16.

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„Alles Gute zum Geburtstag!", rufe ich, als Chris endlich ran geht.

„Viele Dank, mein Engel." Ich kann sein Grinsen aus seiner Stimmer heraushören.

In den letzten zwei Wochen ist nicht weiter viel passiert. Ich habe viel Zeit mit Clara und Léon verbracht. Trotz aller Warnung von Kyle wohlgemerkt.

Ich weiß nicht genau, was sein Problem ist, aber auf mich wirkt Léon alles andere als gefährlich. Er ist wirklich ein guter Freund geworden. Mit ihm kann man über viele Dinge reden und so wie ich den Eindruck habe, ist er auch sehr zuverlässig.

Kyle's Meinung kann mir letztendlich gestohlen bleiben. Weshalb er sich in meinen Freundeskreis einmischt, ist mir sowieso ein Rätsel.

Und auch Clara wird von Tag zu Tag wichtiger. Auch wenn ich mich anfangs dagegen gesträubt habe, so passen sie und ich doch sehr gut zusammen. Dass Kyle meint, mir alles vermiesen zu müssen, nehme ich nach langem Überlegen einfach so hin.

Clara ist toll und eine sehr gute Freundin.
Klar, wir teilen nicht jedes Interesse miteinander. Und doch ergänzen wir uns auf unsere eigene Art sehr gut.

„Es ist so schade, dass ich heute nicht bei dir sein kann", jammere ich. An seinem Geburtstag wäre ich wirklich sehr gerne bei ihm gewesen.

„Ach, na komm schon. Ich bin nur ein Jahr älter geworden. Wichtig ist doch, dass du an Thanks Giving hier bei mir bist."

Ich lächle. Ja, darauf freue ich mich wirklich sehr. Vor allem freue ich mich darauf, Chris' Mum endlich mal wieder zu sehen. Miranda.

Sie ist eine wirklich herzensgute Frau. Schon vom ersten Moment an, in dem sie mit ihrer Schürze um die Hüfte gewickelt vor mir stand, habe ich sie ins Herz geschlossen. Und sie mich auch.
Ihre Augen leuchten zu sehen, wenn sie mich und Chris zusammen beobachtet ist wirklich toll. Sie ist stolz auf mich und ihren Sohn und hat uns von Anfang an nur das Beste gewünscht.

Wenn sie wüsste, wie oft ich ihren Sohn in den letzten Wochen bereits belogen habe ...

„Hat sie dir schon mein Geschenk überreicht?" Das hatte ich ihm schon vor einer Woche zugeschickt. Mit der Bitte an Miranda, dass sie es doch bitte bis zu seinem Geburtstag behalten solle. Aus gutem Grund; ich kenne keinen Menschen, der so ungeduldig ist wie Chris,

„Nein." Er klingt ehrlich enttäuscht. „Sie sagt ich sei ja erst um 16.26 Uhr geboren. Und da es hier gerade mal 10 Uhr ist, muss ich mich wohl noch einige Zeit gedulden."

Ich lache, als ich mir vorstelle, wie Chris wie ein kleines Kind ganz ungeduldig auf dem Bett sitzt und fast platzt vor Neugierde.

„Die 8 Stunden schaffst du schon. Was ist für heute geplant?", erkundige ich mich.

„Nicht besonders viel", murmelt er. „Ein paar Freunde kommen, Mum hat einen Kuchen gebacken."

Ich runzle die Stirn. „Ein Paar? Du meinst Daniel und Luis." Schließlich hat Chris nicht mehr Freunde. Zumindest nach meinem Wissensstand.

„Ja, genau die. Und Tiffany wird auch kommen. Das wird ein ganz entspannter -"

„Moment, Tiffany?" Wage kann ich mich daran erinnern, dass er zuletzt ebenfalls schon was mit ihr unternommen hat. „Wer ist das?"

Am anderen Ende der Leitung herrscht kurzes Schweigen. „Sie ist vor ein paar Wochen hierher gezogen, direkt nebenan. Um genau zu sein zwei Tage, nachdem du hier weggegangen bist. Und wir haben uns eben kennengelernt."

Aha. Kaum bin ich weg, lernt er zwei Tage später ein anders Mädchen kennen? Geht in die Mall und feiert seinen Geburtstag mit ihr, obwohl er sie überhaupt nicht genug kennt? „Scheint, als würdet ihr euch gut verstehen", sage ich einfach nur und betrachte meine Fingernägel.

„Mira", beginnt Chris leicht verärgert. „Wird das hier jetzt ein Verhör?"

Ich runzle die Stirn. „Nein! Darf ich mich nicht nach deinen Freunden erkundigen?"

„Von deinen hast du mir ja auch nichts erzählt!"

