Entdeckung

75 3 0
                                    


Storm ist gerade mit ihrem Einkauf beschäftigt, als es geschieht. Einem der banalsten Dinge, die in ihrem Leben stattfinden. Eigentlich mag sie die blöde Fahrt zu Almich's Market nicht einmal. Doch genau jetzt und hier soll sich ihr Leben von Grund auf ändern, das spürt sie genau! Und alles nur, weil sie hier ist.

Hier in Granite Falls, Minnesota in Almich's Market, zwanzig Kilometer von Zuhause entfernt.

An der Gemüsetheke fällt ihr Blick zum ersten Mal auf Maunloa. Zuerst schaut sie schnell wieder weg, weil sie gar nicht genau hingesehen hat. Doch schon in derselben Sekunde, als sie ihre Augen senkt, hebt sie auch gleich wieder ihren Blick.

Maunloa ist wahrlich diesen zweiten Blick wert!

Groß, schlank, muskulös. Ein gewinnbringendes Lächeln, mit absolut attraktiven Grübchen, die zum dahinschmelzen einladen. Strahlend dunkle Augen und dunkle, ja fast schwarze Haare, die etwas wirr von seinem Kopf abstehen und ihm den Hauch von etwas wildem verleihen.

Innerlich wäre Storm ihm am liebsten um den Hals gefallen und hätte ihm ihre Liebe gestanden, obgleich sie Maunloa gerade zum allerersten Mal in ihrem Leben sieht. Manchmal hat sie solch wilde Tagphantasien und fragt sich hin und wieder insgeheim, wie die Menschen darauf reagieren würden, wenn sie sie tatsächlich Ausleben würde. Doch dafür ist sie viel zu ängstlich. Da wo sie herkommt würde das nur endloses Getratsche und Ärger mit dem einen oder anderen Stammesangehörigen bedeuten.

Während sie in Tagträumereien um Maunloa dahin schmilzt, kommt ein leichter Wind auf. Er verwuschelt ihre dunkelbraunen Haare und lässt sie für den Hauch einer Sekunde in der Luft stehen, ehe er wieder abflaut. Verstohlen sieht Storm sich um. -Hat jemand was bemerkt?

Wohl kaum!, resümiert sie nur Sekunden später erleichtert aus dem normalen Verhalten ihrer Umgebung. Es ist anscheinend niemandem aufgefallen, wie unnormal solch ein Windstoß mitten im Laden sein muss. Sicherlich sind die anderen Kunden mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Und selbst wenn es jemandem aufgefallen wäre, es hätte auch ein Luftzug von der Tür her sein können.

Erleichtert, dass niemand darauf reagiert, macht Storm sich ihrer Meinung nach unauffällig daran, Maunloa weiter zu bewundern. Dafür heuchelt sie ein nicht vorhandenes Interesse für Rispentomaten vor, die sie nicht weniger minder benötigt, da selbige fast wie von allein in ihrem Garten wachsen.

Gleichzeitig bedauert sie zutiefst, dass das nette Lächeln Maunloa's eben nicht ihr gegolten hat, sondern einer Verkäuferin, die ihn beraten hat. Storm seufzt voller Sehnsucht und schaut aus den Augenwinkeln heraus noch einmal verstohlen zu Maunloa hinüber, dessen Namen sie noch nicht einmal kennt. Sie hat ihn noch niemals zuvor hier gesehen. -Bei meinem Glück vermutlich nur ein durchreisender Tourist, denkt sie bedauernd bei sich. Am liebsten hätte sie vor Enttäuschung angesichts ihrer recht logischen Einsicht die Tomaten in ihren Händen quer durch den Laden geschmissen. Doch nur kurz darauf ermahnt sie sich selbst positiv zu bleiben und verwandelt den -durchreisenden Tourist in ihren Gedanken zu einem neu in die Gegend gezogenen Mann.

Während sie ihn genauer betrachtet, fällt ihr auf, dass er den Leuten aus ihrem Stamm nicht unähnlich sieht. Er wirkt indianisch, definitiv! Dennoch spürt sie, dass er kein Sioux ist. Er gehört ganz sicher keinem Clan oder Stamm an, den sie kennt!

Maunloa groß und sportlich gebaut, beugt sich prüfend über einen Karton voller Zucchinis und sucht sich zwei heraus. Als er den Blick hebt, um nach einer Tüte Ausschau zu halten, begegnen seine Augen wie zufällig Storm's.

Mit einem Mal verharren beide in ihren Positionen, als seien sie gelähmt. Eingefroren. Keiner kann den Blick vom anderen nehmen. Es ist für beide, als bliebe die Welt stehen. Es existierten nur noch sie. Jeder von ihnen meint, den Herzschlag des anderen hören zu können. Ihn förmlich zu spüren. Und doch weiß keiner von ihnen sicher, was der andere fühlt.

Maunloa & StormWhere stories live. Discover now