{X}~Unschuldiger Tränenfluss

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"Du dämlicher Fehler...", knurrend griff ich wieder nach den blauen Linsen und setzte sie mir ein, um endlich den Wunsch Mutters nachzukommen und auf meine Tante zu warten.

Danach bist du erledigt Ican...

Phoebe war nun schon über zweieinhalb Stunden bei uns und redete ohne Ende. Fragen über Dad und wie ich mich in der Schule machte. Meine Antworten hielten sich zwar kurz, aber anscheinend genügten ihr diese, denn sie redete unbekümmert weiter mit meiner Mutter, ihrer Schwester. So glücklich hab ich Mutter schon länger nicht mehr gesehen. Sie lächelte nur ab und zu und heute bzw. nun war sie entspannter als jemals irgendwie zuvor. Trotzdem wollte ich so schnell wie möglich los.

"Mom~", quengelte ich nun schon zum dritten Mal und Phoene legte verwundert und neugierig ihren Kopf schief: "Was möchtest du denn Engelchen?", wie eigentlich immer war sie liebevoll und Sorge schwang in ihrer Stimme. Mutters Schwester war im Gegensatz zu ihr ein wahrhaftes Unschuldsblümchen. "Ich wollte mich noch mit... einem Freund", war Ican überhaupt ein Freund? In der kurzen Zeit und die ganzen Stimmungswechsel, die ich von ihm erlebte? "... treffen, weil er... uhm mich eingeladen hat", Ceylonsdouble hatte mich zu gar nichts eingeladen, aber was lügt man nicht alles vor, um weiter zu kommen. Meine aufkommende Galle ignorierend und der praktischen Lüge dankend, nicht, grinste ich schräg und unsicher zu Phoene.

"Ach so also...", schmunzelte die Rothaarige. "Na wenn du so unbedingt zu deinem 'Freund' möchtest, von mir aus kannst du zu ihm gehen", zwinkerte sie und nahm die ganze Situation mal wieder viel zu ernst. Seitdem sie erst letztens von ihrem neunzehnjährigen Sohn erfahren hatte, dass eben dieser bi sei, vermutete sie nun in jedem Kerl ein kleines bisschen Gayness. Was auch immer uns die Sexualität ihres Sohnes und somit meines Cousins anging.  Jedenfalls berichtete sie uns davon stolz. Und ich dachte immer sie sei Homophob. Wie schnell und groß man sich in bekannten Menschen täuschen kann...

"Na dann Schwesterchen, ich denke ich muss schon wieder los. Mein Großer braucht mich bestimmt. Lasst mal bald wieder von euch hören, ihr Lieben." Damit drückte sie uns noch einmal feste und wurde dann liebevoll grinsend von Mutter zur Tür begleitet.

Als dann noch weitere Minuten vergangen waren, da Mutter Phoene zur Tür brachte und ich auf der Couch Däumchen drehte, wollte ich nun endgültig los. Schließlich war es schon halb sechs und lange Zeit hätte ich somit nicht mehr.
"Mum? Ich denke ich mache mich mal auf den Weg...", erwartungsvoll lief ich zur Haustür, wo Mom noch stand und mich abschätzig musterte. "Das bringt dir doch heute eh nichts mehr, es ist spät und außerdem seht ihr euch doch morgen schon wieder", grummelte sie unzufrieden, doch so schnell wollte ich nicht nachgeben. "Aber es ist wichtig, sehr und das kann nicht bis morgen Früh warten! Bitte Mutter!" Sie schaute mich nicht besonders begeistert an und wollte wieder etwas dagegen sagen, doch ich unterbrach ihren Ansatz: "Bitte, ich will das auch nur klären und dann... ich bin rechtzeitig auch wieder zu Hause", flehend schaute ich sie an, doch selbst das brachte nichts und sie schickte mich, zwar mit einem besorgten Blick hoch in Richtung meines  Zimmers bis das Essen fertig war.