Ich schnappe nach Luft. Das kann nicht ... „Du warst es doch, der mir gesagt hat ich solle mich von ihnen fernhalten. Es wäre besser für mich. Also erzähl mir nicht, du würdest meinen Freundeskreis nicht kennen. Ich habe dich doch lediglich gefragt -"

„Das ist unfair!" Auch seine Stimme nimmt an Lautstärke zu. „Denkst du du kannst einfach abhauen und mich hier sitzen lassen? Denkst du ich habe den ganzen Tag nichts anders zu tun, als dir hinterher zu trauern? Du tust es ja auch nicht! Stattdessen läufst du herum und vergnügst dich mit diesem... tätowierten Psychopathen."

Ich reiße die Augen auf. „Chris, du kennst ihn nicht mal! Und woher willst du wissen, dass ich mit ihm -" Ich werde durch das Klopfen an meiner Tür unterbrochen. „Warte kurz."

Wütend stapfe ich zur Tür und reiße sie in einem Schwung auf. Und erstarre, als ich sehe, wer da im Türrahmen steht. Wenn man vom Teufel spricht.

„Hallo", raunt er und lehnt sich mit der Schulter an den Türrahmen.

„Wer ist da?", will Chris am anderen Ende der Leitung wissen.

Kurz bin ich perplex, dann aber wende ich mich ab und gehe zurück ins Zimmer. Kyle folgt mir.
„Das ehm, das ist der Hausmeister." Ich kann spüren, wie sich Kyle's Blick in meinen Rücken bohrt. „Meine Toilette ist verstopft, das muss er sich mal ansehen."
Toilette?! Ich schließe die Augen. Ganz tolle Ausrede. Am liebsten würde ich mir mit der freien Hand gegen die Stirn klatschen.

„Na dann. Kümmere dich gut um deine Toilette und stell ihr nicht so viele Fragen. Nicht dass sie noch denkt, du würdest ihr nicht vertrauen."

„Chris, ich..." Zu spät. Aufgelegt. „Verfluchter Mist!", fluche ich und werfe das Handy aufs Bett, nur um mir anschließend die Haare zu raufen.

„Gibt's Ärger im Paradies?"

Ich drehe mich zu ihm um und schenke ihm den bösesten Blick, den ich zu bieten habe. „Halt bloß den Mund!"

Er grinst nur weiterhin belustigt vor sich hin. „Haben wir jetzt eine Affäre, oder warum verheimlichst du mich bei deinem Freund?" Er lehnt sich mit dem Rücken gegen die Wand und schiebt seine Hände in die Hosentaschen.

„Kyle, ich schwöre dir bei Gott; Wenn du nicht auf der Stelle verschwindest..."

„Jetzt halt die Luft an." Er rollt mit den Augen. „Das war doch nur ein Spaß. Unser kleines Techtelmechtel bleibt natürlich unser süßes Geheimnis."

Ich balle die Hände zu Fäusten. „Es war nur ein -"

„Was hast du für heute geplant?", unterbricht er mich einfach und spielt mit seinem Schlüsselbund, den er aus seine Hosentasche gezogen hat. Klimpernd wirft er ihn hoch in die Luft, nur um ihn dann wieder aufzufangen.

Und da fällt mir erst auf, was er heute trägt. Anstelle seiner dunklen Jeans und seinem weißen T-Shirt, trägt er heute einen beigen Kapuzenpulli. Passend dazu eine beige Hose, die ihm bis kurz unter die Knie geht. Gekrönt wird das Ganze noch von dicken Wanderschuhen.

„Bist du in den Altkleidercontainer gefallen?", frage ich und kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Sehr witzig. Hast du ähnliche Sachen?"

Ich bin verwirrt. „Veranstalten wir jetzt eine Kostümparty?"

Er wirkt genervt, so energisch wie er den Schlüsselbund dort hin zurück steckt, wo er ihn her gezogen hat. „Ich will dich mitnehmen. Es wird ein bisschen anstrengend, deshalb solltest du dir leichte Sachen anziehen."

Wow. Mit allem hätte ich gerechnet, aber gewiss nicht damit.

„Du willst mich mitnehmen?" Ich gehe auf ihn zu und tippe ihm mit dem Zeigefinger gegen die Brust. „Bist du echt?"

Frustriert schlägt er meine Hand zurück und drückt sich an mir vorbei. „Vergiss es", zischt er und geht Richtung Tür. „Es war lediglich ein Friedensangebot. Wenn du es nicht annehmen willst, bitteschön!"

Gerade als er die Hand auf die Türklinge legt, höre ich mich selbst „Warte!" rufen.

HOLD ME TIGHT - abgeschlossenWhere stories live. Discover now