20.

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Zwanzig Minuten später sitze ich tatsächlich in Kyle's Wagen.

Dass es fast zwei Stunden Fahrt sind, scheint ihm nichts auszumachen und trotz mehrfachem Hinweis, dass diese Aktion wirklich nicht nötig ist, lässt er sich von seiner Idee nicht abbringen.

Aber so wie er fährt denke ich, dass wir locker mindestens eine halbe Stunde Fahrt einsparen.

„Fährst du immer so?"

Gerade schneidet er eine Kurve wieder gefährlich scharf, obwohl der Gegenverkehr nicht weit entfernt ist. Krampfhaft klammere ich mich an den Türgriff.

„Eigentlich nicht." Er grinst. „Aber ich will diesen Wichser auf frischer Tat erwischen. Er soll uns nicht davon kommen."

Seiner Beleidigung widerspreche ich nicht. Zwar ist noch nichts entschieden oder klargestellt, aber falls es tatsächlich so sein sollte wie ich befürchte, ist Chris für mich gestorben.

Wenn ich eines absolut nicht leiden kann, dann sind es Lügen. Deshalb habe ich vorhin im Zimmer auch so heftig reagiert. Und plötzlich ist mir diese Aktion von vorhin ziemlich peinlich.

„Tut mir leid, dass ich da eben so die Kontrolle verloren habe", murmle ich. „Ich war nur so sauer auf Chris, bin es noch immer. Aber du hättest das wirklich nicht mitbekommen müssen."

Er sieht zu mir rüber und mir direkt in die Augen. „Entschuldige dich nicht für seine Fehler. Es ist doch total normal, dass du so reagierst."

Ich nicke und sehe dann wieder nach vorn. Zu langer Augenkontakt mit ihm tut mir nicht gut.

„Welch Ironie. Eigentlich bin ich diejenige in der Beziehung, die Geheimnisse hat. Jetzt scheint es umgekehrt zu sein."

„Was für Geheimnisse hast du denn?"

Ich lehne den Kopf gegen den Sitz und schließe die Augen. „Zu viele. Zumindest seitdem ich auf dich und die anderen getroffen bin."

Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich wie er das Lenkrad fester umklammert.

„Wenn du den Kuss zwischen uns meinst, der hatte jawohl absolut gar nichts zu bedeuten. Also ist das kein Geheimnis, sondern eher ein kleiner Ausrutscher, den man vergessen kann. Für dein restliches Verhalten mit dem Alkohol bin ich daher nicht verantwortlich."

Warum plötzlich klingt seine Stimme wieder so entsetzlich kalt? Erst kann er sich ganz normal mit mir unterhalten, und dann plötzlich, von jetzt auf gleich, ist er wieder eiskalt. Ich verstehe ihn einfach nicht.  

Dass Kyle so viele verschiedene Seiten an sich hat ist wirklich seltsam. Er ist nett, dann wieder ein Arsch. Und dann kommt er auf so hirnrissige Ideen wie gerade und will einfach mal zwei Stunden ans andere Ende der Welt mit mir fahren, nur um mir zu helfen und mir Gewissheit zu bringen.

Ist das so etwas wie eine freundschaftliche Geste von ihm?

„Genau deshalb fange ich mit dem ganzen Scheiß erst gar nicht an", durchbricht er plötzlich wieder die Stille.

„Was meinst du?", frage ich irritiert.

„Damit meine ich eine Beziehung. Sowas ist doch einfach total für den Arsch."

„Klingt als hättest du schlechte Erfahrungen gemacht." Ich ziehe eine Augenbraue nach oben  und beobachte, wie seine Knöchel weiß hervortreten, als er wieder das Lenkrad umklammert.

„Nichts was dich angeht."

Na toll. Das war's dann also schon wieder. Zwei Sätze und das Gespräch ist beendet.

HOLD ME TIGHT - abgeschlossenWhere stories live. Discover now