Sauer auf diese Frau trat ich nach oben in mein Zimmer. Wieso hielt sie sich nicht an das was sie mir versprach?! Genervt setzte ich mich auf mein Bett und sah nach draußen. Die rötlichen Sonnenstrahlen trafen in mein Gesicht und sofort erinnerte ich mich an die rot schimmernden Punkte , welche letztens unten vor meinem Fenster aufgetaucht und wieder verschwunden waren.
Was auch immer das war, ich setzte Ican damit in Verbindung. Auch wenn es schwachsinnig klang. Der Typ wurde von Tag zu Tag immer suspekter für mich, egal wie nett der am ersten Tag zu mir war.
Da hatte ich heute eine einmalige Chance mit dem Schwarzhaarigen zu sprechen und ausgerechnet Mutter musste mich aufhalten. Dennoch, so leicht gab ich nicht auf, auch wenn ich gewaltig Angst davor hatte mit Ican zu reden. Wer weiß was er mir antun könnte? Wenn ich mal überlegen würde was er Ceylon angetan hat, obwohl mir keine Provokation zwischen den beiden aufgefallen war.
Gelangweilt drehte ich mich um, gut. Ich schwang meine Beine aus dem Bett, stellte mich wieder hin und streckte mich noch einmal ausgiebig. Solange ich noch Mut hatte überhaupt loszugehen würde ich das auch wagen, wenn auch gegen den Willen Mutters. Kein Wunder das Vater mir im Stillen immer und immer wieder einschärfte, wie sie wirklich war.

'Alles was anders ist, ist für sie die Hölle Knut, deshalb musst du auch deine Heterochomie vor ihr verbergen. Deine zweifarbigen Augen wären für sie die reinste Sünde'

Ja, ich vertraute meinem Vater sehr. Er half mir schon immer irgendwie, auch wenn er zur Zeit nicht oft zu Hause war. Seinen Rat gegenüber Mutter nahm ich immer an, egal was für ein Rat es war.
Schmunzelnd setzte ich mich auf das Fensterbrett und schaute raus und bevor man sichs versah, schlüpfte ich aus dem weit geöffneten Fenster und sprang federleicht auf den Boden. Schon praktisch ein Engel zu sein. Jedoch noch nicht mit weißen, eleganten Flügeln, wie in den Vorstellungen der Menschen, nein. Wie ein normaler Mensch, nur eben mit einigen Besonderheiten. Noch...

Auf dem weichen Rasen angekommen hielt ich meine Nase Richtung der untergehenden Sonne.
So und nun musste ich nur noch den Weg zu Icans Haus wiederfinden...

~

Als ich eine halbe Stunde später immer noch durch die Gegend irrte, entschied ich mich Eros zu kontaktieren. Der sollte mir dann nochmal deren Adresse schicken.
Also fischte ich mein Handy aus der Hosentasche und bemerkte sofort, dass ich ja noch nicht mal die Telefonnummer der beiden hatte. In dem Moment hätte ich mir selbst eine reinziehen können. Tat ich dann allerdings doch nicht, denn kurz nach dem Telefonfail entdeckte ich die mir bekannte Straße, in welcher das Haus von Ican und Eros stehen musste. Schon irgendwie komisch. Erleichtert suchte ich die Hausnummer der beiden und lief immer weiter bis ich einen freien Blick auf die Fassade werfen konnte. Ich fühlte mich schon irgendwie wie ein Stalker. Nachts, im Dunkeln, vor einem fremden Haus stehend und dieses mustern. Der Gedanke ließ mich leise vor mich hin schmunzeln und vorsichtig trat ich auf die Tür zu.

Scheiße nur, dass mich  genau in diesem Moment eine Welle der Angst erfasste. Unsicher und nervös stand ich nun also genau vor der Haustür, gegen den Willen meiner Mutter und überlegte, ob ich nun klingeln sollte oder doch nicht mehr. Vielleicht gab es einen Grund weshalb Mutter nicht wollte dass ich heute hier her komme? Ach Quatsch...

Die Entscheidung wurde mir allerdings abgenommen, als von drinnen wütende Schreie zu hören waren und plötzlich mit einem starken Ruck die Tür aufgeschmissen wurde. Vor mir stand niemand anderes, als der kleine Traver mit Tränen gefüllten, riesigen Augen.

Demons Game-Boyxboy !ABGEBROCHEN!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt