vielleicht doch den Selbstmord in Erwägung ziehen sollte. Aber vielleicht brachte dieser Kartoffelshake sie auch einfach um.

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- Hab euch lieb. :-*

Achtung Patchwork!Where stories live. Discover now