~ 2 ~Pünktlich um 7.00 Uhr weckt mich der Wecker und ich schlage verschlafen die Decke zurück. Heute ist der erste richtige Tag, an dem auch Unterricht stattfindet.
Noch völlig verschlafen begebe ich mich unter die Dusche und lasse das eiskalte Wasser auf mich nieder prasseln. Meine Muskeln sind total verspannt, was wohl auch kein Wunder ist. Die Matratze ist hart wie Stein und vermutlich schon Jahrhunderte alt.
Gerade als ich aus der Dusche steige und meine Haare in ein Handtuch umwickle, klingelt mein Handy. Mit Freude erkenne ich Chris' Namen auf dem Display.
Kurz fragt er, ob auch alles okay wäre und ich mich gut eingelebt hätte. Natürlich erzähle ich ihm nicht, dass ich mich hier völlig verloren vorkomme und absolut Fehl am Platz. Lediglich Clara erwähne ich nebenbei.
Da das Gespräch nicht lange dauert, lasse ich mir Zeit meine Haare trocken zu föhnen und dann etwas passendes aus meinem Kleiderschrank zu suchen. Da es ein etwas kühlerer Tag werden wird, entscheide ich mich für eine weiße Jeans und einen schwarzen Jersey Pulli. Einfach und schlicht.
Um auch nicht zu spät zu meiner ersten Stunde zu kommen, mache ich mich schon frühzeitig auf den Weg. Clara und ich werden leider nicht dieselben Kurse belegen. Was wohl mit ziemlicher Sicherheit daran liegt, dass wir völlig verschiedene Interessen haben. Während ich lieber auf dem Zimmer bin und Romane lese, wirft sie sich in Schale und hüpft von einer Party zur nächsten.
Wie erwartet, brauche ich eine halbe Ewigkeit, um den Raum zu finden, in dem heute der Literaturkurs stattfinden wird. Ich habe zwar eine Wegbeschreibung des Gebäudes, allerdings zeigt sich in solchen Situationen wieder einmal meine Orientierungslosigkeit.
Da ich 10 Minuten vor Beginn erst im Raum bin, ist er dementsprechend auch schon gut gefüllt. Letztendlich muss ich mich in die vorletzte Reihe setzen, in der noch genau 2 Plätze frei sind.
Ich setze mich neben einen Typen, der ganz klischeehaft wie der von Gott persönlich entworfene Bücherwurm aussieht. Er scheint sogar etwas nervös zu werden, als ich mich neben ihn setze, was mich leise lächeln lässt. Vermutlich kam ihm noch keine weibliche Person so nahe, abgesehen von seiner Mutter.Mit zweiminütiger Verspätung betritt auch der Professor den Raum. Er ist klein, dick, glatzköpfig und scheint auf das hier überhaupt keine Lust zu haben. Er knallt seine Tasche auf das Pult vor ihm und wischt sich mit einem alten Tuch den Schweiß von der Stirn.
„Guten Tag", brummt er etwas undeutlich. „Ich bin Mr Phillips, ihr Professor im Literaturkurs. Und gleich eins vorab: Sie sind alt genug. Haben sie kein Interesse an dieser Vorlesung, bitte ich sie diesem Desinteresse ruhig und leise nachzugehen und die anderen nicht zu stören. Das war's von meiner Seite. Weitere Fragen? Nein? Gut, dann wollen wir keine Zeit verlieren."
Während seiner Rede hat er nicht einmal nach oben geschaut, sondern in seiner Tasche nach seinen Unterlagen gesucht. Jetzt wischt er sich noch einmal die Nase ab und beginnt etwas an die Tafel zu kritzeln. Ich stöhne. Den Literaturkurs hatte ich mir wesentlich spannender und unterhaltsamer vorgestellt.
„Ah, Mr King", ruft er plötzlich laut und alle drehen sich zur Tür um. „Wie ich sehe geht es in diesem Jahr auch im Literaturkurs mit ihrer Haltung gegenüber Pünktlichkeit weiter."
Ich drehe mich ebenfalls um und sehe den Typen im Gang stehen, der mich gestern schon angerempelt hat.
Er posiert lässig, mit den Händen in den Taschen seiner Jeans vergraben und zuckt mit den Schultern. „Man sollte seinen Prioritäten treu bleiben", gibt er zur Antwort. Dann schleppt er sich auf den Platz neben mir, lässt sich fallen, stöhnt dabei entnervt und streckt beide Beine der Länge nach von sich.
![](https://img.wattpad.com/cover/99062011-288-k334304.jpg)
YOU ARE READING
HOLD ME TIGHT - abgeschlossen
General Fiction»Ich weiß nicht, ob es gut war, hier her zu kommen. Ich weiß nicht, ob es gut war, ihm zu begegnen. Noch schlimmer aber ist es, dass ich nicht weiß, wie sehr sein Schicksal mein Leben verändern wird« _ Mira: jung, hübsch & zurückhaltend Kyle:...