7. Kapitel

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Rana gibt mir ein Spiegel in die Hand. Darin betrachte ich mein Tattoo. Es ist wunderschön, noch besser als auf der Vorlage.

"Danke, es sieht wundervoll aus", bedanke ich mich.

Sie quittiert das mit einem Lächeln.

"Ich mache dir mal was darauf gegen eine mögliche Infektionen und dann ein Pflaster. Danach kannst du dich richtig anziehen."

Eine Minute später schmiert Rana mir ein Gel drauf, danach befestigt sie das ganze mit einem Pflaster. Ich bemerke ihren Blick auf mir. Sie ist dabei zu verstehen. Das sehe ich deutlich an ihren Blick. Mir ist ganz unwohl. Die Nervosität ist weg, aber etwas andere drückt auf mein Herz. Nicht das Gefühl von Verlust, oder ähnliches, sondern etwas wie Unbehaglichkeit. Ich schäme mich richtig, als es Rana versteht. Müsste ich nicht mehr bezahlen und wäre ich nicht spärlich bekleidet, wäre ich schnurstracks geflüchtet.

"Es kommen viele zu uns, die aus genau dem gleichen Grund wie du ein Tattoo haben wollen. Sie wollen etwas, das sie an ihre Lieben erinnert. Ich habe schon viele verschiedene Motive gestochen wegen eines Todes. Meistens das Datum und dann der Name. Bei dir war ich mir nicht sofort sicher, aber jetzt, wo ich sehe wie dünn du bist, schon. Du wirkst nicht krank, sondern ganz normal. Als ob du nichts hättest.
Das Datum ist morgen vor einem Jahr. Das heißt, es wird dein erster Jahrestag sein. Von vielen habe ich gehört, dass der Erste, der Schlimmste ist. Jemand, der ein Tattoo von mir stechen lassen wollte, hat erzählt, dass er sich da umbringen wollte. Er hat sich dann aber doch nicht getraut. Ich hoffe, dass du nicht das gleiche machen wirst.", flüstert sie abwesend.

Ich bin verwirrt, sehr verwirrt. Warum sagt Rana mir das jetzt? Als ob ich nicht wüsste, dass der Erste am schlimmsten ist. Man realisiert so richtig, dass man ohne sie lebt. Einem fehlen die Personen noch mehr als sonst. Den Jungen kann ich absolut verstehen. Ich war selbst in der gleichen Situation. Trotzdem habe ich kein Mitleid mit ihm, denn jemand in einer solchen Situation will kein Mitleid. Jedenfalls ist das so bei mir.

"Zieh dich wieder an. Wir gehen dann zurück zum Eingangsbereich."

Als ich angezogen bin, gehen wir wortlos durch den Vorhang. Die ersten paar Knöpfe habe ich auf gelassen, sodass jeder mein Tattoo sieht.

"Es tut mir leid, wenn ich dir zu nahe getreten bin", entschuldigt sich Rana.

"Bist du nicht.", flüstert ich.

In Gedanken bin ich bei dem Jungen. Ich wüsste zu gerne wie es ihm jetzt geht, ob er immer noch krank ist oder , ob er einen Teil des Schmerzes überwunden hat. Zum ersten Mal seit langen möchte ich jemanden kennen lernen. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass ich ihn je kennen lernen werde.

Ich bezahle Rana mehr Pfund als ich müsste. Ein großes Trinkgeld habe ich da gelassen. Einen bestimmten Grund gibt es nicht dazu. Vielleicht weil sie wirklich sympathisch war und sie mir etwas leid tut. Wiederum weiß ich nicht, warum sie mir leid tut. Ich brauche das Geld nicht. Schon fast fluchtartig spurte ich aus dem Studio.

Es ist etwas kälter geworden, als es heute Mittag noch war. Ich schwitze nicht mehr so viel in meine Bluse.

Statt nach Hause zu gehen, wie ich es eigentlich vor hatte, gehe ich zur nächsten Bäckerei, wo man in Ruhe einen Tee trinken und ein Gebäck essen kann.

Als ich aber auf einer Bank sitze, mit meinen Tee und Gebäck auf den Tisch, wo noch ein Stuhl frei ist und der junge Mann sich neben mich setzt, will ich am liebsten wieder flüchten.

"Schön dich zu sehen, Claire.", sagt er mit einem Spur eines Lächeln in der Stimme.

"Stalkst du mich jetzt schon?, frage ich ihn mit einer hoch gezogene Augenbraue.

No Reason to LiveOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz