Der Anfang von etwas Neuem

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Elionor stand vor dem Eingang zum Drachenland. Sie waren gestern hier angekommen, nach einer recht langen und mühsamen Reise. Sie war recht müde, wie alle anderen auch, doch sie konnte nicht schlafen. Also hatte sie sich, als sie dachte, dass alle im Land der Träume waren, hinausgeschlichen und starrte jetzt in den Sternenhimmel. Die Sonne würde sicherlich bald aufgehen und die Sterne verblassen lassen.
Elionor seufzte tief und kickte einen Stein weg. Seit sie wusste, dass ihre Mission zu Ende war, zerbrach sie sich darüber den Kopf, was jetzt kommen würde. Was würde sie mit ihrem Leben jetzt machen. Sie konnte den Drachen nicht einfach den Rücken zukehren und sie vergessen. Aber sie vermisste auch ihre Familie schrecklich und fürchtete, dass diese sich Sorgen um sie machten, weil sie so Sang und Klanglos verschwunden war. Nachdem sie noch einen Stein als Fußball missbraucht hatte, setzte sie sich auf den kalten Steinboden, zog ihre Knie an und umfasste diese mit ihren Armen, sodass sie ihr Kinn auf ihren Knien ablegen konnte.
„Hey", kam es leise von hinter ihr und im nächsten Moment setzte sich jemand neben sie. Elionor musste gar nicht aufschauen um zu wissen, wer es war. Hier gab es nicht so viele Menschen und diese Stimme würde sie überall erkennen.
Eine Weile saßen sie beide einfach nur da und sahen zu, wie die Sonne langsam den Himmel hinauf stieg. Irgendwann erkannte Ferus wohl, dass sie nicht von sich aus reden würde, als fragte er sie: „Was ist los? Du wirkst bedrückt."
„Nichts", begann Elionor, doch dann erkannte sie, dass sich Ferus wahrscheinlich nicht so leicht zufrieden stellen ließ. Außerdem hätte sie gerne jemanden, mit dem sie darüber reden könnte und Ferus erschien ihr in dem Moment genau die richtige Person zu sein. „Es ist nur so, dass ich nicht weiß was jetzt kommt und was ich jetzt machen soll, da das alles vorbei ist."
„Man weiß nie, was die Zukunft bringt, das ist das angsteinflößende bei ihr. Und nur weil dieses Abenteuer vorbei ist, kann jetzt etwas Neues anfangen. Sieh es nicht als Ende von allem, sie es als den Anfang von etwas Neuem."
Elionor zog ihre Augenbrauen hoch und drehte ihren Kopf, sodass sie Ferus anschauen konnte. „Seit wann bist du denn so philosophisch?", sie lächelte leicht, was in ein echtes Lachen überging, als Ferus nur mit einem Schulterzucken antwortete. „Aber ich denke du hast recht", fügte sie hinzu. „Es ist bloß so, da wir die Steine jetzt haben, muss ich die Entscheidung treffen, ob ich hier bleibe oder wieder zu meiner Familie gehe. Und irgendwie will ich beiden Optionen, aber das geht ja nicht."
„Also denkst du darüber nach die Drachen zu verlassen?", fragte Ferus und Elionor dachte sie würde Schock aus seiner Stimme hören.
„Nein! Doch- irgendwie schon, aber- nein. Ach ich weiß doch auch nicht. Ich will eigentlich hier bleiben, aber ich vermisse auch meine Familie", Elionor war bewusst, dass sie nur herum stammelte und dass es schwer war ihr zu folgen, doch Ferus schien sie zu verstehen.
„Nur dass du es weißt, die Drachen würden dich echt vermissen. Und ich dich auch." Den letzten Satz sagte er so leise, dass Elionor ihn kaum verstand. Mit einem Lächeln antwortete sie: „Ich würde die Drachen auch echt vermissen. Und dich auch." Für einen kurzen Augenblick lächelten sie sich an, dann wandten sich beide ab.
„Und ich möchte auch gar nicht weg von hier. Ich würde nur gerne mal meine Familie wieder richtig sehen und mit ihnen sprechen", Elionors Stimme wurde immer lauter, während sie sprach.
„Das kannst du ja. Frag Lima, die bringt dich sicher nach Hause, dann kannst du mit allen reden und dich entscheiden, was du machst", Ferus klang anders als sonst, irgendwie hohl oder traurig?
Doch Elionor gefiel die Idee so gut, dass sie nicht weiter darauf achtete. „Hey, das ist eine super Idee! Genau das werde ich machen."
Elionor wollte schon aufspringen und losrennen, doch dann fiel ihr noch etwas ein, außerdem, was sie nie zugeben würde, genoss sie einfach nur mit Ferus zu reden. „Was machen wir eigentlich mit Konrad?"
Ferus zuckte mit den Achseln und schaute sie kurz einfach nur an. „Ich weiß es ehrlich nicht. Irgendwie ist er ja noch immer mein Vater, vielleicht kann ich ihn irgendwie zur Vernunft bringen. Überzeugen davon, dass die Drachen mir nur geholfen haben und weder mir noch ihm etwas Böses wollen..." Er verstummte unter Elionors Blick und schüttelte den Kopf. „Ich weiß, es ist naiv und wird nicht funktionieren."
„Nein, es könnte klappen. Er hat das ganze ja nur wegen dir gemacht, vielleicht kannst du ihn dann auch wieder davon abbringen." Elionor verstand, dass Ferus sich an diese Hoffnung klammerte, Konrad war seine Familie, sein Vater. Sie kam sich plötzlich albern vor mit ihrem Problem, sich nicht entscheiden zu können. Sie hatte eine Wahl, Ferus hatte sich nie entscheiden können. „Sei bloß nicht endtäuscht, wenn es nicht funktioniert", fügte sie leise hinzu, weil sie Ferus nicht die Hoffnung nehmen wollte. In einer, wie sie hoffte, ermunternden Geste strich sie ihm über sie Schulter.
„Dann haben wir beide Missionen für heute", sagte Ferus mit einem Lächeln und stand auf, was Elionor ihm gleich tat. Für einen unangenehm langen Augenblick standen sie einfach nur da und Elionor überlegt, was sie jetzt machen sollte. Einfach gehen?
Doch sie entschied sich dagegen und schloss Ferus in eine Umarmung. „Danke", sagte sie leise. „Kein Problem. Ich hoffe du kommst wieder", flüsterte er genau so leise zurück.
„In irgendeiner Weise sicher", sie lösten sich und lächelten.
Elionor gab Ferus einen kurzen Kuss auf die Wange, drehte sich um und ging. Bevor sie aber durch den Stein ging um wieder ins Drachenland zu gelangen und Lima zu suchen, drehte sie sich ein letztes Mal um und rief: „Tschüss! Und viel Glück!" Sie sah gerade noch wie Ferus lächelte, winkte und ihr ebenfalls ein „Tschau" zurief.

