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,,Harry", rief sie dem Schwarzhaarigen hinterher, der sich bereits ein paar Schritte von ihr entfernt hatte. Als er sich nicht umdrehte oder sonst irgendwie auf ihre Worte antwortete, eilte sie ihm nach, um ihn an der Schulter zu packen und zu sich umzudrehen. ,,Hey. Rede mit mir." Sein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. ,,Was gibt es denn zu reden, Hermine? Ich wüsste nicht, was wir bereden sollten." Er sah sie kalt und ohne jedes Verständnis in seinen grünen Augen an, was ihr einen kleinen Schock versetzte. So hatte sie ihn selten gesehen. So eisig und kalt, als wäre es tiefster Winter. 

,,Entschuldige mal, aber erinnerst du dich nicht an unser letztes Gespräch? In meinem Büro im Zaubereiministerium? Ich denke schon, dass wir reden müssen." Er zog die Augenbrauen zusammen. ,,Ja eben genau deswegen. Ich erinnere mich daran, dass du mir von deiner Beziehung erzählt und mich danach aus deinem Büro geworfen hast. Ich denke, dass das ein eindeutiges Anzeichen war, besser Abstand zu halten, so wie du es immer wolltest", antwortete er stur.

,,Ja schon, aber nur wegen..." Es fiel ihr schwer, es auszusprechen. Sie wollte nicht noch einmal zugeben, dass etwas zwischen ihnen beiden passiert war, auch, wenn es nur ein paar Sekunden waren, die sie sich zu lange in die Augen gesehen hatten. Aber sie wollte einfach nicht ihre Freundschaft ruinieren, indem sie etwas mit Harry anfing. Er war ihr bester Freund, den sie seit Jahren kannte und mit dem sie in einem Krieg Seite an Seite gekämpft hatte. Das wollte sie nicht aufgeben, nur weil sie einen Moment lang etwas anderes in ihm gesehen hatte, als einen Freund. Himmel, er war verlobt und sie in einer Beziehung. Das konnte und wollte sie nicht kaputt machen.

,,Wegen?", fragte er dreist nach und zog die dunklen Augenbrauen hoch. Manchmal konnte er wirklich ein Arsch sein. ,,Wegen diesem Moment zwischen uns beiden", sprach sie es endlich laut aus und holte tief Luft, um ihr Herz wieder zu beruhigen, welches wild gegen ihre Brust klopfte. Er schüttelte verständnislos den Kopf. ,,Wegen diesem Moment? Hermine, ehrlich, welcher Moment?" Sie verengte die Augen zu Schlitzen und legte den Kopf schief. ,,Ist das dein Ernst? Du hast den Augenkontakt doch mitbekommen? Du musst etwas gespürt haben!" Sie war sich bewusst, dass sie gerade ein wenig verzweifelt klang und es sich eher nach Wunschdenken anhörte, als nach Realität, doch etwas anderes blieb ihr nicht übrig und konnte sie sich auch nicht erklären. ,,Wie kommst du darauf?"

,,Du hast doch akzeptiert, dass wir uns vorerst nicht mehr sehen sollten. Du hast es verstanden und dich nach meinen Worten nicht mehr bei mir gemeldet und bist mir auch im Ministerium aus dem Weg gegangen", erwiderte sie, während ihr das Blut ins Gesicht schoss. Vor ihr stand ihr bester Freund. So eine Unterhaltung sollte sie nicht mit ihm führen. ,,Ja, weil du das gesagt hattest. Bedeutet nicht, dass ich etwas gespürt habe. Nach deiner Idee, unsere Freundschaft zu pausieren, hast du mich umarmt und bist gegangen, ohne dass ich noch etwas dazu sagen kannte. Das war alles."

,,Du hast davor noch gesagt, dass du mein Freund sein willst", warf sie ein. ,,Und dass du Ginny liebst und das zwischen uns nicht hätte passieren dürfen." Er nickte und setzte einen Blick auf, als wäre das, was er jetzt sagen würde, das einfachste und verständlichste auf der Welt. ,,Ja und auch, dass wir das vergessen sollten. Und du hast zugestimmt. Also ist dieser Moment zwischen uns offiziell nie passiert." Sie starrte ihn einige Sekunden lang mit offenem Mund an. Er hatte den Augenkontakt, die Funken zwischen ihnen, nicht vergessen, aber da sie beide ausgemacht hatten, dass das nichts zu bedeuten hätte, tat er einfach so, als wäre das nie passiert und lebte einfach sein Leben weiter, in dem er sie ignorierte? Diese Logik. Und sein Blick, der ihr mitteilte, dass das doch das logischste der Welt sei, machte ihre Situation auch nicht gerade besser.   

