18. Kapitel

400 31 97
                                    

"Verdammter, beschissener Kanarienvogel", fluche ich irgendein Schwachsinn.

Ich gucke auf meine rechte Hand, mit der ich gegen den Spiegel geschlagen habe. Sie ist Blutgeträngt und kleine Splitter kann ich im Fleisch erkennen.

Es brennt so stark, als ob ich meine Hand ins Feuer gehalten habe. Als ob sie schon schwarz verbrannt ist.

"Claire! Mach die Tür auf. Ich weiß, dass du Zuhause bist", höre ich es schwach durch die Türen.

Es ist Michael, der da ruft.
Was soll ich machen?
Eigentlich sollte ich ins Krankenhaus, denn Glas im Fleisch zu haben ist nicht so gut.

Die Tür zu öffnen, ist etwas, was ich gar nicht machen will. Michael soll nicht sehen, was ich gemacht habe. Natürlich weiß er dies schon, aber... Es gibt kein aber. Ich will nur nicht, dass er mich so sieht. Es wäre auch nicht so toll ihm die Tür mit einer komplett blutbeschmutzen Hand, die zusätzlich tropft, zu öffnen.

"Jetzt mach schon die Tür auf. Ich will mit dir reden, beziehungsweise mache ich mir sorgen um dich. Ich weiß, dass du gefeuert worden bist und das es dir nicht gut geht. Na ja, gut geht es dir ja sowieso nicht, aber ich meine schlechter. Also ich Bitte dich. Mach. Diese. Tür. Auf. Sonst. Trete. Ich. Sie. Ein."

Die letzten Worte betont Michael extra stark.

"Warte kurz. Ich war bis gerade noch duschen und bin noch nackt.", lüge ich ihn an.

Eine Notlüge und dennoch nicht korrekt. Hätte ich ihm die Wahrheit sagen sollen?

'Hey, jo Michael. Ich habe mich geritzt. Ist ja gar nicht so schlimm. Und dann habe ich den Mörder meiner Familie gesehen. Ich war diese Person. Dann habe ich einfach mal den Spiegel geschlagen. Aber mach dir keine Sorgen. Es geht mir super'

Genau das wäre doch toll gewesen, nicht. Stattdessen Lüge ich ihn an. Nicht ins Gesicht, denn eine Wand trennt uns und trotzdem tut es mir leid. Schon genug Lügen werden auf der Welt verteilt. Doch jetzt weg mit den Gedanken. Ich muss eine Lösung finden. Am besten ziehe ich mich um, denn meine Kleidung ist auch voller Blut. Mein Unterarm muss ich verbinden, doch was mache ich mit meiner Hand? Die kann ich nicht verbinden. Natürlich geht das, aber das wäre definitiv nicht gut.

Die Hand lasse ich einfach in der Jackentasche, die dann wohl vollgeblutet sein wird.

Das alles mache ich in Rekordzeit. Die Schmerzen die ich die ganze Zeit erleide, ignoriere ich. Solange ich nicht daran denke, ist alles gut.

Michael schicke ich einfach ganz schnell wieder nach Hause. Sowas kann ich doch gut, Leute vergraulen.

Mit einem Schwung öffne ich meine Haustür. Dahinter steht Michael mit seinem Handy in der Hand. Sofort steckt er das Handy in die Hosentasche und betritt meine Wohnung. Die Tür schließe ich wieder.

"Dafür, dass du duschen warst, sind deine Haare aber schon schnell trocken geworden", meint er.

Seine Hand streicht übers Klavier. Am liebsten würde ich sie sofort weg schlagen. Michael hat nicht das Recht es anzufassen. Es ist nicht sein Eigentum.

"Man kann sich auch duschen, sodass die Haare nicht nass werden", gifte ich ihn an. "Kannst du bitte gehen? Ich habe noch etwas zu erledigen und dafür muss ich alleine sein."

Mit hoch gezogener Augenbraue dreht Michael sich zu mir um.

"Was denn machen? Dich umbringen? Ich weiß, was in dir vorgeht. Kein Job mehr, also warum noch auf der wunderbaren Welt bleiben? Deswegen bin ich hier, denn das will ich nicht. Ich will nicht, dass sich noch eine weitere Person auf Erden umbringt."

No Reason to LiveWhere stories live. Discover now