"Ich kann nicht ruhig liegen. Ich muss mich bewegen."

Somit stehe ich auf und gehe im Schlafzimmer auf und ab. Das ist doch verrückt. Ich bin verrückt.

"Können wir nochmal besprechen? Also wie morgen alles ablaufen wird."

"Natürlich", antwortet er," Wir stehen um fünf Uhr auf und um sechs fahren wir mit einem Taxi zum London City Flughafen. Rund 40 Minuten brauchen wir bis dort. Dann betreten wir den Flughafen und geben unsere Koffer ab und suchen den richtigen Schalter, der auf dem Ticket steht. Dort zeigst du deinen Reisepass und dein Flugticket. Sie lassen dich durch. Wir müssen ungefähr eine Stunde warten und dann geht es weiter zum Einstieg. Da müssen wir nochmal die Tickets zeigen, danach kommt man in einem Gang, der zum Flugzeug führt. Wenn wir das geschafft haben, setzen wir uns auf unsere Plätze, genießen den Flug. Steigen einmal in Zürich um und fliegen weiter nach Teneriffa. Wir landen, steigen aus, nochmal eine Kontrolle, suchen unser Gepäck, gehen aus dem Flughafen und sind im Paradies. Du brauchst wirklich keine angst zu haben, Claire."

Ich finde meine Angst berüchtigt, wenn man daran denkt, was beim letzten Mal passiert ist, als ich mich in einem Flughafen aufgehalten habe. Das könnte morgen schon wieder passieren und wenn diesmal Michael stirbt, was passiert dann mit mir?

Kann es mir noch schlechter ergehen, als jetzt schon? Geht das überhaupt noch?

Schlimmer geht immer.

An den Gedanken von Michaels Tod, bekomme ich Gänsehaut und hab nur noch mehr angst vor morgen.

"Aber ich denke nicht, dass dir das angst bereitet. Dass du angst vor dem Flug hast, sondern vor etwas anderem", stellt der Blonde seine Vermutung auf.

Darauf antworte ich nicht. Ich möchte ihm nicht recht geben, was er ja eigentlich hat.

"Das heißt wohl ja. Verräst du mir, wovor du genau angst hast? Vielleicht kann ich dir ja helfen", fragt Michael.

Noch immer gehe ich auf und ab. Schaue zwischendurch aus dem Fenster, wo im Dunkeln die vielen Sterne sichtbar sind.

"Als ich letztes mal in den Urlaub fliegen wollte, da passierte das Schlimmste, was mir je passieren könnte. Und nun kann sich das wiederholen. Das wieder ein Anschlag ist und ich dabei bin. Vielleicht wirst du diesmal erschossen, weil du mich retten wolltest. Dann habe ich noch ein weiteres Mal die Schuld eines toten Menschen auf den Schultern. Wie, wie soll ich das dann ertragen? Das geht doch gar nicht. Michael, ich... ich...", verzweifel ich.

Er steht vom Bett auf und kommt zu mir. Trotz des wenigen Lichts bemerke ich, dass er nur eine Boxershorts trägt. Vorher ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass er sich ausgezogen hat.

"Hey Clary. Es ist ganz normal, dass du davor angst hast. Weißt du noch, was ich dir einst gesagt habe? Das man auch auf einmal von einem Auto überfahren werden kann und tot ist. Es ist unwahrscheinlich, dass morgen ein Anschlag passiert. Wahrscheinlicher ist es, dass wir morgen einen Autounfall haben, oder das ich beim duschen ausrutsche und auf dem Kopf falle und bei mir die Lichter ausgehen. Dein Schicksal ist nicht das beste, aber ich glaube, so gnädig ist es auch, dass es morgen nicht geschieht. Und wenn doch, dann ist es so. Daran kann man nichts ändern. Das Schicksal ist ein verdammter Verräter und dagegen kann man nichts machen. Also Kopf hoch."

Und als ob seine Worte nicht genügen würden, nimmt er mich noch in den Arm. Sofort verklingt meine Angst ein wenig und ich fühle mich geborgen. Ruhig kann ich wieder atmen.

"Ich glaube nicht, dass ich heute schlafen kann", meine ich.

"Ich muss zugeben, dass ich auch ein wenig Flugangst habe und auch ein wenig hibbelig bin. Also schlafen werde ich auch eher weniger", brummt er in meine Haaren.

