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Mit noch immer vor Nervosität zitternden Fingern klopfte Hermine an die Tür des Fuchsbaus. Sie hatte sich viel zu viele Gedanken um das bevorstehende Gespräch gemacht. Sie würde das jetzt durchstehen. Und einen Rückzieher konnte sie eh nicht mehr machen, da sie schon die schweren Schritte von Mrs Weasley hinter der Tür hören konnte.

Sie zwang sich dazu, ein freundliches Lächeln aufzusetzen, auch wenn sich ihr der Magen umdrehte und sie vor Übelkeit nicht mal wagte, den Mund aufzumachen. ,,Hallo, Mrs Weasley", begrüßte sie die mollige Frau vor ihr freundlich. ,,Hermine, Schätzchen!" Die Rothaarige vor ihr breitete die Arme weit aus und umarmte sie. ,,Wie schön dich zu sehen!", sagte sie, während sie ihr mit beiden Händen über den Rücken strich. Augenblicklich schossen Schuldgefühle in ihr hoch. Sie hatte es nicht verdient, so freundlich und herzlich behandelt zu werden, und erst Recht nicht von der Mutter von Ron. 

Mühsam schluckte sie die Schuldgefühle herunter. Sie würde das jetzt in Ordnung bringen. Und danach würde sie wieder ein gutes Gefühl haben können.

,,Komm doch rein, ich habe gerade Essen gemacht! Kartoffel-Auflauf, möchtest du auch etwas?" Mrs Weasley ließ sie los und führte sie in die gemütliche Küche. Während sie die Tür hinter sich zuschlagen hörte, konnte Hermine einen angenehmen Geruch nach Kartoffeln wahrnehmen. Und tatsächlich, auf dem Tisch vor ihr befand sich eine hellbraune Porzellan-Schale, in dem sich das Gericht verbrannt. Augenblicklich lief Hermine das Wasser im Mund zusammen, doch sie war nicht hier, um etwas zu essen.

Sie schüttelte lächelnd den Kopf. ,,Nein, danke, Mrs Weasley. Sagen sie, ist Ron sie? Ich muss mit ihm reden."

,,Ja, er hat sich in seinem Zimmer verbarrikadiert. Schon seit Tagen, komisch, ich weiß gar nicht, was mit ihm los ist. Er wollte partout nicht mit mir reden. Weißt du zufällig näheres?", hakte die kleine Frau, die zu ihr aufsehen musste, neugierig nach. Sie nickte. ,,Aus diesem Grund bin ich hier. Kann ich zu ihm?"

,,Wenn du zu ihm reinkommst, gerne", kam die Antwort. ,,Ich würde mir wünschen, endlich mal wieder einen gut gelaunten Sohn zu haben. George hat Stress wegen einer Warenlieferung in seinem Scherzartikel-Laden, Charlie versucht gerade, das Leben eines verwundeten Drachen zu retten und Bill muss einen Diebstahl bei Gringotts aufklären. Alle also viel zu tun und Ron ist jetzt scheinbar ohne jeden Grund deprimiert. Wie schön wäre es, endlich mal wieder ein wenig gute Laune ins Haus zu bringen."

Hermine schluckte. Die Weasleys hatten Stress und sie musste auch noch die Nachricht überbringen, dass sie mit einem ehemaligen Todesser zusammen war. Wie sie sich schon darauf freute. Ihr Timing hätte nicht besser sein können.

,,Das tut mir Leid. Vor ein paar Wochen hatte ich auch eine stressige Phase, aber das geht wieder vorbei." Die Rothaarige nickte. ,,Ja, bestimmt. Möchtest du wirklich nichts weiter zu essen? Du siehst so unterernährt und dürr aus!"

,,Nein, danke", lachte Hermine. Sie liebte Molly. Diese kleine, fürsorgliche Frau, die alles im Griff hatte und immer für Ordnung sorgte, egal, wie aussichtslos und chaotisch die Situation gerade wirkte. Die Frau, die sich nach dem Krieg wie eine Mutter um sie gekümmert hatte. 

,,Ich will dich nicht weiter aufhalten. Du weißt ja, wo Rons Zimmer ist."

