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Jungkook Pov

"Erinnerst du dich noch an das Blonde Mädchen, welches so oft hier war das ich angefangen habe zu glauben sie würde hier leben?"

Jimin beugt sich nach unten und nimmt den Pappbecher mit heißer Schockolade in die Hand, die der Automat, von denen hier welche an gefühlt jeder Ecke stehen, gerade produziert hat.

"Das Mädchen, das immer nach mir verlangt hat?"

Er nimmt einen Schluck und nickt froh darüber das ich sofort wusste wen er gemeint hat. Es ist erstaunlich, das muss ich schon zugeben, denn normalerweise vergesse ich Patienten immer direkt nachdem sie das Krankenhaus verlassen.

"Findest du es nicht auch komisch?"

Eine Hand in der Tasche seines Kittels vergraben, die andere mit dem Becher in der Hand lehnt er sich an die Wand und sieht mich forschend an.

"Was soll ich komisch finden?", frage ich verwirrt.

Generell verstehe ich nicht wie wir überhaupt auf dieses Thema kommen. In der letzten Zeit unterhalten Jimin und ich uns eigentlich nur über Taehyung. Obwohl, das was wir tun kann man auch hat nicht Unterhaltung nennen.

Eigentlich bestehen unsere Gespräche nur aus meinem Betteln und Jimins Abweisungen. Er ist der einzige, der weiß wo ich Taehyung finden kann, es würde mir sogar reichen wenn ich seine Nummer bekommen oder er für mich eine Nachricht überbringen würde. Aber er will nicht.

Jedes Mal wenn ich also Hilfe von ihm verlange, sagt er mir nur das ich selber Schuld an meiner Situation bin und vergessen soll. Ich wünschte das würde so einfach gehen, aber das tut es nicht.

Ich spreche also lieber gar nicht mehr über Taehyung als mir von Dr. Jimin anzuhören wie ich mein eigenes Leben selber an die Wand geschmissen habe, denn das war er für mich.

Es hört sich an wie eine Übertreibung, wie Bedeutungsloser Kitsch, aber Taehyung als mein Leben zu bezeichnen ist mehr als passend. Es ist nichts mehr ohne ihn.

"Noch da?"

Ich weiche zurück als ich Jimin vor meinem Gesicht schnipsen sehe und streiche mir die Haare aus der Stirn.

"Ja, entschuldige."

Er sieht mich mit diesem Allwissend Ausdruck in seinem Gesicht an, jedes mal wenn er wieder diese Therapie-Stunden anfängt um die niemand ihn bittet.

"Hast du wieder über Taehyung nachgedacht?", fragt er und schmeißt seinen Plastikbecher in den Mülleimer direkt neben den Stuhl auf den er sich jetzt setzt.

"Selbst wenn, das geht dich überhaupt nichts an."

Er zieht eine Augenbraue hoch und führt gespielt verletzte eine Hand an seine Brust. "Das ist nicht nett, sowas kann Menschen wie mich verletzten."

"Ach ja? Ich bekomme gerade nämlich wirklich Lust dich zu verletzen."

Gespräche dieser Art habe ich oft genug mit ihm geführt. Meine Gefühle vereinbare ich jetzt lieber mit mir selber, als mich immer wieder von ihm runter machen zu lassen.

"Bist du wirklich wütend auf mich oder versuchst du nur irgendwo alles raus zu lassen, weil du realisiert hast, dass Taehyung ohne dich leben kann, du aber nicht ohne ihn?" 

Am liebsten würde ich die Augen verdrehen und genervt einen Abgang machen, aber Jimin hat recht. Ich würde lügen, wenn ich sage dass das nicht stimmt.

Seine Auftritte im Fernsehen, das sorglose Lächeln, das nicht erahnen lässt was er alles durchmachen musste und der Erfolg, der immer größer wird. Es scheint fast so, als würde es Taehyung erst gut gehen seitdem ich nicht mehr da bin.