,,Ist das dein Ernst? Selbst jetzt, wenn ich darauf anspreche, bestehst du darauf, dass das nie passiert ist?" Er nickte verständnislos. ,,Ja. Ich tue nämlich, was meine Freunde von mir wollen. Oder was gut für sie ist." Er sagte das mit einem bestimmten Unterton in der Stimme, der sie misstrauisch machte. ,,Und wie war das jetzt gemeint?"

,,Oh, ich denke du weißt, wie ich das gemeint habe. Ron?"

Dieses eine Wort, diese drei Buchstaben, versetzten ihr einen Schock. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, würde ihr Herz einen Aussetzer machen. Er wusste davon? Woher? Er musste sie hassen. Ron war sein bester Freund und er hatte sich meistens auf seine Seite geschlagen, wenn sie sich mit dem Rotschopf gestritten und Harry hatte schlichten müssen. Was hielt er nun von ihr?

,,Wer hat dir davon erzählt?", hakte sie nach und versuchte, sich einigermaßen zu fassen. Und sie dachte, das hier würde ein vernünftiges Gespräch werden. Halbwegs irgendwie mit einem Ausgang, mit dem sie beide zufrieden waren. Hatte Ginny die Sache vor ein paar Tagen doch ausgeplaudert? Das würde sie ihr nicht zutrauen. Ginny war Ginny und Ginny konnte Dinge für sich behalten. Wer also hatte ihm davon erzählt?

,,Ron natürlich. Der hat nämlich keine Pause verlangt." Sie biss sich auf die Lippe. War ja klar gewesen. Ron. Der hatte natürlich nicht den Mund gehalten. Innerlich verpasste sie sich eine Ohrfeige. Sie hätte damit rechnen müssen. Harry stand in engem Kontakt zu den Weasleys und so sehr Ginny auch schwieg wie ein Grab, so wenig tat es ihr rothaariger Bruder. ,,Harry, hör bitte zu, ich kann es erklären." Okay, sie musste zugeben, dass das wie eine billige Ausrede klang, die dazu da war, Zeit zu schinden. Sie holte tief Luft, um möglichst glaubhaft zu wirken. Eigentlich sagte sie ja auch die Wahrheit, es gab keinen Grund, nervös zu sein. 

,,Ich weiß, dass das unfair von mir gewesen war. Ron und ich waren dort früher häufig gewesen und jetzt war ich da mit Draco. Ich hätte damit rechnen müssen, dass Ron uns sehen könnte und hätte das Risiko nicht eingehen sollen. Ich habe einen Fehler gemacht und das ist mir bewusst. Aber ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich jetzt mit jemand anderem zusammen bin."

,,Das hat ja auch niemand gesagt. Aber du hättest wenigstens aus Respekt vor der Vergangenheit nicht dahin gehen sollen. Ihr wart da früher immer, als ihr noch ein Paar wart. Das war euer Ort. Du kannst Ron nicht einfach durch jemand anderen ersetzen, Hermine, das geht nicht. Es hat ihm das Herz gebrochen." Innerlich entspannte Hermine sich ein wenig. Und gleichzeitig fing ihr Herz wieder an, vor Schuld zu schmerzen.

Einerseits war Harry ruhiger geworden und sein Tonfall verständlicher und beruhigender. Er verurteilte sie nicht mehr so und war auch gar nicht auf ihre Beziehung mit Draco eingegangen. Andererseits war sie schuld, dass Ron litt. Wieder einmal holte sie tief Luft. ,,Ich weiß, ich hätte das nicht tun müssen. Aber er klammert sich zu sehr an längst vergangene Zeiten, er muss lernen, los zu lassen."

,,Ja, das muss er. Aber das bedeutet nicht, die Vergangenheit komplett zu vergessen. Sie zu ehren, ist nie verkehrt", antwortete der Mann vor ihr, der nun wieder komplett ruhig war und dessen Tonfall sie dazu brachte, sich verstanden zu fühlen. Irgendwie zumindest. Sie nickte. ,,Ich werde mit ihm in ein paar Tagen reden, wenn er sich beruhigt hat." Sie wollte nicht weiter nachfragen, wie Rons Zustand denn noch so war. Schon die Information, dass sie ihm das Herz gebrochen hatte, war ihr zu viel gewesen. Sie wollte sich nicht noch schuldiger fühlen, auch wenn das egoistisch war. Aber sie hatte gelernt, dass man manchmal auch egoistisch sein musste, um weiter zu kommen. 

Harry nickte zur Zustimmung. Aber Hermine spürte, dass das Gespräch noch nicht vorbei war und wusste, dass sie noch einige Sachen klären mussten.


So, ein neues Kapitel ist da, von dem ich hoffe, dass es euch gefällt! Da das Ende beim letzten Mal so abrupt kam (was mir auch wirklich Leid tut): Es geht aufs Ende zu! Ob Hermine ihre Freundschaften wohl noch retten und gleichzeitig mit Draco zusammen sein kann?



Zufall mit HindernissenWhere stories live. Discover now