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Chris macht sich am nächsten Morgen wieder auf den Weg nach Hause. Der Abschied fiel schwer, da ich ihn wirklich vermisse. Komischerweise war ich aber auch ein bisschen erleichtert, denn noch ein Zusammentreffen zwischen ihm und Kyle hätte ich ohne einen Herzinfarkt wahrscheinlich nicht überlebt. Chris soll einfach nichts von den Partys und meinen „Freunden" erfahren. Ich schäme mich dafür, dass ich es vor ihm verheimliche, aber er würde mein Verhalten keinesfalls verstehen und gewiss auch nicht dulden.

Den Sonntag verbringe ich mit lesen und Hausarbeiten. Ich arbeite gerne immer ein wenig im Voraus, damit ich auf Aufgaben und Fragen vorbereitet bin und mit vielem Wissen gut punkten kann und in Erinnerung bleibe. Denn nur wer in Erinnerung bleibt, macht sich einen Namen. Und da ich nur mit Fleiß und Wissen punkten kann, muss ich mein bestes rausholen.

Ein paar Mal klopft es an meiner Zimmertür, aber ich öffne nicht. Ich will meine Ruhe haben und einfach mal für mich sein, was hier ganz schön schwer ist. Ich bin wirklich froh, dass ich ein Einzelzimmer habe und mich nicht noch mit vielleicht nervigen Zimmergenossinnen abgeben muss. Ich brauche meinen Freiraum und Platz mich entfalten zu können. Gut, in dem 14 Quadratmeter Zimmer ist das vielleicht nicht ganz so einfach, aber es ist mein Reich und ich kann hier tun und lassen was ich will.

Am Montag stehe ich pünktlich auf, damit ich nicht den Literaturkurs verpasse. Ich dusche, föhne mir die Haare und schnappe mir dann meine bereits am Abend gepackte Tasche.

„Hey Mira", grüßt Clara mich lächelnd, als ich aus meinem Zimmer komme. Erschrocken bleibe ich stehen.

„Hey", murmle ich verwundert. „Hast du auf mich gewartet?"

„Ja", nickt sie und hakt sich bei mir unter. „Ich habe das Gefühl, dass dir irgendetwas an mir nicht so passt." Ihre schwarz umrahmten Augen blicken mich ernst an. „Liege ich richtig?"

Ich zögere. „Nein, ich will mich nur auf Literatur konzentrieren und..."

„Unsinn!", unterbricht sie mich. „Seit dem Besuch im Club bist du total abweisend und unternimmst nichts mehr mit uns. Deinen Freund hast du mir auch nicht vorgestellt. Habe ich was falsch gemacht?"

Ich schüttle den Kopf und schaue während dem Gehen auf den Boden. „Ich fühle mich nur nicht wo wirklich wohl in eurer Gegenwart."

Clara bleibt stehen. „In eurer? Was meinst du damit?"

Ich zucke die Schultern. „Sieh mich an, Clara. Ich passe doch gar nicht zu euch. Ihr geht feiern, betrinkt euch, habt Spaß. Euch macht das Freude, aber ich bin einfach nicht der Typ für so etwas."

„Jetzt hör mir mal zu." Sie packt mich an den Schultern. „Wir alle in der Clique mögen dich! Du bist lustig, man kann sich toll mit dir unterhalten. Und ich will eine ehrliche Antwort von dir! Hattest du bei den letzten Abenden, die du mit uns verbracht ist, in irgendeiner Weise das Gefühl, dass wir dich nicht mögen und wir dich auslachen, weil du nicht zu uns passt?"

Ich wollte schon den Mund öffnen, um ihr zu sagen, wie sehr Kyle mir klar gemacht hat, dass ich nicht willkommen bin, aber ich ließ es und schüttelte einfach mit dem Kopf.

„Siehst du! Und jetzt sag mir, ob du Spaß mit uns hattest."

Ich überlege kurz. „Ja, mit euch ist es schon ganz witzig", antworte ich dann wahrheitsgemäß, denn es stimmt wirklich.

Ich hatte Spaß und ich habe die Zeit mit Matt, Isaac und Clara genossen. Um ganz ehrlich zu sein, hatte ich noch nie wirklich so viel Spaß und konnte mich so gehen lassen und so ein wie ich bin. Aber Stop, so war ich eigentlich gar nicht.

Clara grinste triumphierend. „Na komm, ich begleite dich bis zum Campus und am Freitag gehen wir steil!"

Obwohl ich Clara versuche sie davon zu überzeugen, dass es mir nicht gut geht und ich lieber in meinem Bett bleiben würde, schleift sie mich am darauffolgenden Freitag tatsächlich wieder zu der Party im Verbindungshaus. Wie auch beim letzten Mal, hört man den lauten Bass und die Musik bereits, als wir aus dem Auto steigen. Und auch die Pappbecher liegen wieder wild verstreut vor dem riesigen Haus herum. Ob sie überhaupt mal jemand aufhebt und alles wieder in Ordnung bringt?

HOLD ME TIGHT - abgeschlossenWhere stories live. Discover now