Prolog

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Prolog

„Setting Things Into Motion“

 Halawa Correctional Facility, Honolulu, Hawaii

Mai 2012

 Die Ketten, in die der weißhaarige Mann gelegt war, klirrten bei jedem kleinen Schritt, den er tat. Durch die Fesseln war ihm kaum mehr als ein Schlurfen möglich. Auf jeder Seite flankierte ihn ein Wärter, hielten seine Oberarme in festem Griff. Die freie Hand beider Wärter schwebte über dem Pistolengriff in ihrem Gürtelholster.

Der Gefangene hatte den Blick auf den Boden gerichtet, seine Gesichtszüge waren ausdruckslos, doch in seinem Innersten rumorte es. Immer noch. Auch nach zwanzig verfluchten Jahren, die er in diesem Bau bereits verbracht hatte.

Eine Schleuse wurde geöffnet. Das Dreiergespann trat durch eine Sicherheitstür. Als sich diese geschlossen hatte, öffnete sich die nächste und die Wärter zogen den Mann vorwärts in den Besuchsraum. Eine Wand, deren obere Hälfte aus farblosem Polycarbonat bestand, verlief durch den länglichen Raum, teilte diesen so in zwei Bereiche. Auf beiden Seiten bildeten Wandvorsprünge so etwas wie Parzellen, damit die jeweiligen Gesprächspartner wenigstens die Illusion einer Privatsphäre hatten.

Einer der Wärter trat vor den Gefangenen, löste seine linke Hand aus den Ketten und bedeutete ihm in einer Parzelle im vorderen Bereich Platz zu nehmen.

„10 Minuten“, raunte er, was der weißhaarige Mann mit einem Nicken aufnahm. Er schlurfte zu dem Stuhl hinüber, setzte sich und erst jetzt sah er hoch. Überrascht weiteten sich seine Augen, allerdings nur für den Bruchteil einer Sekunde. Mit diesem Besucher hatte er überhaupt nicht gerechnet, doch das wollte er seinem Gegenüber nicht unbedingt auf die Nase binden. Ein leichtes Schmunzeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er nun nach dem Telefonhörer griff und sah, dass sein Gesprächspartner auf der anderen Seite der Scheibe das gleiche tat.

„Miranda“, grüßte er, ließ seine Stimme gleichgültig klingen und vernahm das schnippische, kurze Aufatmen.

„Spar es dir, Joe“, zischte sie in den Hörer, was ihn beinah hätte lachen lassen. „Das Souvenir wurde gefunden.“

Nun konnte er seine Überraschung nicht verbergen, so sehr er es auch wollte. Damit hatte er noch weniger gerechnet, als mit ihrem Besuch.

„Tatsächlich?“, sprach er, wirkte gelassen, doch das täuschte. „Ganz sicher?“

Es folgte ein Nicken und der Gefangene atmete innerlich tief durch, zwang sich zur Ruhe.

„Das Paket soll vorbereitet werden“, sagte er dann und diesmal weiteten sich die Augen seines Gegenüber.

„Joe“, hauchte sie und es klang beinah zärtlich. Joe schloss die Augen, schüttelte den Kopf, damit er sich von ihr nicht einlullen ließ. Nicht noch einmal.

„Es soll vorbereitet werden, Miranda“, raunte er, sah sie zittern und dann nicken.

„In Ordnung“, gab sie zurück und ihre Augen wurden wieder kalt. „Wann soll das Paket verschickt werden?“

Der Gefangene Joe dachte nach, zog die Stirn in Falten, fand dann erneut den kalten, ausdruckslosen Blick der Frau.

„Ich gebe Bescheid, wann.“

„Wie?“

„Genauso, wie damals besprochen. Es gilt.“

Einen Moment lang sahen sich die Gesprächspartner an, sagten nichts, hielten nur den Blick des anderen. Schließlich nickte Miranda und ohne ein weiteres Wort, hängte sie den Hörer auf. Joe tat es ihr nach und erhob sich. Ein weiterer Blickwechsel und der Weißhaarige wandte sich ab.

Als er wenig später von den gleichen Wärtern zurück in seine Zelle gebracht wurde, hätte man, wenn man genau hinsah, ein klitzekleines, gefährliches Lächeln auf den Lippen des Mannes erkannt.

Es war an der Zeit, die Dinge in Bewegung zu setzten.

Kumaka - Die ZeuginTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon