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Mit nervös zitternden Händen stand Hermine einige Meter vom Fuchsbau entfernt auf einem der vielen Hügel. Das etwas schiefe Haus, welches mehr in die Höhe statt in die Breite gebaut worden war, ragte vor ihr auf und schwankte ein wenig im Wind. Wenn man drinnen war, spürte man nicht viel von dem Wind draußen, doch von außen schwankte das Haus sichtbar, manchmal sogar bedrohlich, so als ob es jeden Moment einstürzen würde. Anscheinend waren die Materialien nicht die selben gewesen, wie vor dem Wiederaufbau. Bevor Bellatrix Lestrange und Fenrir Greyback das Haus und Heim der Familie Weasley in Brand gesetzt hatten.

Sie war nicht persönlich dabei gewesen, sie hatte die Weihnachtsferien mit ihren Eltern verbracht, welche jetzt in Australien lebten. Aber Harry und Ron hatten ihr ausführlich von dem Todesser-Angriff erzählt. Einen Moment lang war sie froh, nicht persönlich dabei gewesen zu sein. Und im gleichen Moment kroch die Schuld ihr in den Nacken. Ihre Freunde waren angegriffen worden und sie war froh darüber, selbst in Sicherheit zu sein, anstatt ihnen zu helfen.

Es musste schrecklich gewesen sein, zuzusehen, wie der Fuchsbau, ein wunderschönes zuhause, in Flammen gestanden hatte und wie man nichts hatte tun können, um ihn noch zu retten. Wenigstens war er wieder einigermaßen aufgebaut worden. Zwar war er nicht exakt gleich wie der alte, doch es war trotzdem immer noch ein Zuhause. Ihr Zuhause.

In diesem Haus hatte sie so viele schöne Momente verbracht. Sie konnte sich noch genau daran erinnern, wie sie die riesige Hütte das erste Mal gesehen hatte. Sie hatte bei Ginny übernachtet, in den Ferien nach dem 1. Schuljahr, und war so fasziniert von dem Haus mit all seiner Magie gewesen, dass Ginny sie daran hatte erinnern müssen, den Mund wieder zuzumachen. Die sich selbst putzenden Küchengeräte und Mrs Weasleys magische Uhr hatten ihr den Atem geraubt. 

Mit einem Lächeln dachte sie an diese unbeschwerten Zeiten zurück. Natürlich war damals die Bedrohung von Voldemort auch schon real gewesen - doch sie waren noch Kinder gewesen. Für sie hatte gezählt, nicht allzu viele Regeln zu brechen, gute Noten zu schreiben und Hogwarts näher kennen zu lernen. Sie hatten sich nicht Gedanken um einen Krieg gemacht oder darüber, die eigenen Freunde zu verraten. Sie waren einfach sie gewesen, die sich zwar Gefahren stellten, aber es danach selbst noch als Mut empfanden, und nicht als Wahnsinn.

Wenn sie an den Krieg zurückdachte, hatten die Dinge, die sie getan hatten, weniger etwas mit Mut zu tun, als mit Wahnsinn und Dummheit. Sie hatten 24 Stunden am Tag ihr Leben riskiert und waghalsige Entscheidungen getroffen. Ab einer bestimmten Grenze war Mut kein Mut mehr, sondern Lebensmüdigkeit. 

Damals hatten sie noch nichts vom Krieg, der ihnen mal bevorstehen würde, gewusst. Sie waren unschuldig gewesen und hatten noch niemanden ernsthaft verletzt, verraten oder sogar getötet. Und wenn sie jetzt über ihre Kenntnisse über Hogwarts nachdachte, kannte sie vielleicht sogar zu viel von ihrer geliebten Schule. 

Hermines Gedanken schweiften zu Fleurs und Bills Hochzeit zurück. Die Trauung war wunderschön gewesen. Es war, als hätte die Welt sich für einen Moment aufgehört, zu drehen. Als befänden sie sich in einer Blase, die alles Unheil, was damals in der Welt geschehen war, einfach aussperrte. Als würde der Rest der Welt nicht existieren. Für einen kleinen, winzig kleinen Moment, war die Welt perfekt gewesen.

Und dann war die Blase geplatzt. Einfach so, ohne jede Vorwarnung. Sie wurden einfach so wieder zurück in die Realität gezerrt und mussten sich dort dem Schrecken und Terror stellen, der sie bedrohte. Der silberne Patronus, die beängstigende, betäubende Stille, die Schreie, der Lärm. Ihre Panik, ihre Ratlosigkeit, ihre Angst, Ron und Harry zu verlieren.

Nach dem Krieg hatten sie für ein paar Monate im Fuchsbau gelebt. Die komplette Weasley-Familie und Harry und sie. Sie waren Teil der Familie gewesen. Sie hatten zwar nicht das entsprechende Aussehen gehabt, doch Mrs Weasley war ihnen immer wie eine zweite Mutter gewesen und sie waren quasi im Heim der Rothaarigen aufgewachsen. Das war ihr Zuhause. Sie waren traumatisiert gewesen, hatten Angst vor dem Alleinsein und hatten wegen der Alpträume und der Schuldgefühle keine Nacht durchschlafen können. 

Zufall mit HindernissenWhere stories live. Discover now