Träumereien

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Auf der Rückfahrt verliert Storm sich immer mehr in Träumereien um den jungen unbekannten Mann. Das Fahren gelingt ihr dabei wie von selbst. In ihrer Fantasie sieht sie sich selbst in Almich's Laden an der Gemüsetheke stehen, wie sie sich Zucchinis aussucht.

Dann kommt der fremde, hübsche Mann. Er strahlt sie an. Hat nur noch Augen für sie! Und wie eben im realen Leben zersaust ein Windhauch ihr Haar. Bebt der Boden unter ihren Füßen und sie beide sind wie in einer traumhaft schönen Seifenblase gefangen ...

Storm fällt sofort der kleine Unterschied zwischen Realität und Träumerei auf. Sie notiert sich diese Tatsache in ihrem Gedächtnis. In ihrem Tagtraum hat das Beben plötzlich nichts Beängstigendes mehr an sich. Es scheint, als wisse sie nun mehr und dieses Wissen gibt ihr ein merkwürdiges Gefühl von Sicherheit!

Dieses Mal verschwindet Maunloa auch nicht einfach in der Menge und lässt sie stehen, sondern er schlendert sicher auf sie zu. Während er näher kommt, lächelt er sie an und ihr Herz kracht immer aufgeregter gegen ihre Rippen. Als er sie verliebt anstrahlt und nach ihrer Hand greift, hat Storm das Gefühl, als ob ihr Herz Funken der Freude schlagen würde. Ein wahres Feuerwerk der kribbelnden Liebe explodiert in ihrem Inneren. Hand in Hand verlassen sie beide den Laden. Draußen scheint die Sonne und die Leute von ihrem Stamm stehen festlich gekleidet Spalier. Sie sieht an sich herunter und bemerkt, dass sie das traditionelle Hochzeitsgewand ihres Stammes trägt. Es wird gelacht, gesungen und gejubelt. Storm schaut ihren Begleiter glücklich an, der sie ebenso erfüllt anstrahlt. Ihr Herz schlägt unregelmäßig. Sie spürt, wie glücklich sie ist! Sie hat es geschafft. Der Fremde und sie sind jetzt Mann und Frau. Sie würden ein glückliches Leben im Reservat führen und viele hübsche Kinder bekommen. Sie sieht sich mit ihm auf ihrer Veranda sitzen. Um sie herum spielen ihre zahlreichen Enkelkinder im Garten. Sie beide würden glücklich sein, bis ans Ende ihrer Tage!

Storm erwacht aus ihren Träumereien, als ein Wagen hinter ihr ungeduldig hupt. Die Ampel ist auf grün umgesprungen und sie steht immer noch an der Haltelinie. Langsam fährt sie an und bedankt sich bei dem anderen Fahrer, obgleich dies nicht im Mindesten ihren wahren Gefühlen entspricht! Lieber hätte sie ihn aus seinem Wagen gezerrt und ihn angeschrieen, was ihm denn nur einfiele, sie aus ihren Träumen zu wecken.

Während sie weiterfährt, versucht sie krampfhaft, sich die schönen Träumereien wieder nahe zu holen, doch es gelingt ihr nicht mehr. Sie seufzt ergeben. Dann, als die Träume wirklich nicht wiederkommen wollen, beansprucht sie ihr Gedächtnis. Der bloße Gedanke an Maunloa's Lächeln erhellt ihre Sinne. Es fühlt sich an, als habe ihre Seele jahrelang in einem Gefängnis gelitten.

In ihrem inneren, überall unter der Haut, in den Knochen und in den Muskeln spürt sie etwas, das sich anfühlt, als trüge sie Schürfwunden und Narben mit sich herum, obgleich ihr Körper äußerlich betrachtet mehr als gesund wirkt! Dieses Gefühl ist ständig da und schmerzt. Doch das Lächeln des jungen Mannes im Laden eben war in der Lage gewesen, all das fortzuspülen.

Wie schön wäre es doch, mal jemandem außerhalb des Stammes mein Geheimnis verraten zu können! Mit jemandem, der nicht zur Familie gehört darüber zu sprechen. Das könnte ja so erfüllend sein! Und wenn es mit der Hochzeit dann funktioniert ...

wird Paytah mich hoffentlich auch endlich mal in Ruhe lassen!

Paytah ..., wieder seufzt sie in Gedanken an ihren besten Freund und lästigsten Verehrer. Er will einfach nicht einsehen, dass sie ihn nicht heiraten wird! Wann wird er endlich mal verstehen, dass ihre Freundschaft einfach nicht mehr ist, als genau das?

Die junge Frau grinst in sich hinein. Gleich darauf wandern ihre Gedanken wieder zu Maunloa und den Geschehnissen in Almich's Market. Sie versucht sich jeden einzelnen Moment nochmal ganz nahe zu holen. Strengt sich an, die gleichen Empfindungen in ihr Innerstes aufzunehmen, wie sie es nur kurz zuvor erlebt hat. Und es gelingt ihr auch!

Es kommt ihr so vor, als könne sie noch einmal ihr höher schlagendes Herz spüren, wenn sie ihm in die Augen sieht. Sie spürt das Rumpeln und Beben in ihren Fußsohlen. Ihr wird heiß und kalt zugleich.

Heiß, weil sie sich hoffnungslos verliebt hat. Verknallt wie ein Teenie trifft es wohl eher, denkt sie sich und schimpft ein wenig mit sich selbst. Denn sie weiß genau, wie albern das alles für ihr Alter ist.

Und kalt, weil sie sich mit der aufkommenden Erinnerung auch die Illusion zunichte macht, das er einfach nur ein normaler Mensch ist. Sie sieht es förmlich!

Dieser schuldbewusste Blick, als das Beben nachgelassen hat. Es kann einfach nicht anders sein!

Oder doch?

Sollte es tatsächlich möglich sein, dass es doch noch andere gibt? Menschen mit ähnlichen Fähigkeiten, wie in ihrem Stamm? Bisher hat sie von so etwas noch niemals gehört. Soweit sie sich zurück erinnern kann, hat man ihr immer gesagt, dass sie und ihre Familie die einzigen wären. Das es sonst in der gesamten weiten Welt so etwas wie ihre Familie und ihren Stamm nicht noch einmal gäbe. Alle hatten ihr diese Tatsache von frühster Kindheit an so beigebracht. Könnte es etwa sein, dass sie gelogen haben?

Nein!, Storm schüttelt den Kopf, als würde sie sich in echt mit jemandem unterhalten. Das kann sie sich beim besten Willen nicht vorstellen! Viel wahrscheinlicher scheint da schon, dass sie wirklich alle keine Ahnung davon gehabt haben. Das sie ihr nur beigebracht haben, wovon sie selbst überzeugt sind.

Storm grinst in Anbetracht dessen, was sich in ihren Gedanken vor ihr ausbreitet.

Na! Die werden sich aber gehörig wundern, sollte ich Recht behalten, denkt sie frohlockend bei sich.

Endlich geschieht mal etwas in ihrem sonst nicht schlechten aber doch etwas eintönigem Leben.


Alle Rechte an Text und Bild liegen bei mir!

Maunloa & StormWhere stories live. Discover now