Die mollige Frau griff nach einem Putzlappen, während Hermine die Treppe bis kurz unters Dach hinaufstieg. Unterwegs fiel ihr auf, wie leer das Haus war. Und wie still. Es hatte immer Leben hier drin geherrscht, nie war ein Zimmer unbenutzt gewesen. Das Haus war voll bis unters Dach gewesen, selbst der Dachboden wurde von einem alten Ghul bewohnt, von dem sie sich wunderte, dass er keinen Lärm veranstaltete. Schließlich machten Ghuls ohrenbetäubend laute Geräusche, wenn es ihnen zu ruhig im Haus wurde, und das war jetzt der Fall.

Sie kam an Ginnys Zimmer vorbei, in dem sie auch öfters übernachtet hatte. Ein kurzer Blick hinein verriet ihr, dass das Zimmer noch immer so aussah, wie vor ein paar Jahren. Ein Schmunzeln schlich sich auf ihre Lippen. Wenigstens war das erhalten geblieben.

Ein paar Minuten später war sie weitere Treppen bis nach ganz oben hoch gestiegen, bis sie schließlich vor der Tür von Rons Dachkammer stand. Aus dem Inneren waren keine Geräusche zu hören, und dennoch zweifelte sie nicht an, dass Ron dort drin war. Zu einen glaubte sie Mrs Weasley, und da Ron ihr eigener Sohn war, musste sie es ja schließlich wissen, und zum anderen war das Rons Art. Und sie kannte ihn schon Jahre.

Wie schon vor dem Fuchsbau wollten ihre Füße sich nicht bewegen und suchten verzweifelt etwas, in das sie sich reindrücken konnten, doch außer den Spalten in den morschen Holzbrettern fanden sie nichts. Wieder fingen ihre Finger an zu zittern. Sie hatte Ron verletzt. Nur ihretwegen ging es ihm jetzt so schlecht, nur wegen ihrem Egoismus lag er jetzt da drin.

Sie gab sich einen Ruck. Sie war hier, um sich zu entschuldigen. Sie war hier, um das wieder gut zu machen. Und sie würde das wieder gut machen und danach hatte sie keinen Grund mehr, für ein schlechtes Gewissen.

Sie trat einen Schritt vor und klopfte an die Tür. ,,Ron?" Sie hörte keine Antwort, während sie den Atem anhielt und der Stille lauschte. Noch einmal klopfte sie. ,,Ron? Ich bin es, Hermine. Bitte lass mich rein, ich will reden. Und mich entschuldigen." Wieder wartete sie angespannt ein paar Sekunden, in denen sie Staubteilchen beim Herumfliegen in der Sonne beobachtete und dem leisen Knarzen des Holzes lauschte. Doch noch immer kam keine Antwort von Drinnen. ,,Ron? Bitte. Es tut mir Leid, was ich getan habe, war egoistisch. Das ist alles meine Schuld, du hättest es nicht so herausfinden sollen. Ich möchte mich wirklich, wirklich dafür entschuldigen. Aber das geht nur, wenn du die Tür aufmachst." 

Erneut wartete sie ab. Und erneut blieb es still. Sie schloss verzweifelt die Augen, schüttelte den Kopf und wünschte sich auf den Mond. Er würde ihr nicht verzeihen und wenn Ron ihr nicht verzieh, dann würde die gesamte Weasley-Familie ihr nicht verzeihen. Und damit könnte sie nicht leben. Sie widerstand dem Drang, ihren Kopf gegen die Wand zu schlagen und begnügte sich damit, die Fingernägel in ihre Handfläche zu rammen.  

Die Tür einfach zu öffnen, egal ob mit Hand oder Zauberstab, würde dazuführen, dass sie Ron überrumpeln würde. Solange er die Tür nicht freiwillig öffnete, war er noch nicht bereit. Natürlich musste man Ron manchmal zur Vernunft zwingen, doch jetzt einfach so sein Zimmer, seinen Rückzugsort, zu betreten, wäre unhöflich und würde Ron nur noch wütender machen. Oder ihn noch mehr deprimieren. Das kam ganz darauf an, ob er sie gerade umbringen oder einfach nie mehr sehen wollte. 

Bitte mach auf, Ron, bitte mach auf.

Auf einmal hörte sie ein Klacken im Schloss und die Tür schwank ein wenig auf.

Ron hatte aufgemacht. 



Zufall mit HindernissenWhere stories live. Discover now