Elionor hatte während des Fluges viel mit Lima darüber geredet, was sie sagen würde, was ihre Eltern antworten würden und was Lima tun würde. Doch nichts konnte sie Aufregung lindern, die Elionor verspürte als sie wirklich vor ihrer alten Haustür stand. Lima hatte sie im Wald abgesetzt, wo der Drache bleiben würde, damit niemand sie entdeckte.
Das Mädchen atmete kurz durch, dann drückte es die Klingel und wartete. Ihre Mutter öffnete wenig später die Tür und stieß einen erfreuten Schrei aus. Ehe sie es sich versah, war Elionor schon in einer festen Umarmung, die sie nur zu gerne erwiderte. „Oh, Elionor", flüsterte ihre Mutter in ihr Ohr und strich ihr immer wieder über den Rücken. Ihr Vater und ihr Bruder, die neugierig waren, wer denn an der Tür war, kamen auch dazu und nach der Reihe umarmten sich alle.
„Es tut mir Leid, dass ich einfach so gegangen bin, aber-", begann Elionor, doch ihre Mutter unterbrach sie.
„Die Drachen haben dich mitgenommen. Schon gut, ich wusste, dass das irgendwann passieren wird", meine sie seufzend und fuhr sich durch die Haare. „Ich glaube ich sollte dir etwas erklären, Elionor. Kommt, wir setzten uns hin."
Gemeinsam gingen alle zum Esstisch und setzten sich herum.
Dann begann Elionors Mutter zu erklären: „Genau wie meine Mutter und meine Großmutter und so weiter, wurde ich als Drachenkind geboren. Genauso wie du, Elionor. Ich bin bei ihnen im Drachenland aufgewachsen mit meiner Mutter, meinen Vater habe ich nie gekannt, da meine Mutter nie eine wirkliche Beziehung mit ihm hatte. Für sie gab es nie was anderes als die Drachen, sie war ein Drache und wollte nie was anderes sein. Ich dachte zuerst auch, dass das das Leben ist, was ich für immer führen möchte, doch dann habe ich deinen Vater getroffen. Und mir war klar, ich könnte nie eine wirkliche Familie haben, wenn ich bei den Drachen bleiben würde. Ich könnte nie ein wirklich normales Leben führen, weil er nicht ins Drachenland hineinkommen würde und mein Kinder vielleicht auch nicht. Also verließ ich die Drachen um ein Leben mit deinem Vater zu führen. Es war nicht immer leicht mit den Schwindelanfällen und auch weil ich die Drachen vermisste, aber mit deinem Vater gemeinsam habe ich es geschafft."
Elionor war für einen Moment still um die ganze Information zu verdauen, sie hatte ja einige Fetzten schon gehört und sich daraus eine Geschichte gebastelt, aber es so in einem aus dem Mund ihrer Mutter zu hören, machte alles real. „Wusstest du davon, Papa?", fragte sie dann.
„Natürlich, wir haben überlegt es euch zu erzählen, auch weil wir ahnten, dass du das nächste Drachenkind bist. Doch es ist schwer sowas Kindern zu erzählen, ohne dass es wie ein Märchen wirkt. Deinem Bruder haben wir es erzählt sobald du weg warst", beantwortete er ihre Frage und sie nickte.
„Also, wie geht es den Drachen? Wie hat es dir dort gefallen?", fragte ihre Mutter neugierig. Elionor wurde bewusst, dass ihre Mutter die Drachen besser kannte als sie, sie waren ihre Familie, sie war mit ihnen aufgewachsen. Und ihr wurde bewusst, dass ihre Familie nicht die ganze Geschichte mit Konrad wusste und warum sie genau heute gekommen war und so begann sie alles zu erzählen, was sie in ihrer Abwesenheit erlebt hatte.

Es dauerte lange, bis sie alles geschildert hatte und ihre Mutter machte Abendessen für alle. Elionor genoss die Zeit mit ihrer Familie, doch sie merkte schnell, wie schnell sie die Freiheit der Drachen vermisste. Sie ließ sich nichts anmerken, doch in einigen Momenten wurde ihr recht schwindelig. Nach dem Abendessen, als alle aufstanden und ihr Geschirr verräumten, lächelte ihre Mutter sie wissend an. „Du gehst wieder, nicht?", fragte sie leise.
Elionor senkte beschämt den Blick. „Es ist okay, das ist deine Natur. Du triffst deine eigenen Entscheidungen, so wie ich meine getroffen habe. Ich kann mich erinnern, meine Mutter verstand damals nicht, warum ich ging. Sie wollte es mir ausreden und verbieten, doch ich bin gegangen, weil es meine Entscheidung war. Ich hab sie nie wieder gesehen, ich glaube für sie habe ich sie verraten. Ich werde dich nicht hindern. Geh, wenn du willst. Aber komm ab und zu vorbei uns zu besuchen", ihre Mutter lächelte während sie das erzählte, wodurch auch Elionor lächeln musste.
„Ich komme so oft ich kann, und vielleicht könnt ihr ja auch mal mit mir kommen. Ich bin mir sicher die Drachen freuen sich, dich zu sehen", versprach Elionor.
Nachdem sie sich von allen verabschiedet hatte und ihrem Bruder versprochen hatte ihn einmal zum Fliegen mitzunehmen, begleitete ihre Mutter sie noch zur Tür. Vor der Tür stand zu Elionors Überraschung Lima im Schutz der Dunkelheit. Ihre Mutter lächelte, als der Drache sie mir der Schnauze anstupste.
„Komm uns doch mal besuchen", bat Lima sie. Elionors Mutter lächelte und versprach das nach Gelegenheit zu tun. Mit einer letzten Umarmung verabschiedete sie sich von Elionor und schloss die Tür.
Mit einem Seufzer kletterte Elionor auf Limas Rücken und sagte: „Also, auf nach Hause."

So, das wars dann wohl mit Drachenkind. Unglaublich das die Geschichte jetzt vorbei ist. Ich habe Ewigkeiten daran geschrieben... Naja, das war jetzt das letzte Kapitel, ich hoffe ich habe alle offenen Fragen geklärt, wenn nicht, könnt ihr mich ja in den Kommentaren darauf ansprechen. Danke fürs Dabeisein!


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