Er blüht mit jedem Tag immer mehr auf, während ich der Resignation immer näher komme.

"Wieso musst du immer Recht haben?", werfe ich die Frage in den Raum, aber als Antwort bekomme ich nur das störende klingeln von Jimins Handy, welches einen Notfall meldet.

Er hält es hoch, aber sagen braucht er nichts, denn ich gehe bereits direkt auf den Eingang zu, vor dem die Krankenwagen mit den Notfällen halten. Jimin holt mich schnell ein und schlägt mir mit dem Ellbogen gegen den Oberarm während er mich tröstend mustert.

"Du weißt, dass ich dich trotzdem liebe."

"Daran zweifle ich sehr stark", sage ich, kann mir bei dem breiten Grinsen in seinem Gesicht aber selber keines verkneifen.

Gerade als ich die Tür nach draußen aufstoßen will, hält Jimin mich allerdings zurück und zeigt mit dem Daumen nach hinten. "So gerne ich diese OP auch übernehmen würde, meine Schicht ist vorbei, wenn es dir also nichts ausmacht..."

Er beendet seinen Satz nicht und auch auf meine Antwort scheint er keinen großen Wert zu legen als er sich umdreht und mir zum Abschied einen Luftkuss schenkt, wie Jin es häufig macht.

Dabei dachte ich wir entscheiden erst wenn wir den Patienten sehen, wer diese Operation durchführt, so machen wir das wenn wir beide gerade Frei sind.

Ich habe erst einen Schritt nach draußen gesetzt und spüre jetzt schon wie mich das Verlangen zu weinen überkommt als ich die schwüle Sommerluft einatme und sehe, wie der Krankenwagen anhält.

Die Rettungssanitäter springen sofort aus dem Wagen und schieben den Patienten auf der Liege da raus. Ich fasse an das eine Ende und helfe ihnen ihn durch die Tür ins Krankenhaus zu schieben.

Man hat ihm bereits ein Druckverband angelegt, was bedeuten muss, dass sie nicht in der Lage waren seine Blutung zu stoppen. Ein schlechtes Zeichen, denn obwohl man die Tiefe einer Wunde nicht mit dem bloßen Auge erkennen kann, gibt das viel Ausschluss darauf.

"Um was für eine Wunde handelt es sich?", frage ich und versuche das ganze Blut zu ignorieren.

"Eine Stichwunde im Bauchraum. Die Waffe war leider nicht mehr vor Ort als wir eintrafen und der Patient verlor erst während der Fahrt sein Bewusstsein."

Ich nicke und speichere die ganzen Informationen ab. Eine Stichwunde ist nicht gut, aber eine im Bauchraum bedeutet, dass ich die Bauchhöhle aufschneiden muss, um festzustellen, ob es innere Verletzungen gibt.

Die Sanitäter verschwinden und stattdessen fangen jetzt die Kollegen  im Krankenhaus an den Wagen zu schieben, sodass ich die Möglichkeit habe mich wieder mit dem Patienten zu beschäftigen.

Ich nehme sein Handgelenk in meine Hand um den Puls zu messen, aber mir fällt etwas anderes auf bevor ich das tun kann. Ohne auf die verwirrten Blicke der anderen zu achten, wechsle ich die Seiten und bleibe fast mitten in der ganzen Hektik stehen.

Zum ersten Mal, seit sie ihn aus dem Wagen geschoben haben werfe ich einen Blick auf das Blutüberströmte Gesicht des Patienten und spüre, wie mir der Kaffee von vorhin wieder hochkommt.

Die Uhr alleine hätte ausgereicht, aber sein so friedlich aussehendes, mit Blut verschmiertes Gesicht zu sehen verschafft mir die bittere Erkenntnis.

Von allen Männern hier in Seoul, ist ausgerechnet er wieder mein Patient.

Taehyung.

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