Kurz lache ich auf. Das ist so absurd, dass es wieder lustig ist.

"Die DVD 'Das Schicksal ist ein mieser Verräter' habe ich. Wir waren ja schon beim Thema, dann könnten wir uns auch den Film anschauen. Auch wenn ich dir das Buch eher empfehlen würde, das ich dir ausleihen könnte, wenn du möchtest."
"Dann lass uns eine Filmnacht machen", freut Michael sich.

Ob es geschauspielert oder echt ist, kann ich nicht erkennen.

Einen Moment verharren wir noch in unserer Haltung und, als ob wir uns abgesprochen hätten, gehen wir auseinander und ins Wohnzimmer. Fernseher an, DVD im DVD-Player und auf der Fernbedienung auf Play gedrückt und schon geht's los.

"Der Titel macht dem Film alle Ehre", sagt Michael", Ich weiß nicht, wer mir mehr leid tut. Hazel oder der Typ. Mich nervt das Ende aber. Stirbt sie oder nicht? Vermutlich schon, weil sie so schwer krank ist, aber es soll ja Wunder geben. Claire, ich möchte das Buch ausleihen und lesen und wie ich es lesen möchte."

Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben. Ich fasse nach hinten ins Regal und hole das Buch raus.

"Hier. Viel Spaß beim Lesen. Was sehen wir uns jetzt an?", frage ich.

Mit hochgezogene Augenbraue schaut er mich an.

"Okay, Okay, Harry Potter schon verstanden."

Die ganze Nacht schauen wir uns die Harry Potter Filme an. Um drei Uhr schläft Michael ein, was gar kein Problem darstellt. Ich habe einfach weiter geguckt, bis es fünf Uhr wurde und wir beide uns fertig machten. Ohne Unfälle beim Duschen oder andere Vorfälle.

Nun sind wir im Taxi auf dem Weg zum Flughafen. In mir kribbelt die Anspannung und Vorfreude.

Die Taxifahrerin fährt so, als ob sie uns umbringen möchte oder auf der Flucht wäre.

Wie war das nochmal gestern? Es ist wahrscheinlicher das wir einen Autounfall haben, als dass wir bei einem Attentat sterben würden. Wie Michael doch recht hat, schon wieder.
Meinen Einfall gebe ich Michael zu Kenntnis. Er lacht und blöderweise, hat die in Jahre gekommende griesgrämige Frau es mit bekommen und tuckert nun mit Schrittgeschwindigkeit durch die Gegend. Das ist mir um einiges lieber, als in übertriebenen Maßen in Lichtgeschwindigkeit, durch die Straßen zu brettern.

Um die Taxifahrerin noch mehr auf die Palmen zu bringen, summe ich die typische Fahrstuhlmusik und drehe Däumchen. Die grauhaarige funkelt mich missmutig durch den Innenspiegel an. Michael neben mir unterdrückt sein Lachen. Dabei wird er ganz rot im Gesicht.

Die Frau ändert ihre Meinung wieder und tritt auf das Gas. Nimmt die Kurven zu eng, nimmt den Fuß nicht vom Gaspedal. Ich halte mich so fest wie es geht an den Griff. Es fehlt nur noch, dass die Polizei uns anhält oder dass wir wirklich einen Unfall haben.

Dennoch bestehen wir die Fahrt ohne einen Kratzer, doch sind Michael und ich ein wenig blass um die Nase. Immer wütender wird der Gesichtsausdruck unserer Fahrerin. Sie kneift sogar die Augen zusammen, als ich ihr kein Trinkgeld gebe. Für das, was sie geleistet hat, hat sie auch keins verdient.

Gerade so kann Michael die Kofferraumklappe schließen, da düst sie schon weiter. Ich bete für ihre nächsten Passagiere, dass sie heil ankommen.

Unmengen vom Leuten laufen Kreuz und quer. Trotz der frühen Stunde.
Michael und ich mitten drin. Mit der Handtasche um meine Schulter gehängt und mein Koffer in der rechten Hand, der zum Glück Rollen hat. Bei Michael sieht es ähnlich aus, nur ohne Handtasche aber dafür mit einer kleinen Sporttasche.

Er sieht mich fragend an. Ich nicke ihm zu. Ich bin bereit für meinen ersten Flug und Urlaub.

No Reason to LiveWhere stories live. Discover now