5 Kapitel

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Die Nacht war kurz für mich.
Ich weiß nicht wie viel ich geschlafen habe, aber es können nur Minuten gewesen sein. Diese Stimme von David bekomme ich nicht mehr aus den Kopf. Wie kann das möglich sein?
Beobachtet er mich von oben, vom Himmel? Dann weiß er ja, was ich alles mache, oder besser gesagt, was ich nicht mache.

Auf dem Weg zur Arbeit starren mich die Leute an. Verständlich, dennoch nervt es. Dieses Getuschel und dann so, dass ich jedes Wort verstehen kann.
Ich weiß selbst wie ich aussehe. Abgemagert und müde. Am Ende meiner Kräfte.

Es ist warm. Für London ungewöhnlich.
Alle haben kurze Klamotten an. Nicht so ich.
Eine lange schwarze Hose bedeckt meine viel zu dünnen Beine.
Eine Bluse, schon wieder langärmlig,  bedeckt meinen restlichen Körper. Gut versteckt sind die Narben. Der Nachteil ist ich schwitze. Ich schwitze die Flüssigkeit aus, die gar nicht im Körper vorhanden ist.

Am liebsten würde ich die Ärmel hoch schieben, oder sogar die Bluse ausziehen, doch dann würden sie sich noch mehr den Mund zerreißen. Sie würden sagen, dass ich eine Selbstverstümmlerin sei.

Aber keiner würde auf mich zu gehen. Keiner würde mich fragen, was los ist und ob er helfen könnte.

Der Menschheit ist es egal wie es ihren Mitmenschen geht. Solange es nicht in seinem inneren Bekanntenkreis ist. Da wird die Aufmerksamkeit gelogen.
"Hallo Chef", sage ich als ich beim Restaurant angekommen bin," könnte ich morgen frei bekommen und heute vielleicht etwas früher gehen?"

Ich hätte auch morgen einfach nicht zur Arbeit gehen können, doch mein Gewissen hat sich dagegen gewehrt.

Mein Chef James ist ein guter Kerl. Soweit ich ihn einschätzen kann.
James hat blondrote Haare und blaue Augen. Er ist bestimmt zwei Meter groß.
An der linken Hand ziert ein Ring seine Hand. Ein schöner Ring finde ich.
2 kleine Zwillinge machen ihm das Leben schwer. Als ich sie vor ein paar Wochen gesehen habe, musste ich von den beiden fliehen. Die kleinen haben mich zu sehr an mich und Steve erinnert. Mein Herz hat wie wild geschlagen und geschmerzt.

"Da du immer pünktlich bist und noch nicht einmal krank warst, mache ich eine Ausnahme. Wenn du nächstes mal frei haben willst, dann sage es mir vielleicht etwas früher."

Dankend nicke ich und will dann hinter die Theke gehen.

"Ach und Claire ", ruft mir James hinter her, sodass es das ganze Restaurant hören kann" wenn etwas ist, dann kannst du ruhig mit mir reden."

Ohne etwas zu sagen gehe ich. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Es ist ungewohnt Hilfe angeboten zu bekommen. Aber ich weiß schon, dass ich sie nicht annehmen werde.

Wie soll James mir auch helfen können? Das was ich bräuchte, kann er mir nicht geben. Meine Familie kann er mir nicht wieder her zaubern. Mich umbringen wird er wohl auch nicht. Ich selbst habe es nicht geschafft, aber wer weiß. Vielleicht morgen. Morgen wäre es schön.
An mein Geburtstag und Jahrestag.

"Und was machst du nach der Arbeit?", fragt Kevin mich, nach dem fast fertigen Arbeitstag. Ich darf gleich gehen.

Keiner weiß was Kevin nach der Arbeit macht, außer ich. Er wird sich in einem Strippclub besaufen und dann mit einer Hure Bettsport betreiben.
Trotzdem ist Kevin meist pünktlich auf der Arbeit und macht seine Arbeit gut. Deswegen hat James auch keinen Grund ihn zu feuern. Ohne Alkohol im Blut ist Kevin echt nett, aber mit sollte man einen Bogen um ihn machen.

"Ich lass mir ein Tattoo stechen", beantworte ich die Frage.

Verblüfft schaut Kevin mich von der Seite an.

"Du lässt dir ein Tattoo stechen?", fragt er total schockiert, als ob es ein Weltwunder wäre.

Viele haben Tattoos. Nicht nur eins, sondern auch zwei, drei. Manche lassen sich sogar den ganzen Körper tätowieren. Das finde ich hässlich, wenn der ganze Körper bekritzelt ist.
Vereinzelte sind viel schöner.

No Reason to LiveWhere stories live. Discover now