Das altbekannte Leid

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Unsanft zerrte der fremde Mann Elionor durch einen Gang. Sein Griff um ihre Handgelenke schmerzte und sie hatte es aufgegeben sich zu wehren, der fremde Mann war eindeutig zu stark.
Der Gang durch den sie gingen war lang, so lang, dass er über der Erde nie Platz gehabt hätte, denn es waren nur kleine Häuser zu sehen, die nicht verbunden waren. So vermutete das Mädchen, dass die Stufen, die sie genommen hatten, sie unter die Erde in einen Tunnel geführt hatten.

Der fremde Mann hatte sie ohne lange nachzudenken gepackt und da Elionor noch immer etwas überrumpelt gewesen war, war ihr schwacher Protest kein Hindernis für den Fremden gewesen. Der Tunnel, durch den sie jetzt geschleppt wurde war dunkel –nur selten war eine schwache, flackernde Lampe an der Wand fixiert, die ein gelbes Licht von sich gab- und der Boden war uneben, sodass sie einige Male stolperte. Sie dachte an den Plan, den Ferus, Lima und sie geschmiedet hatten und den sie eigentlich für perfekt gehalten hatte. Doch mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen musste sie sich eingestehen, dass Pläne und sie noch nie unter einem rosigen Stern sanden. Es war ihr altbekanntes Leid, dass Pläne, die sie machte oder ausführte, nie aufgingen. Denn sie hätte eigentlich Konrad ausfindig machen sollen und während ihn Ferus, der von irgendwo anders kam, zur Rede stellen und ablenken hätte sollen, hätte Elionor ihren Rucksack und den Rest der Steine, die sie in der Nähe vermutet hatten, nehmen und dann mit Ferus durch die Eingangstür hinaus rennen sollen. Dort würde Lima warten und sie wären über alle Berge gewesen, ehe Konrad bemerkt hätte was los war. Es war ein ziemlich ähnlicher Plan, wie der, mit dem Konrad ihren die Steine abnahm und Elionor war davon überzeugt er hätte funktioniert, wenn sie sich nicht erwischen lassen hätte. Ihr fiel ein Satz ein, den ihre Mutter in diesem Fall gesagt hätte.
Wenn das Wörtchen ‚wenn' nicht wäre.

Mit einem plötzlichen Anflug von Trauer dachte sie an ihre Familie. Durch das ganze Abenteuer hatte sie in letzter Zeit überhaupt nicht an sie gedacht und eine Woge von schlechtem Gewissen übernahm sie. Wie es ihnen wohl jetzt geht?, überlegte sie.
Entschieden schob sie den Gedanken beiseite, es war eindeutig nicht der richtige Moment um darüber nachzudenken.

Elionor fragte sich gerade, ob der Tunnel in ein anderes Dorf oder mitten in den Dschungel führen würde, da er ihr so lang erschien, da tauchte eine Treppe auf. Unsanft stieß sie der Mann hinauf und führte sie in einen fensterlosen Raum. Die Wände waren in einem grellen Weiß gestrichen und auch der Boden war weiß gefliest. Die Deckenlampen gaben ein unangenehm künstliches, helles Licht von sich, dass unnatürlich grünlich wirkte. Elionor musste nach dem dunklen Tunnel geblendet die Augen schließen. Es dauerte eine Weile bis sie sich daran gewöhnt hatte und einen hochgewachsenen Mann, der mit dem Rücken zu ihr an einem Tisch stand, erkannte.

Der Mann, der sie hielt, räusperte sich und wirkte auf einmal etwas schüchtern.
„Nicht jetzt. Ich bin beschäftigt. Das merkt man doch, oder?", fauchte Konrad den Mann an ohne aufzublicken.

Der Fremde verkrampfte sich und begann zu stammeln: "Am... ja, ja das sehe ich. Aber... aber ich dachte, dass interessiert Sie. Dieses Mädchen hat-"
Er wurde unterbrochen, weil Konrad plötzlich herumfuhr und Elionor überrascht ansah. Doch seine Fassade war schnell wieder aufrecht und er lächelte sie überlegen an.

„Ich hätte damit rechnen sollen, dass ihr aufkreuzt und meinen Plan zerstören wollt", sagte er und fügte, mehr zu sich selbst und etwas leiser: „Damit hätte ich rechnen müssen. Dummer Fehler, ganz dummer Fehler" hinzu.

Elionor war mal wieder am überlegen, wie sie am besten aus dieser Situation raus kommen konnte. In letzter Zeit habe ich eine Neigung dazu entwickelt in solche Situationen zu kommen, bemerkte sie, schob den Gedanken aber schnell beiseite. Es war eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt, darüber nachzudenken.

„Wo ist der Rest?" Konrads wieder ruhige und sachliche Stimme riss sie so plötzlich aus den Gedanken, dass sie ihn nur verwirrt anschauen konnte.
„Der Drache und mein Sohn", schrie er wütend, als sie nicht antwortete.
Elionor war für einen Moment verwirrt, dass Konrad Ferus als seinen Sohn bezeichnete. Natürlich hatte sie es gewusst, oder geahnt, doch es überraschte sie doch es zu hören.

„Ich habe überhaupt keine Ahnung", meinte sie dann gespielt lässig. Er brauchte nicht zu merken, dass sie nervös war.
„Und das sollte ich dir glauben? Du bist mit ihnen hier, also wieso solltest du nicht wissen, wo sie sind?" Während er sprach kam Konrad einige Schritte auf sie zu und hob fragend eine Augenbraue.

„Naja, wir haben uns getrennt und ich habe keine Ahnung wo sie sind", erwiderte das Mädchen und verfluchte das Zittern ihrer Stimme. Wieso bin ich so nervös?
„Wir sind hier um uns die Steine zu holen, denn sie gehören den Drachen. Du hast kein Recht darauf, also gib sie mir", sagte Elionor mit neuem Mut. Es gab für sie keinen Grund Angst zu haben, denn sie war im Recht und Konrad im Unrecht.

„Die Drachen haben genauso wenig Recht auf die Steine wie ich. Sie gehörten Sir Richard Sargins, bis die Drachen sie stahlen. Sie gehören nicht euch, nur weil ihr sie gestohlen habt", meinte Konrad in einem Tonfall, als wäre er Elionors Lehrer und würde sie unterrichten. „Und jetzt sag mir, wo deine Freunde sind!"
„Ich werde nie verraten, wo sie sind, obwohl ich das nur vermuten kann. Außerdem bestehen die Drachensteine aus einem Drachen und somit gehören sie den Drachen", brüllte Elionor wütend.

„Das altbekannte Leid mit euch Drachen. Ihr seid einfach zu stur und stolz", tadelte Konrad Williston.
„Leg ihr Handschellen an", befahl er.

Der Mann, der Elionor hier her gebracht hatte, trat an sie ran und sie spürte das kalte Metall an ihren Handgelenken. Sie hatte nicht bemerkt, dass der Mann noch da gewesen war, aber jetzt zog der sie in ein Ende des Zimmers und drückte sie unsanft auf einen Stuhl.

Spät aber doch, ich habe es geschafft!
Ich würde mich über eure Meinung zu dem Kapitel freuen.



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