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Taehyung Pov

Der Raum ist deutlich wärmer als die Zelle, in der ich die letzten Wochen verbracht habe, das merke ich schon nachdem ich den ersten Fuß hinein setze

Es ist ein kleiner Raum, nur etwas größer als der Ort hinter Gittern, den ich jetzt wohl mein zu Hause nennen muss. Die Wände sind dunkeln, genau wie der ekelhaft graue Teppich unter meinen Füßen. 

Selbst der Holztisch und die simplen schwarzen Stühle schaffen es nicht ihn für mich ansehnlicher zu machen, denn die Wahrheit ist, dass ich diese Farbe schon lange nicht mehr ausstehen kann.

Alles an diesem verdammten Ort ist Grau. Der Boden aus Beton, die kahlen Wände, das Metall der Betten sowie das Kissen und die Decke. Sogar die Gefängniskleidung ähnelt mehr einem Grauton als dem gewünschten Weiß. 

Diese Farbe spiegelt mein Leben wieder. Es ist Grau, vollkommen Farblos, vollkommen Bedeutungslos. 

Vom Beamten begleitet setze ich mich auf einen der Stühle am Tisch, direkt gegenüber vom Mann, der mich mit verschränkten Händen und einem freundlichen lächeln begrüßt, wie jemanden den er lange nicht mehr gesehen hat. 

Einen Monat bin ich bereits an diesem Ort, an dem mir mit jedem Tag bewusster wird, wie schön es sogar auf der Straße im Gegensatz hierzu war, ein Monat indem mir mein Eindruck auf andere Menschen total egal geworden ist. 

Genauso dieser Mann. Es interessiert mich nicht was er von mir denkt, welche Meinung er sich über mich bildet oder was er hinter meinem Rücken erzählen wird sobald er diesen Ort verlässt.

Es ist mir egal. Alles ist mir egal.

"Wissen Sie wer ich bin, Mr. Kim?"

Ich lache, als er mich Mr. Kim nennt und tue es fast erneut, als ich sehe wie die Beamten aufzucken, nur weil ich meine Hände mit den Handschellen dran hebe und sie auf den Tisch lege.

"Ich habe keine Ahnung wer Sie sind und nennen Sie mich nicht so, das ist lachhaft."

Er scheint sich nicht viel aus meinen Worten zu machen, lächelt sie weg und zieht ein Foto aus dem Ordner direkt vor ihm. Es ist, als hätte er bereits mit solch einer Antwort auf die von ihm vorbereitete Frage gerechnet und es zurecht gelegt bevor er hierher gekommen ist. 

Widerwillig folge ich seiner Aufforderung mir das auf Papier ausgedruckte Foto anzusehen und kann förmlich spüren wie er mich dieses mal innerlich auslacht als meine Augen größer werden und ich das Bild an mich reiße.

Zuerst starre ich nur mich an, frage mich, wann ich diese Klamotten getragen, mir die Haare so gestylt und mit einem lächeln so posiert habe, bis mir wieder auffällt, dass meine Erinnerungen sich nach wie vor nicht wieder zu Wort gemeldet haben.

Dann erst fallen mir auch die anderen Menschen auf. Links neben mir steht ein älterer Mann, vielleicht in seinen sechzigern und neben ihm eine Frau in etwa demselben Alter. 

Es sind Menschen, die mir bekannt vorkommen, als hätte ich sie in einem längst vergangenen Traum gesehen. Nur einen erkenne ich wieder, definitiv und unverkennbar. Es ist der Mann der hier vor mir sitzt und der auf dem Bild rechts neben mir steht. 

"Mein Name ist Park Ilsung, ich bin der Anwalt Ihrer Familie." Er schiebt eine Visitenkarte mit seinem Namen, der Kanzlei, seiner Adresse und andere für mich wertlose Informationen drauf über den Tisch, aber ich mache mir nicht einmal die Mühe sie mir anzusehen.

Was soll ich damit tun? Ihm einen Besuch abstatten? Ihn anrufen wenn einer der anderen inhaftierten mir eine Kopfnuss verpasst?

"Meiner Familie? Ich habe eine Familie?" 

"Natürlich haben Sie eine Familie, eine recht bekannte sogar." Er zeigt auf den dürren Mann neben mir auf dem Bild. "Das ist Ihr Vater, Kim Yejun, ein Unternehmer in der Waffenindustrie und der größte Waffenproduzent in ganz Südkorea."

"Waffenproduzent?", frage ich schockiert über die neue Information. 

Es ist bereits schlimm und verwirrend genug, das ich innerhalb von einigen wenigen Minuten meine Familie kennenlerne, an die ich mich Monatelang nicht erinnern konnte, aber direkt danach zu erfahren das wir anscheinend mit Waffen handeln ist noch eine andere Sache.

"Auch Sie haben für die Firma gearbeitet, sollten sie sogar bald übernehmen." 

Ich? Der Sohn eines Unternehmers und noch dazu der von Waffen? Das ist mehr als schwer zu verkraften. Ich kann nicht begreifen das ich so viel vergessen haben konnte, dabei war das nicht mal ein Sandkorn von allem was mich wahrscheinlich noch erwartet, immerhin bin ich 23 Jahre alt, wenn das, was mir bei meiner Inhaftierung gesagt wurde stimmt. 

"Das kann nicht sein. Ich halte nichts von Waffen." 

"Der Kim Taehyung der hier vor mir sitzt hält nichts von Waffen, aber der Kim Taehyung der Sie damals waren, der war ein Naturtalent was das schießen anging."

Er sagt das mit Stolz und viel mehr als das mich diese neue Tatsache überrascht, schockiert sie mich und lässt die Angst vor mir selber nur noch stärker werden. 

"Das glaube ich Ihnen sofort, immerhin war ich in der Lage fünf unschuldige Menschen zu erschießen."

Das ist die Tat, die mir vorgeworfen wird. Mord an fünf Personen, zwei Erwachsenen und drei Kindern. Genauere Informationen kenne ich nicht, aber das reicht mir um mich selbst zu verachten. 

Ich frage mich was schlimmer ist, sich an die Taten, die man begannen hat zu erinnern, oder zu wissen, das man etwas so grausames getan hat und sich nicht daran zu erinnern. Leider habe ich keinen Vergleich und mit jedem Tag der vergeht glaube ich auch immer weniger daran, das ich diesen jemals haben werde.

"Wissen Sie um wen es sich bei den Opfern handelt?", fragt Mr. Park und ich schüttle zur Antwort einfach nur den Kopf.  "Dr. Song Jonghyun war ein Psychiater mit einer privaten Praxis in seinem Haus. Sie waren zu dem Zeitpunkt der Tat bereits sechs Jahre sein Patient."

"M-Moment", sage ich und hebe die Hände um ihm zu signalisieren das ich eine Pause brauche um das sickern zu lassen. Ich war sechs Jahre in Therapie gewesen? Warum? 

Ich kann das den Anwalt gegenüber von mir nicht fragen, er weiß sicher nichts darüber, immerhin sind die Akten eines Patienten Privat und der Arzt unterliegt einer Schweigepflicht, aber ich muss es wissen.

"Wieso... Wieso sollte ich meinen Psychiater umbringen?" 

Meine Stimme zittert, das Metall der Ketten an meinen Handschellen klirrt, weil ich nicht mehr einfach still da sitzen kann. 

"Diese Frage ist überflüssig", sagt er mir und zeigt mir einen USB-Stick der sich zwischen seinem Zeigefinger und dem Daumen befindet. "Denn Sie haben niemanden umgebracht."

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