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,,Wie war das Gespräch mit meiner Mutter?" Draco drehte sich um und stieg die Treppe hoch, nachdem sie Narzissa verabschiedet hatten. Nach Hermines Gespräch mit ihr hatte diese lediglich noch ein paar Minuten mit Draco verbracht und sich dann auf den Heimweg gemacht. Zu Hermines Erstaunen war sie nicht aggressiv geworden. Sie hätte nicht erwartet, dass sie ausfallend geworden wäre, denn das hätte nicht zur eleganten Frau gepasst, doch dass Narzissa die Beziehung zwischen ihr und Draco akzeptierte, hatte sie doch überrascht. 

,,Es lief gut. Sie akzeptiert mich." Er hob skeptisch eine Augenbraue. ,,Was? Sie akzeptiert dich? Ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell geht." Sie kamen im Salon an und ließen sich in die weichen Sessel sinken. Hermine ergriff seine Hände und streichelte sie sanft mit ihrem Daumen. ,,Ich muss mich bei dir entschuldigen. Offenbar hat deine Mutter ihre Einstellung wirklich geändert; ich hätte nicht so intolerant sein dürfen." Er schüttelte gütig den Kopf. ,,Nein, ist schon gut. Ich kann das verstehen, es gibt auch in meinem Bekanntenkreis einige Leute, denen ich nicht traute und denen ich heute aufgrund einer guten Tat von ihnen so einiges schulde. Ich gebe es äußerst ungern zu, aber Potter ist einer dieser Leute."

Sie ließ seiner Hände los und lehnte sich gegen die Sessellehne. Seine Augen verengten sich ein wenig. ,,Was ist los? Hermine?" Dass er Harry ansprechen würde, hatte sie nicht erwartet und dementsprechend war sie nicht darauf vorbereitet, ihre Emotionen zu verstecken. Er hatte ihren kurzen, aber dennoch panischen und unsicheren Blick bemerkt haben müssen, denn seine Augen weilten unablässig auf ihrem Gesicht. Sie hätte klüger sein müssen.

Hermine atmete tief ein und aus und bemühte sich um eine gleichmäßige Atmung. Sie wollten über alles reden. Sie musste es ihm sagen und durfte keinen Rückzieher mehr machen; es war eh schon zu spät. ,,Wir wollen über alles reden. Jetzt, mh?" Er nickte. ,,Ja, das hatten wir doch so ausgemacht. Musst du noch weg?" Sein Blick wurde immer verwirrter. Ohne darüber nachzudenken schüttelte sie den Kopf. ,,Nein, nein, muss ich nicht. Wenn wir jetzt über alles reden wollen, dann müssen wir auch wirklich alles ansprechen und können nichts auslassen. Richtig?" Wieder ein irritiertes Nicken.

,,Gut. Dann muss ich dir nämlich etwas sagen. Aber nur wenn du versprichst, auch wirklich zuzuhören und mich ausreden zu lassen." 

,,Natürlich."

Sie holte tief Luft. Das musste sie jetzt durchziehen. ,,Harry und ich... wir haben... wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Aber nur, weil er mich um Hilfe mit Ginny gebeten hatte", fügte sie schnell an. ,,Das hatte ich dir ja schon erzählt. Wir haben uns einmal in meiner Wohnung und sonst immer in einem Cafe an einer belebten Straße getroffen. Es war immer alles freundschaftlich zwischen uns. Nur einmal... da war so ein Moment zwischen uns... wir hatten ziemlich langen Augenkontakt. Und intensiven. Es ist nichts passiert, nein", sagte sie hastig, während Draco ihr mit ausdruckslosem Gesichtsausdruck zuhörte. ,,Ich bin auch auf Abstand gegangen und habe ihm das auch gesagt. Seit ein paar Tagen haben wir keinen Kontakt mehr."

Gespannt wartete sie seine Reaktion ab. ,,Es ist wirklich nichts passiert. Das war nur Augenkontakt", sagte sie ein wenig verunsichert, während Draco noch immer schwieg. Im Raum war es unangenehm still, sie konnte jedes einzelne kleine Geräusch hören. ,,Und was hast du jetzt vor?", fragte er endlich nach einer halben Ewigkeit. ,,Nun, ich denke, dass wir weiter Freunde bleiben. Schließlich haben wir alles zusammen durchgestanden und wissen auch alles voneinander; das können wir nicht wegwerfen. Aber unsere Beziehung zueinander wird wirklich nur rein freundschaftlich sein. Ich wollte nur, dass du das weißt; ich habe mich schuldig gefühlt."

Sie konnte seinen Atem hören, als er sich ebenfalls anlehnte. ,,Okay", antwortete er erneut nach gefühlten Stunden. Mit vollerer Stimme kam ein erneutes ,,Okay" und ein ,,Ich vertraue dir". 

,,Danke", sagte Hermine erleichtert. ,,Draco, es bedeutet mir wirklich viel, dass du mir verzeihst. Wirklich." Er nickte. Wieder schwiegen sie beide. ,,Nun, aber wir wollten nicht nur über den Augenkontakt zwischen dir und Potter reden. Sondern über alles", ergriff er nach einem Moment der Stille wieder das Wort. Sie nickte. ,,Es tut mir Leid, dass ich dachte, deine Eltern hätten noch immer ihre frühere Einstellung. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich dir nicht geglaubt habe. Denn zumindest von deiner Mutter weiß ich, dass sie sich geändert hat. Zum Positiven."

,,Sie hat sich nie Voldemort anschließen wollen", kam Dracos Antwort. ,,Doch dadurch, dass sie in eine Familie, die Voldemort schon seit seiner Schulzeit treu war, einheiratete, lagen auch gewisse Erwartungen auf ihr. Und die musste sie erfüllen, egal, ob sie wollte oder nicht. Es wäre zu gefährlich für sie gewesen. Und du musst wissen, dass sie meinen Vater auch nicht freiwillig geheiratet hat. Damals war es so üblich, zwei Leute wegen Geld oder dem Image zu verheiraten, wie du sicher weißt." Sie nickte zur Bestätigung. 

,,Nun, mein Vater wurde in diese Todesser-Familie hineingeboren. Schon als Kind wurden ihm Dinge beigebracht, die heute verboten sind. Er wurde so erzogen, ihm blieb nichts anderes übrig, als diese Einstellung zu teilen. Und Voldemort drohte auch ihn umzubringen. Er musste also all diese schrecklichen Dinge tun, die er nun mal tat."

,,Deine Eltern waren also beide nicht freiwillig auf Voldemorts Seite und sind eigentlich gute Menschen", schlussfolgerte sie. Er nickte. ,,Ja, Aber auch nein. Ich denke, dass der Mensch gut auf die Welt kommt und dann durch die Welt verdorben und böse wird. Meine Eltern taten Dinge, die sie nicht hätten tun müssen. Sie verfielen dem Rausch der Macht, dem des Geldes. Sie taten fast alles, um in Voldemorts Ansehen zu steigen. Sie, oder besser gesagt mein Vater, waren nicht freiwillig in seinen Reihen, doch die Lage spitzte sich zu. Einmal Todesser, immer Todesser. Es gibt kein zurück. Und da mein Vater die Einstellung Voldemorts teilte, zumindest was die Muggel und die Zaubererherrschaft über die Welt angingen, hieß er auch einige Entscheidungen von ihm gut. Nicht alle, aber aber auch nicht wenige. Ich will sagen, dass ich nicht stolz auf meine Eltern bin. Sie haben Voldemort im letzten Moment den Rücken gekehrt und das ist auch gut so. Aber es gibt nun einmal unverzeihliche Dinge, die man nicht vergessen kann, selbst wenn man im letzten Moment die richtige Entscheidung trifft und seine Taten bereut. Reue macht nicht alle Dinge wieder gut. Und genau das ist es, warum ich nicht stolz darauf bin, ein Malfoy zu sein. 

Ich war es mal lange Zeit. Aber da dachte ich auch noch, dass Voldemort die Welt zu einem besseren Ort machen würde und die Muggel nur unnütze Werkzeuge, die zu nichts in der Lage sind, sein würden. Ich wurde dazu erzogen, das zu denken. Doch erst als Voldemort aktiv anfing, meine Familie zu bedrohen, wurde mir klar, wie blind ich gewesen war. Doch es gab kein zurück mehr. Ich wollte es so sehr. Ich wollte so sehr mit den schrecklichen und grausamen Dingen aufhören, die ich tun musste. Deine Schreie verfolgen mich bis heute noch und ich schäme mich dafür, sie hilflos mitanhören zu müssen. Ich konnte nichts tun. Es ist grausam und ungerecht. Aber es war mir vorbestimmt, ein Todesser zu werden. Ich konnte nichts daran ändern. Und mein Vater auch nicht. Mein Großvater Abraxas hätte nicht auf Voldemorts Lügen reinfallen dürfen. Doch es war leider unvermeidbar, die Malfoys waren schon immer eine Familie mit viel Geld und Ansehen. Und das wollten wir um jeden Preis behalten.

Ich muss mich auch bei dir entschuldigen, Hermine. Dafür, dass meine dunkle Seite in mir noch immer existiert. Dafür, dass ich nichts tun konnte, als du gefoltert wurdest. Dafür, dass ich dir nicht vertraut habe. Dafür, dass ich wütend auf dich war, weil dich die Vergangenheit eingeholt hat. Dafür, dass ich früher so ein Arschloch war und dich wie Dreck behandelt habe. Ich weiß, dafür gibt es eigentlich keine Entschuldigungen mehr, doch es ist ein Anfang."

Sie schüttelte den Kopf und beugte sich vor, um seine Hände ergreifen zu können und sie fest zu drücken. ,,Nein, Draco, das ist kein Anfang. Den Anfang haben wir schon längst hinter uns. Du hast bereits alles wieder gut gemacht. Du bist ein guter Mensch und du kannst stolz darauf sein, dass du während des gesamten Krieges gut geblieben bist. Dass du nicht so grausam warst wie die anderen, die mit Freude gemordet und gefoltert haben. Allein dass du in der Lage bist, mich, Hermine Granger, deine einstige Feindin, zu lieben, spricht dafür, dass dein Herz gut ist. Reue kann nicht alle Dinge wieder gut machen, da hast du Recht. Doch vermischt mit Liebe kann sie Berge versetzten. Und ich weiß, dass du mich liebst, Draco Malfoy, du guter Mensch. Und ich tue das auch. Ich liebe dich."

Zufall mit HindernissenWhere stories live. Discover now